Erinnerung
Es gibt ein Glück, das wir allzeit tief
im Herzen tragen, das uns treu bleibt im
Kampf und Sturm des Tages und das als
freundlicher Sonnenstrahl mild hereinblickt
in den Herbst und Winter unseres Lebens:
Es ist die Erinnerung an die Heimat,
verwoben mit dem Traum einer glücklichen,
sorglosen Kindheit.
Quellennachweis
Die geschichtlichen Beiträge in der Zeit
bis zum Jahre 1830 sind dem Büchlein
„Die Geschichte der Pfarrei Rosenthal“
von Maximilian Tschitschke
entnommen.
Inhaltsverzeichnis
Zum Geleit |
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11 |
Vorwort |
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13 |
Die Geschichte der Gemeinde Seitendorf
I. |
Frühe Spuren – Erste Besiedlung |
17 |
II. |
Neubesiedlung im 16. Jahrhundert |
27 |
III. |
Die Freirichter |
29 |
IV. |
Seitendorf – Kontroversen mit dem Kaiser in Wien und den Grundherren in Böhmen |
30 |
V. |
Seitendorf als Gemeinde |
31 |
VI. |
Der Dreißigjährige Krieg (1618-48) |
32 |
VII. a) |
Kirchliches |
40 |
VII. b) |
Küster
und Schule |
44 |
VIII. |
Geschichte unserer Gemeinde zur Zeit Friedrich des Großen |
49 |
IX. |
Unsere Heimat zur Zeit der preußisch- napoleonischen Kriege (1806-07/1813-15) |
70 |
X. |
Seitendorf während der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts und der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts |
79 |
XI. |
Die Lehrer von Seitendorf |
86 |
XII. |
Gemeinde, Kirche und Schule in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg bis nach dem 2. Weltkrieg bzw. bis zur Vertreibung |
87 |
XII. a) |
Die Gefallenen und Vermißten der beiden Weltkriege |
107 |
XII. b) |
Hausnummern, Häuser und Grundstücke unseres Dorfes |
113 |
XIII. |
Seitendorf – unsere Heimat a) Eine Wanderung durch das Dorf |
119 |
|
b) Das Leben in unserem Dorf |
130 |
XIV. |
Sagen der Heimat a) Wie das Burgfräulein vom Schnallenstein verzaubert wurde |
148 |
XIV. |
b) Wie Enede erlöst werden sollte |
149 |
|
c) Wie Enede zum zweiten Mal nicht erlöst wurde |
150 |
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d) Der Schatz im Schnallenstein |
152 |
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e) Die Sage vom Feierobend |
153 |
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f) Die Sage von den Salzlöchern |
154 |
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Nachtrag I Namen und Herkunft der Seitendorfer Familien |
161 |
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Nachtrag II Die Freirichter von Seitendorf |
167 |
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Skizze |
171 |
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Kartenblatt |
172 |
DIE GESCHICHTE DER GEMEINDE SEITENDORF
Mein Kirchlein auf dem Hügel in Sonne und Wind,
Dich
grüß‘ ich von Ferne – in Dir ward ich zu Gottes Kind.
Als Knabe kniet‘ kindlich-fromm ich am Altare vorn,
als Bauer bat ich den Herrgott dort um Flachs
und Korn.
In dem heiligen Raum, bei Glocken- und Orgelklang,
reichte ich meiner Braut zum Lebensbund die Hand.
Wir trugen zum Kirchlein manch‘ Leid und Erdenschmerz –
wer hat nicht erfahren, daß dort leichter wurd‘ das Herz? –
Und neben dem Kirchlein – liegt der Acker – das Feld,
was der Herr mit dem Tod alleine bestellt.
Dort ruhen meine Ahnen seit Gedenken sich aus –
doch
mir ist verwehrt dieses letzte Haus. –
Drum Kirchlein auf dem Hügel, in der Zeiten Wind,
halte Wacht, bis Deine Kinder einst wieder bei Dir sind!
Grafik
Zum Geleit
Dem Büchlein sei ein Gedicht von Felix Dahn
vorangestellt. In ihm ist alles so treffend und
innig ausgedrückt, was bei dem Begriff "Heimat"
das Herz erfüllt und bewegt – aber leider auch das,
was uns nicht mehr vergönnt ist, was nicht mehr
sein kann.
Heimat
Den Raum, den du gewachsen bist,
den halte hoch und wert.
Dein Glück und Dein Gedeihen ist
nur an der Heimat Herd.
O Heil dem Mann, der wohnen kann
wo seine Wiege stand.
Da sieht ihn alles freundlich an
was ihn als Kind gekannt.
Das Brünnlein und der Gartenzaun,
der Nußbaum auf dem Plan
mit treuen Augen auf ihn schaun’n
als alter Spielkumpan.
Hausgeister hüpfen rings um ihn
sein Schutzgeleit zu sein,
und jede Straße grüßet ihn,
ihm redet jeder Stein.
Und wem die Welt ins Herz gezielt,
Heil, wer nach Haus entrann.
Die Scholle, drauf das Kind gespielt –
die heilt den wunden Mann.
Vorwort
Im Sommer 1978 besuchte ich mit meiner Familie
die Grafschaft Glatz. Unser vorrangiges Ziel
war Seitendorf, unser Heimatdorf. Zutiefst waren
wir betroffen über den Niedergang dieser einst
so blühenden Landgemeinde. Wohl konnten wir uns
an der schönen Landschaft erfreuen, denn sie
war die alte geblieben. Doch gleichzeitig kam
uns um so deutlicher und schmerzlicher zu Bewußtsein,
was wir verloren hatten. Nach unserer
Rückkehr brauchten wir viele Wochen, ja Monate,
um die unguten Gefühle und Eindrücke zu bewältigen.
Weil wir die Überzeugung gewonnen hatten, daß
in nicht mehr allzu ferner Zeit unsere Heimat-
gemeinde von der Landkarte verschwinden wird,
bedingt durch die dort herrschende Mißwirtschaft
und die ungünstige Lage im Grenzgebiet zur
Tschechoslowakei, reifte der Entschluß, eine
kleine Chronik über meinen Heimatort Seitendorf
zu erstellen, damit er nicht ganz in Vergessen-
heit versinkt.
Leider kommt das Büchlein sehr spät heraus. Es
war für meine Angehörigen und mich nach fast
40 Jahren Vertreibung nicht leicht, das erforder-
liche Material zusammenzutragen. Dank an alle,
die mir dabei geholfen haben: Herr Richard Eltner,
Herr Franz Stein, Frau Klara Kintscher und Frau
Maria Unkelbach konnten mir wertvolle Beiträge
liefern und Bildmaterial zur Verfügung stellen.
Ganz besonders aber danke ich Fräulein Martha Eltner –
sie konnte durch ihre "mündliche Überlieferung"
noch vieles aufhellen, was schon im Dunkel
der Dorfgeschichte lag.
Ich möchte das Büchlein den Alten wie den Jungen
widmen. Den Alten möge es eine liebe Erinnerung
an die unvergessene, geliebte Heimat sein,
die sie doch bis an ihr Ende im Herzen tragen,
den Jungen aber möge es eine Hilfe sein, wenn
sie nach den Wurzeln ihrer Herkunft suchen und
darin einiges finden können, was auch in ihren
Herzen die Treue und Verbundenheit zu der Heimat
ihrer Vorfahren lebendig erhalten kann.
Berta Beck
Weeze, im Juli 1985
Das Haus
Betritt nicht die Schwelle!
Rings wuchern Distel und Dorn.
Vor blinden Fenstern trübt sich dein Blick.
Schweigend lastet das Dach
auf brüchigen Mauern.
Wen mag es hüten?
Dein Gut hat sich
in Fremdes verkehrt
und steht gegen dich.
Betritt nicht die Schwelle!
Aus dem geborstenen Stein
quillt giftiges Kraut,
das lähmt den Herzschlag,
wenn du es berührst.
Monika Taubitz
DIE GESCHICHTE DER GEMEINDE SEITENDORF
I. Frühe Spuren – Erste Besiedlung
Im südlichen Teil des Habelschwerdter Kammes,
ungefähr 12 – 15 km vom Paß von Mittelwalde
entfernt, liegt an den Hängen des Schwarzen
Berges und des Dreitannenberges Seitendorf –
eine kleine Landgemeinde des Kreises Habel-
schwerdt, 854 ha groß.
Das Dorf wird zum ersten Mal um das Jahr 1358
erwähnt und mit Sybotendorf bezeichnet, um
das Jahr 1411 Seybittendorf und ab 1560 Seiten-
dorf genannt. Wahrscheinlich handelt es sich
bei dem Namen Sybot oder Seybitt um den Namen
des Anführers der ersten Siedler.
Die Geschichte des Dorfes ist eng mit der
Geschichte der Burg Schnallenstein, die am
Eingang des Dorfes liegt, verbunden. Um diese
alte Burg bildeten sich die ersten Ansiedlungen,
die den jeweiligen Burgherren untertan waren.
Die „Schnallenstein" ist die besterhaltenste
Ruine der Glatzer Burgen, gelegen in der oberen
Grafschaft. Hoch auf einem felsigen Bergrücken,
einem Ausläufer des Schwarzen Berges, liegt in
wildromantischer Gegend 487 m über dem Meeres-
spiegel, das alte Gemäuer der Burg Schnallenstein.
Am Fuße des Burgberges vereinigen sich das
Seitendorfer Wasser und das "Höllenflössel“,
zwei Bäche, zur Schnalz, die über Jahrhunderte
hinweg an ihrem Lauf mehrere Wassermühlen
antrieb. Hier liegt auch das Vorwerk der Burg
(Stumpf’s Gut in Rosenthal).
Die Erbauung der Burg fällt wahrscheinlich in
die Kriegswirren zwischen Polen und Böhmen in
die Zeit von 1002 – 1137, die sich auch im
Glatzer Land abspielten. Sie ist als Schutz-
burg erbaut worden, wie "die Karpenstein" bei
Landeck und das Hummelschloß bei Lewin. Eine
alte Heer- und Handelsstraße führte von Mähren
über die Grafschaft Glatz nach Böhmen an
Karpenstein und Schnallenstein vorbei nach
Pottenstein in Böhmen.
In alter Zeit wurden von der Schnallenstein
Feuerzeichen gegeben, die den herannahenden
Feind ankündigten, damit sich die Bevölkerung
in die umliegenden Wälder in Sicherheit bringen
konnte. Der der Burg gegenüberliegende Berg
mit der Sicht ins Neißetal heißt heute noch
"Feierobend" *), abgeleitet von Feueramt, von
ihm wurden die Feuerzeichen gegeben. Noch
während des Dreißigjährigen Krieges sind von
*) Die Sage vom "Feierobend" beschreibt eine
andere Begebenheit
diesem Berge aus über Habelschwerdt und
Grafenort nach Glatz Feuersignale gegeben
worden.
Im frühen Mittelalter galt Glatz als Schlüssel
für die Polen zu Böhmen und Mähren und den
Böhmen in umgekehrter Weise zu Polen.
Wahrscheinlich erfolgte die erste Kolonisation
von Rosenthal und Seitendorf durch Brezislaus I
(um 1055) als eine tschechische militärische
Ansiedlung. Die Ansiedler hatten das Land
gegen feindliche Einfälle zu schützen.
Unter der Regierung des Königs Ottokar II von
Böhmen (1253 – 1278) begann die Germanisierung
des Landes durch Einwanderer aus Mitteldeutschland
und Franken. Auch deutsches Recht und deutsche
Verwaltung wurden um das Jahr 1264 eingeführt.
Das Werk von Ottokar II setzten die Könige
Wenzel II und Johann v. Böhmen, sowie die auf
Lebenszeit belehnten schlesischen Herzöge
Heinrich IV von Breslau und Bolko II von
Fürstenberg-Münsterberg fort, abgeschlossen wurde
es
unter Karl IV.
Die Germanisierung war mit der Übertragung des
deutschen Rechtes auf alle Bewohner des Landes
um 1350 durchgeführt. Damit war auch das Ende der
Hörigkeit der tschechischen Bevölkerung einge-
treten. In diese Zeit fällt auch die Umwandlung
des Namens Snellinsteyn in Schnallenstein. Die
Bedeutung des Namens ist nicht genau bekannt.
Die eine Annahme ist, daß man den steil
abfallenden Felsen, auf dem die Burg erbaut
ist, so genannt hat, oder man meint den schnell
herabeilenden Seitendorfer Dorfbach, der unter-
halb der Burg zur Schnalz wird (schnelle Steine,
Snellinsteyn, Schnallenstein). Die andere
Deutung weist auf das Wappen der Herren von
Schnallenstein, in dem sich eine Schnalle
befunden haben soll. Ein solches Wappenschild
ist
aber nicht bekannt.
Die ehemals tschechischen Ansiedlungen Rosenthal
und Seitendorf erhielten ihre deutschen Ortsnamen
höchstwahrscheinlich von einem Ritter von Glaubitz,
der um das Jahr 1300 in den Besitz dieses Gebietes
mit der Burg Schnallenstein gelangte. Dafür
spricht der Umstand, daß im Kreise Frankenstein,
aus dem das Geschlecht der Glaubitz nachweislich
einwanderte, ein Dorf Seitendorf heißt und ein
anderes, Rosenbach genannt, sehr an Rosenthal
erinnert. Die beiden Dörfer hatten schon bald einen
Seelsorger. Der erste bekannte Pfarrer, Nikolaus
Neumann, wurde im Jahre 1318 auf grausame Weise
ermordet.
Am 20. April 1294 schenkte König Wenzel von Prag
seine Stadt Mittelwalde samt Zubehör dem Kloster
Kamenz. Dazu muß auch die Burg Schnallenstein
gehört haben. Es steht fest, daß schon vor dem
Jahre 1318 Mittelwalde – Schnallenstein in die
Hände des Ritters Otto von Glaubitz überging, der
sich in dem Kauf eines Allods (Freigut) zu Gallenau
durch das Kloster Kamenz (1323) „Herr von
Mittelwalde und Gallenau“ nennt.
Das Geschlecht der Glaubitz, auch Glubos ge-
schrieben, entstammt dem Meißener Uradel, Otto
von Glaubitz erscheint als Glatzer Ritter zum
ersten Mal am 5. Januar 1316. Als Besitzer von
Gallenau und Kamenz muß er von den Zisterziensern
des Klosters Kamenz die Herrschaft Mittelwalde –
Schnallenstein gekauft oder als Lehen erhalten
haben. Das Geschlecht der Glaubitz gehörte bald
zu dem begütertsten Adel in der Grafschaft. Den
verschiedenen Seitenlinien gehörten ein großer
Anteil der Rittersitze und Liegenschaften, wie
Karpenstein, Niederschwedeldorf, Rückers und
Wallisfurth.
Im Jahre 1318 wurde die Burg Schnallenstein von
böhmischen Raubrittern Überfallen, ausgeraubt
und angezündet. Zu diesem Überfall ist folgender
Bericht
überliefert:
Wegen des zwischen dem Kaiser, als Besitzer der
Herrschaft Schnallenstein und den benachbarten
böhmischen Grundherren ausgebrochenen Grenz-
streites im 16. Jahrhundert waren im Jahre 1559
mehrere Zeugen aus Ebersdorf, Rosenthal,
Verlorenwasser, Glasdorf und Seitendorf vor das
königliche Kammergericht in Prag geladen worden.
Vor diesem erklärte Mathes Urban, Freirichter in
Seitendorf: "Ich hörte öfters von meinem Großvater,
dieser war seines Alters 108 Jahre, und der hörte
es von seinem Großvater, daß ein Herr auf Schnallen-
stein war, namens Glaubitz, und der ritt nach Glatz.
Und es war unter ihm ein Gärtner, der das Schloß
verraten. Und es schickte die Schloßherrin früh
Fischer an die Erlitz. Da kamen Herren aus
Böhmen geritten, nahmen die Fischer gefangen,
marschierten weiter und zündeten einen Hof in
Seitendorf an. Nun zogen die böhmischen Herren
die Fischer aus und ließen ihre Leute die Fischer-
kleidung anziehen und schickten sie hinauf, daß
sie das Schloß nehmen sollten. Es war aber da
ein Pfarrer, Neumann genannt, der Priester
Nikolaus, der die Zugbrücke aufzog und sie
nicht herein ließ. Doch sie gelangten durch
Verrat des Gärtners durch ein Pförtchen in das
Schloß, warfen den Pfarrer auf einen Felsblock
hinunter, luden die Schloßherrin auf einen
Wagen und ließen sie wegführen. Und als dem
Schloßherren die Nachricht gekommen, daß das
Schloß belagert sei, ritt er nach Habelschwerdt
auf die hohe Warte*). Und sie hatten das Schloß
angezündet. Da sagte er: "Kehren wir um, es ist
ja schon angezündet". So hörte es mein Groß-
vater von dem seinen und dieser war 110 Jahre
alt".
Diese Nachricht von dem Überfall auf die
Burg Schnallenstein findet Bestätigung durch
Sladek und Liebscher in dem Werk „Burgen und
Schlösser in Böhmen". Dort heißt es unter Rokitnitz:
Im Jahre 1318 verwüsteten Raubritter, unter ihnen
Jeschek Quischlan, Ulrich und Hironymus von
Rychenberg (Rehberg bei Reichenau), durch Plünderung
und Brandschatzung die böhmischen Orte Petschin
und Rokitnitz und zündeten dann zwei Höfe und
das Schloß in Seitendorf an. Dieselben wurden dann
*) Florianberg
zur Verantwortung nach Prag geladen. Drei von
ihnen wurden eingekerkert, die von Rychenberg
konnten
die Strafe durch Geld sühnen.
Als Nachfolger des Otto von Glaubitz wird sein
Sohn Otto der Schüler genannt. Nach seinem Tode
um das Jahr 1400 fiel die Burg und Herrschaft
Schnallenstein an seine drei Söhne Bernhard,
Georg und Nikolaus. Bernhard von Schnallenstein
war längere Zeit Unterhauptmann der Grafschaft
Glatz, um 1414 und 1422. Im November des Jahres
1420 vermachte Nikolaus all sein Gut im Lande
Glatz, Haus Snellynstein, Rosenthal, Seybittendorf,
Lichtinwalde, Ebirsdorf, Langenaw, zur Heyde,
zum Rükirs (Rückers) und Swedlerdorf, seinem Bruder
Bernhard, wozu ihn wahrscheinlich die Unruhen
im benachbarten Böhmen bewogen hatten.
Im Jahre 1421 fielen die Hussiten zum ersten Mal
bei Mittelwalde in die Grafschaft ein, ohne das
Schnallensteiner Gebiet zu belästigen. Auch
beim zweiten Einfall im Nov. – Dez. 1425 wurde
Schnallenstein verschont. Im März 1428 über-
fluteten mehrere Heerhaufen das Glatzer Land.
Während die erste Abteilung das Hummelschloß
bei Lewin belagerte, plünderte und verbrannte
die andere Mittelwalde und verwüstete auf dem
Weitermarsch nach Glatz alle Dörfer, Kirchen
und Höfe, an denen sie vorüberkam und ermordete,
was sich nicht in den Wäldern versteckt hatte.
Weil die Grenzburgen Karpenstein und Schnallenstein
den Belagerern gefährlich werden konnten, wurden
Sonderabteilungen zur Erstürmung der Schlösser
abgesandt – und beide fielen in die Hände der
Hussiten. Die Burg Schnallenstein, die gut be-
festigt war, wurde von dem gegenüberliegenden Berge
aus (Feierobend) mit Pechkränzen in Brand ge-
schossen. Sie wurde nicht ausgehungert, denn
nach dem Bericht alter Personen sind bei Abbruch-
arbeiten in den vierziger Jahren des 19. Jahrh.
in einem verschütteten Keller größere Mengen
verkohlten Getreides gefunden worden. Da Nikolaus
von Schnallenstein nicht mehr erwähnt wird, ist
anzunehmen, daß er bei der Zerstörung der Burg
den Tod
gefunden hat.
Bernhard von Glaubitz, der Herr von Schnallenstein,
entkam, wurde aber im Dezember 1428 in der Hussiten-
schlacht am Roten Berge bei Glatz tödlich ver-
wundet und starb in Glatz, wo man ihm eine
Gedächtniskapelle errichtete.
Gleichzeitig mit der Burg wurden auch Rosenthal
und Seitendorf zerstört. Was dem Schwerte der
Hussiten entging, raffte die im Jahre 1430
herrschende Pest hinweg. Die handschriftliche
Chronik eines Habelschwerdter Bürgers berichtet,
daß Rosenthal und Seitendorf durch Krieg und Pest
verheert wurden und lange Zeit „wüste“ gelegen
hätten.
Die Nachfahren der von Glaubitz zogen sich nach
Niederschlesien und Sachsen zurück und die Herr-
schaft Mittelwalde – Schnallenstein fiel an den
Lehnsherren, den Kaiser, zurück. Durch Kauf oder
Verpfändung wechselten mehrmals verschiedene
Besitzer
in den nachfolgenden Jahrzehnten.
Im Jahre 1538 wird ein Hans von Tschirnhaus
als Besitzer der Herrschaft Schnallenstein
genannt. Er machte sich durch Gewalttätigkeiten
verhaßt und brachte mehrere seiner Untergebenen
ins Gefängnis, einige starben sogar. Er verlor
auch das Vertrauen seines Landesherren, die
Domäne Schnallenstein wurde ihm entzogen.
Die beiden Söhne, David und Michael, behielten
Mittelwalde.
Eine alte Sage erzählt vom "Wilden Ritter Jahn
von Mittelwalde" – (es muß sich um den oben-
genannten Hans von Tschirnhaus gehandelt haben).
Der wilde Ritter Jahn wollte gern wieder die
Burg Schnallenstein aufbauen und ritt deshalb
des öfteren nach Seitendorf und dem wüsten
Schloß. Das war ein beschwerlicher Weg. Eines
Tages hatte der wilde Jahn schwer gezecht und
ritt erst spät am Abend nach Hause. Wegen seiner
Trunkenheit fiel er im Höllengrund, den er
Überqueren mußte, vom Pferde. Als er nun hilflos
auf der Erde lag, fing er an, ganz schrecklich
zu fluchen. Er rief den Teufel und versprach
ihm seine Seele, wenn er ihm über die Schlucht
eine Brücke baue. Dieser erschien auch gleich und
schloß seinen Pakt mit dem Ritter. Der Teufel
versprach, in drei Tagen eine Brücke zu bauen,
verlangte aber, dabei von keinem Hahnenschrei
gestört zu werden. Der wilde Jahn versprach es
und schickte am folgenden Tage seine Leute aus,
in Seitendorf und Umgegend alle Hähne zu töten.
Ein altes Mütterchen aber, das in der Feldmühle
_25_
am Fuße der Schnallenstein wohnte, konnte ihren
Hahn rechtzeitig in einer dunklen Kammer verbergen,
so daß er am Leben blieb. Nach drei Tagen, um
Mitternacht, ging ein heftiges Gewitter nieder.
Nach mehreren gewaltigen Donnerschlägen kam der
Teufel mit drei mächtigen Steinen an und wollte
mit dem Bau der Brücke beginnen. Auf einmal begann
in der Feldmühle der Hahn zu krähen. Der Teufel
erschrak und ließ die Steine am Höllenfluß fallen,
genau an der Stelle, wo die alte Straße über das
Wasser führt. Dort liegen sie noch heute – die
Teufelssteine.
Was bedeuten die drei großen, senkrecht in das
Ufer des Höllenwassers eingelassenen Steine?
Was bedeutet die Inschrift:
Grafik
die auf dem einen der Steine eingegraben ist?
Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich
um Grenzsteine. Noch um 1900 trafen an dieser
Stelle die Grenzen von drei Grundstücken zusammen
(Exner/ Rosenthal, Stein/ Seitendorf und das
Schloßgebiet).
_26_
II. Neubesiedlung im 16. Jahrhundert
Hundert Jahre schweigt die Geschichte über unsere
Heimat. Im Jahre 1537 werden Oberlangenau und
Rosenthal erwähnt. Die nächsten Nachrichten
lassen Rosenthal und Seitendorf schon als geordnete
Gemeinden erkennen, denn im Jahre 1554 verkauft
Valten Wendler sein Freirichtergut in Seitendorf
an Mathias Urban. Seitendorf bestand im Jahre 1560
aus 21 Höfen und gehörte in kirchlicher Beziehung
zu Oberlangenau, dessen Pfarrer von jedem der
21 Besitzer jährlich 18 Heller erhielt. Der
Pfarrer war protestantisch und verheiratet. Er
wurde später (1624) abgesetzt. Die ersten Ein-
tragungen im Seitendorfer Kirchenbuch: Im Jahre
1624 wurde dem Merten Franke „am Schnallenstein"
ein Sohn geboren. Die Ortsbezeichnung "am
Schnallenstein" findet sich bis 1654.
Ein Sohn des im Jahre 1654 gestorbenen Georg
Bernhart heißt im Oktober 1680 Michael Bernhart
"am Feierobend", später wird er "der Niedere"
genannt. Der erwähnte Merten Franke scheint
königlicher Förster gewesen zu sein und hat auf
der ersten Besitzung unterhalb der Schnallenstein
gewohnt (jetzt Pohl’s Besitzung – Pohl, ursprüng-
lich zugehörig zum Vorwerk der Schnallenstein,
jetzt das Stumpf’sche Gut in Rosenthal). Merten
Franke ist später Schulmeister in Lichtenwalde,
aber
öfters Trauzeuge und Pate in Seitendorf.
Das Nachbardorf Peucker ist älter als Seitendorf,
gehörte aber zuerst zu Lichtenwalde. Eine Urkunde
aus dem Jahre 1564 sagt aus, daß der ehrsame
-27-
Peter Engelhardt, Vogt zu Habelschwerdt, auf
Befehl des kaiserlichen Amtes der Grafschaft Glatz
mit den Richtern von Verlorenwasser, Lichtenwalde
und Seitendorf „einen richtigen Vertrag gehalten
wegen ihren strittigen Grenzen, sie richtig zu
machen …. und mit Mund und Hand angelobet, was
oben bemeldter Vogt samt seinen Zugethanen zwischen
ihnen erkennen wird.“ Offenbar handelt es sich
hier um die Festsetzung der Grenzen zwischen
Lichtenwalde und Peucker.
Der Habelschwerter Chronist berichtet von drei
Verbrechen, die zwischen 1564 und 1600 in
Seitendorf geschehen sind und zeigt auf, wie
das damalige Strafrecht aussah. Im Jahre 1564
wurde in Habelschwerdt eine Frauensperson aus
Seitendorf lebendig begraben, weil sie ihr
neugeborenes Kind getötet und den Schweinen
vorgeworfen hatte. 1574 wurde Adam Hannig aus
Verlorenwasser in Habelschwerdt geköpft, weil
er sich mit des Richters Tochter aus Seitendorf,
mit der er Geschwisterkind (Vetter) war,
vergangen hatte. Das Mädchen wurde gestäupt,
d. h. an den Pranger gestellt, evtl. auch ge-
schlagen. Zwei Jahre später mißhandelte der
Vater dieses Mädchens, der Freirichter Mathias
Urban, den Pfänder von Glatz in Niederlangenau
am Stege dem Gericht gegenüber derart, daß der
Verwundete nach 3 Wochen starb. Der Freirichter
mußte 50 Schock Strafgelder zahlen. Wahrscheinlich
geriet Urban durch diese Strafe in Schulden und
verkaufte deswegen sein Freirichtergut. Um 1590
wird Peter Fritsche als Besitzer des Seitendorfer
Freirichtergutes genannt, der es aber schon im
_ 28 _
März 1600 für 1400 Schock an seinen Sohn Hans
verkaufte. Das Seitendorfer Freirichtergut
gehörte bis zum Jahre 1839 zu den größten Gütern
in der Grafschaft, besonders nachdem es durch
Ankauf von kaiserlichem Waldboden im Jahre 1616
bedeutend an Fläche gewonnen hatte.
III. Die Freirichter
Die Freirichter versahen ihr Amt in den Dörfern
und besaßen ihre Privilegien. Im 16. und 17. Jahr-
hundert spielten sie eine gewichtige Rolle. Sie
übten die niedere Gerichtsbarkeit aus: Beurkun-
dungen von Landkäufen, Testamenten, Verträgen,
Verwaltungsangelegenheiten und Aburteilungen
kleiner Straftaten. Als Vorsitzende der Dorfgerichte,
diese bestanden aus den Schöffen, übten sie die
Gerichtsbarkeit aus. Die Freirichtergüter waren
frei von allen Lasten und Verpflichtungen gegen-
über dem Grundherren, damit die Richter frei und
unparteiisch ihres Amtes walten konnten. Sie
besaßen das Brau- und Schankrecht und die niedere
Jagd- (Füchse und Hasen) und Fischereigerechtig-
keit. Auch standen ihnen mindestens fünf Hand-
werker, wie Schmied, Schuster, Fleischer, Schneider,
Bäcker und einige Untertanen für die Feldarbeit
und auf dem Hofe zur Verfügung.
-29-
IV. Seitendorf – Kontroversen mit dem Kaiser
in Wien und
den Grundherren in Böhmen
Der große Wildreichtum in den Wäldern der Herr-
schaft Schnallenstein reizte die benachbarten
böhmischen Grundherren, ihre Jagden bis in dieses
Gebiet auszudehnen. Diese Übergriffe führten zu
einem Prozeß, der 40 Jahre dauerte. Der Schieds-
spruch des Prager Landgerichtes befand am
10. August 1586, daß die Erlitz der ganzen Länge
nach, vom heutigen Kaiserswalde bis zur Mündung
des "Rothen Flosses" (Rotflössel) die Grenze
zwischen Böhmen und der Grafschaft Glatz halten
sollte. Die Kosten des Prozesses hatte Nikolaus
Bubna von Senftenberg zu tragen, 75.000 Schock.
Im September 1587 fand diese Begrenzung statt,
zu der sich „viel Volk" aus der Umgegend einfand,
so berichtet der Habelschwerdter Chronist.
Im späteren Marienthal lag das alte kaiserliche
Jagdgehöft Worlitz, in dem nach den üblichen
Jagden die kaiserliche Jagdgesellschaft einzu-
kehren pflegte. Der dort wohnende kaiserliche
Oberwaldmeister Leonhard Veldhammer erhielt
unter Kaiser Rudolf II den Auftrag, Dörfer an
der Erlitz anzulegen, so entstanden Marienthal
und Freiwalde. Für seine Verdienste durfte er
sich ein Freirichtergut einrichten, außerdem
erhielt er auf Lebenszeit die Zinsen von den
beiden angelegten Dörfern. Veldhammer vergrößerte
auch die Feldmark von Seitendorf und richtete
mehrere Stückmannstellen ein. Auch verkaufte er
im Jahre 1582 dem Stadtvogt von Habelschwerdt,
-30-
Peter Engelhardt, ein 7 Schnüre breites und
8 Schnüre langes Waldgrundstück im Höllengrund,
gelegen zwischen Seitendorf und Rosenthal.
(Diese Waldparzelle wird heute noch "Engelhardt"
genannt). Gleichzeitig verkaufte er dem Vogt
noch die Ruine Schnallenstein mit dem umliegenden
Land, ca. 21 Morgen und die Schloßmühle (Feldmühle).
1583 starb Leonhard Veldhammer. Bald nach seinem
Tode stellte sich heraus, daß Veldhammer seine
Befugnisse überschritten und eigenmächtig gehandelt
hatte. Auch Peter Engelhardt wurde 1585 seines
Amtes als Stadtvogt enthoben; der Chronist nennt
ihn einen Bösewicht. Als nämlich Peter Engelhardt
die Konfirmation über den Kauf des "Wüsten Schlosses"
und der Mühle in den Händen hatte, verkaufte er
alles
dem Freirichter Hans Fritsche von Seitendorf.
V. Seitendorf als Gemeinde
Die Gemeinden der oberen Grafschaft waren als
sogenannte Waldhufendörfer angelegt. Die Bewohner
waren freie Bauern, Stückleute, Feld- und Auen-
gärtner und nur dem deutschen Kaiser untertan,
waren keinem anderen Grundherren verpflichtet, ihm,
bzw. über den König von Böhmen, hatten sie einen
halbjährlichen Zins zu entrichten. Wie schon
berichtet, oblag dem Freirichter und den Schöffen
die Verwaltung der Gemeinde. War kein Freirichter
im Dorf vorhanden, wurde ein Scholze oder Schult-
heiß gewählt. Die Dörfer mußten Fuhren und Hand-
Robotten für "Gemein" leisten. Marienthal hatte
-31-
Holz zu scheitern und zu flößen, Seitendorf
mußte mit Geld und Naturalien entgelten, gab
jährlich zu Georgi 3 Schock, 34 Kreuzer, 2 Heller
Schnittergroschen, 18 Zinshühner, 10 Scheffel
Zinshafer und scheiterte 293 Klaftern Holz.
Gezahlt wurde an das königliche Rentamt in
Glatz. Der Freirichter hatte für die Brau-
gerechtigkeit einen jährlichen Zins von 36
Groschen, den Groschen zu 7 Hellern gerechnet,
zu zahlen, ansonsten war er frei.
VI. Der Dreißigjährige Krieg (1618 – 1648)
Nach alten Berichten waren die Bewohner der
oberen Grafschaft seit Mitte des 16. Jahr-
hunderts eifrige Anhänger der lutherischen
Lehre. Aus diesem Grunde schlossen sie sich
1618 den aufständischen Böhmen und dem von ihnen
gewählten König, dem Kurfürsten Friedrich von
der Pfalz, an. Vor allem waren es die Frei-
richter, welche die Bevölkerung für den soge-
nannten "Winterkönig" gewannen. Zu Michaeli 1618
kamen 1.000 Mann nach Habelschwerdt unter der
Führung des Markgrafen von Jägerndorf, der ein
Anhänger des Winterkönigs war. Im Oktober kamen
dann nach einigem Zögern des Landeshauptmanns
von Schlesien schlesische Truppen zur Verstärkung.
Sie zogen von Habelschwerdt über Lichtenwalde
und Peucker zur Bärnwalder Brücke *), wo sie
zu den Truppen des Grafen Thurn stießen. Nach dem
unglücklichen Ausgang der Schlacht am Weißen
Berge bei Prag am 8. November 1620 unterwarfen
sich die Böhmen wieder dem Kaiser Ferdinand,
*) Über die Bärnwalder Brücke wird noch berichtet
-32-
aber die Grafschaft Glatz, Schlesien und
Mähren blieben dem Pfalzgrafen treu. Die Graf-
schafter befürchteten nun das Einrücken der
kaiserlichen Truppen, die sich in Senftenberg
in Böhmen unter Wallenstein sammelten. Deshalb
besetzten die Habelschwerdter die Grenzübergänge
bei Steinbach und Marienthal. Doch der Einmarsch
der kaiserlichen und der mit ihnen Verbündeten
kurfürstlich-sächsischen Truppen erfolgte bei
Wünschelburg. Habelschwerdt wurde bald von den
sächsischen Truppen besetzt. Die Grafschafter
Bauern schlossen sich unter der Führung des
Freirichters Hans Wolf aus Oberlangenau zu einem
Freikorps zusammen, konnten aber den vielen
mörderischen Übergriffen der kaiserlichen Söldner
nicht lange standhalten. Der Markgraf von Jägern-
dorf zog sich zurück und überließ die Bauern
ihrem Schicksal. Diese führten einen verzweifelten
Kampf und wurden am 5. Juni 1622 vollständig
geschlagen, allein an diesem Tage sind in Nieder-
langenau mehr als 200 Bauern umgekommen. Der
Rest suchte Zuflucht in den Wäldern. Es kam auch
zu einem erbitterten Kampf in der Kirche zu
Oberlangenau. Polnische Hilfstruppen – eine andere
Version sagt, es seien Kosaken gewesen – setzten
die Verfolgung der Bauern bis Peucker fort.
Im Oktober 1622 wurde Graf Thurn gezwungen, Glatz
den kaiserlichen Truppen zu übergeben. Damit war
der Aufstand in der Grafschaft unterdrückt, der mit
viel Begeisterung begonnen hatte und in großem
Elend endete. Unsere Vorfahren haben damals um den
Erhalt und Schutz der Heimat einen blutigen Kampf
_ 33 _
gekämpft; er hatte mit Religionskrieg kaum
noch etwas zu tun.
Sofort nach der Unterwerfung der Grafschaft Glatz
begann Kaiser Ferdinand mit der gewaltsamen
Gegenreformation. Alle protestantischen Prediger
und Schullehrer wurden entlassen oder gar ver-
trieben. Die Freirichter erhielten harte Strafen,
verloren ihre Privilegien, ihre Güter gingen
ganz oder zum Teil verloren. Der Seitendorfer
Freirichter Hans Fritsche starb noch vor der
Urteilsverkündung im Jahre 1624. Seine Erben
mußten 266 Schock bezahlen, nachdem das Gut auf
1600 Schock geschätzt worden war. (Die Witwe
des Rosenthaler Freirichters starb in Lichten-
walde in größter Armut, ihr Nachlaß reichte
nicht aus für den Sarg und das Begräbnis).
Die Chronisten berichten noch über viele Überfälle
und Unterdrückungen durch vagabundierende Truppen
und Heerhaufen während der Dauer des Dreißig-
jährigen Krieges. Im Jahre 1628 wurde in Seiten-
dorf ein Soldatenweib erschlagen und am 11. Mai 1633
ein Michael Franke aus Seitendorf bei der Feldmühle
von Soldaten erstochen, die hier im Winterquartier
lagen.
Im Jahre 1631 kam eine Kommission in die obere
Grafschaft, um die Gemeinden neu zu ordnen. In
Seitendorf wurden 1 Freirichtergut, 19 Bauern,
1 Feld- und 10 Auengärtner, 1 Mehl- und 1 Brett-
mühle verzeichnet.
Die Einwohnerzahl wurde 1633 durch die ausbrechende
Pest stark vermindert. Diese Epidemie brach in
-34-
Seitendorf aus, wo sie auch die meisten Opfer
forderte. Ganze Bauernhöfe starben aus; die
Toten, 81 an der Zahl, sollen nicht auf dem Fried-
hof, sondern an den Stellen beerdigt worden sein,
wo später die Kapellen errichtet worden sind.
Die Bedrängnis durch Truppendurchzüge der Wallen-
steinschen Armee und verschiedener anderer Heer-
haufen hielt in der Grafschaft noch bis nach dem
Westfälischen Frieden an. 1641 lag ein schwedisches
Regiment in Marienthal.Die Schweden haben in
Marienthal und Umgegend schrecklich gehaust
und viele Grausamkeiten verübt. Kaum waren die
Schweden abgezogen, wurde die hiesige Gegend
von den Truppen des kaiserlichen Feldherren
Montecuculi heimgesucht. Montecuculi schlug sein
Hauptquartier auf dem Freirichtergut in Marienthal
auf. Seine Soldaten lagerten in den umliegenden
Dörfern; . . . . . . " da ist das Land abermals ausge-
plündert worden", so wird berichtet. Im April 1648
lagerten "die Montecuculis" zum 2. Mal in der
Gegend. Sie raubten die Rosenthaler Kirche aus,
und weil sie bei den ausgeplünderten Bauern
nichts mehr fanden, schlugen sie ihnen die Fenster
und Öfen ein.
Der Westfälische Friede brachte noch keine Ruhe.
Die in die Heimat zurückziehenden Soldaten
verübten Grausamkeiten und Verbrechen, von denen
einzelne noch überliefert sind. Im Oktober 1649
hatten die in Rosenthal liegenden Reiter erfahren,
_ 35 _
daß mehrere Personen nach Seitendorf zur Kirmes
gegangen waren. Sie lauerten ihnen auf und waren
eben dabei, sie auszuplündern, als andere
Personen zu Hilfe kamen; "einer von diesen hat
ein Rohr, scheußt einen Reiter Todt".
Im Dezember desselben Jahres erschlug ein
Trompeter des Regimentes Piccolomini den
Schmid Michael Göbel zu Rosenthal, weil dieser
um die Bezahlung der Schulden gemahnt hatte.
Als endlich Ruhe im Lande eingekehrt war, wurden
den Freirichtern, die "Anno Sechzehnhundert sechs
und zwanzig … ihre per Rebellion dem kaiser-
lichen Fiskus dazumal anheim gefallenen Richter-
güter gegen Erlegung einer gewissen Geldstraf …..
aus sonderbaren kaiserlichen und königlichen
Gnaden wiederum eingeräumet…".
In dem Majestätsbrief von Kaiser Ferdinand IV
an den Freirichter Heinrich Fritsche aus Seiten-
dorf heißt es weiter: "Wegen der Bereuung ihrer
Mißhandlung, ausgestandener ziemlicher Straf
und seithero angenommener heiligen allgemeinen
und allein seligmachenden katholischen Religion,
beinebens auf ihre eingelegte Bitte, auch in
Betrachtung ihrer bei seithero vorgegangenen
Kriegs-Zeiten ausgestandenen Beschwerlichkeiten…"
verlieh der Kaiser am 7. Mai 1652 den Freirichtern
alle Gerechtigkeiten und Freiheiten wieder, die
sie vor dem Abfall besessen hatten: Freies
Brau- Urbar, Kretscham, Schank, Bäckerei,
Fleischerei, Hasen- und Fuchsjagden, Vogelstellwerk
Fischerei, die berechtigten Handwerker und Unter-
tanen, soweit diese Berechtigungen jeder Besitzer
durch authentische Partikulatur-Urkunden nach-
weisen
konnte. Die frühere Standesmäßigkeit wurde
-36-
ihnen nicht mehr zugestanden.
Um diese Zeit berichtet der Habelschwerdter Chronist
von mehreren Unglücksfällen. Unter Seitendorf: Am
Pfingstsonnabend des Jahres 1638 brannte vor
Tagesanbruch Georg Rupprecht ab, sein dreijähriges
Kind kam in den Flammen um. Im Mai 1660 brannte
wiederum ein Haus ab und im Dezember 1676 wurde
Nikolaus Prause in der Schloßmühle vom Wasserrade
erdrückt. Im September 1694 ertrank ein Kind im
Dorfwasser.
Im Jahre 1683 bahnten sich für unsere Vorfahren
neue Schwierigkeiten an. Die Türken standen vor
Wien. Der Kampf gegen ihr westliches Vordringen
kostete große Opfer, vor allem viel Geld.
Deshalb wollte der Kaiser einen Teil der Graf-
schaft dem Grafen Althann verkaufen. Es bestand
aber eine alte Abmachung, daß die Grafschaft
Glatz "in den Händen des Königs von Böhmen
verbleibet". Im Vertrauen auf ihr altes Recht
sandten die betroffenen Grafschafter eine Ab-
ordnung an die Hofkanzlei in Wien und reichten
eine Bittschrift ein. Die Abordnung wurde sehr
unfreundlich behandelt und bekam den Befehl,
sofort wieder zurückzukehren und 100.000 Floren
(Gulden) zu sammeln und dem Kaiser diese
"vorschissen". Die Abgesandten erklärten sich
für das schwere Opfer bereit und baten, daß
diese Summe nach und nach von den Steuern abge-
rechnet werde. Als sie aber zurückkehrten,
sperrte man sie ein. Trotz allen Protestes war
ihr Bittgang umsonst. Am 28. Dezember 1684
wurden im Kreis Habelschwerdt und in der Umgegend
-37-
von Landeck 29 Dörfer mit allen Privilegien
an Michael Wenzel Graf von Althann auf Mittel-
walde für 207.073 Gulden verkauft. Nach seinem
Tode im Jahre 1690 erhielt sein Sohn Michael
Wenzel II die Dörfer der Herrschaft Schnallen-
stein und vereinigte sie wieder mit Mittelwalde.
Nun entbrannte ein neuer Streit mit den neuen
Untertanen. Der Graf verlangte übermäßige Robot-
leistungen. So mußten die Bauern zur Acker-Robot
mit zwei Pferden nach Mittelwalde. Die meisten
Bauern hatten aber nur ein Pferd oder Ochsen-
gespann. Nach altem Recht war nur für die Gemeinde
und die Verwaltung in Glatz nach Bedarf Hand-
Robot zu leisten. Jeder Bauer hatte im Jahr
78 Tage und die Häusler die Hälfte an Gemeinde-
arbeit zu leisten. Der Graf beansprucht sie für
sich und verlangte, die nicht benötigte Robot
mit Geld zu bezahlen, bis zu 50 Thaler oder
entsprechende Haft. Als sich die Bauern weigerten,
drohte er mit Geldstrafe. Da diese nicht be-
zahlten, ließ er 22 Personen 17 Tage lang in
einen kalten Keller einsperren. Auch die Frei-
richter gerieten mit dem Grafen in Streit.
Den meisten hatte er die Braugerechtigkeit
genommen, einigen wurde sogar die Brennerei-
einrichtung zerstört. Auch die Handwerker der
Freirichter wurden vom Grafen beansprucht
und die Freirichter wurden ebenfalls zu allen
Umlagen herangezogen. Strafsachen mußten der
herrschaftlichen Obergerichtsbarkeit übergeben
werden.Graf Althann ließ aber keine Untersuchung
vornehmen, wenn nicht die Freirichter die ent-
stehenden Kosten im voraus bezahlten.
_38_
So entgingen oft "Diebe und Schelme" ihrer
Bestrafung. Wenn ein Freirichter die verhängte
Geldstrafe nicht bezahlte, ließ ihn der Graf
ins Gefängnis Werfen "zu Schelmen und Malefiz-
personen" bis er die Strafe bezahlt hatte.
Auch Kauf- und Schreibgebühren wurden stark
erhöht. Wegen dieser Übergriffe des Grafen
wurden mehrere Beschwerdebriefe nach Wien ge-
schickt, aber sie blieben ohne Erfolg. 1712
wurde der Streit zugunsten des Grafen bei-
gelegt, die Betroffenen mußten alle Straf-
gelder und Schulden bezahlen.
-39-
VII a) Kirchliches Seitendorf gehörte um 1560 als Kirchengemeinde
zu Oberlangenau. Der Pfarrer hieß Matthaeus Grimm
und trat für die protestantische Lehre ein.
Es wird berichtet, daß 1568 in Seitendorf eine
hölzerne Kirche stand … 1613 wird Seitendorf
als Filiale von Rosenthal genannt, der derzeitige
Pfarrer war Martin Heidenreich. Als die
lutherischen Prediger im Jahre 1624 vertrieben
wurden, kamen Rosenthal und Seitendorf zur
Pfarrei Ebersdorf.
Auf eindringliche Bitten der Bewohner beim kaiserlichen Amt und der
geistlichen
Behörde…
„daß die kranken Leute in den weitentlegenen
Dorfschaften nit allein ohn Beichte und Kommunion
in ihren Sünden, dann auch die neugeborenen
Kinder ohne heilige Tauf, so zum Öfteren geschieth,
dahin sterben …" wurde 1665 die Pfarrei
Rosenthal mit der Filiale Seitendorf dem
Pfarrer Franz Kreuziger übertragen.
Die von den lutherischen Einwohnern im Jahre 1568
erbaute Holzkirche in Seitendorf wurde 1664
erweitert. Am Ende des 17. Jahrhunderts war sie
aber so baufällig geworden, daß sie die Gemeinde
niederreißen ließ und in den Jahren 1693 / 1694
die noch heute bestehende, massive Kirche erbauen
ließ. Die neue Kirche bekam aber nur einen Dach-
reiter. Vom Kirchenvermögen wurden ungefähr
500 Gulden für den Bau verwendet. Als der Dach-
reiter im Laufe der Zeit schadhaft geworden war,
beschloß die Gemeinde im Jahr 1785, einen massiven
Turm am Haupteingang der Kirche zu errichten, wozu
man der Kirchenkasse 400 Gulden entnahm. Diese Summe
reichte nicht aus, obwohl der herrschaft-
liche Wirtschaftsinspektor Hauck 100 Gulden
und die Patronin Aloisia Gräfin von Althann
das benötigte Bauholz schenkte, mußte mit dem
Bau bis zum Jahre 1788 aufgehört werden.
Schließlich erlaubte das Dekanatsamt weitere
145 Gulden vom Kirchenvermögen zur Vollendung
des Baues. Weil damit aber der Turm nur bis zur
Dachhöhe aufgeführt werden konnte, ließ die
Gemeinde, die damals 415 Personen zählte,
von denen 103 zum Freirichtergut gehörten,
den Turm auf ihre Kosten vollenden. Der Turm
war mit Zwiebel, Durchsicht und Helm versehen.
Leider schlug Anfang 1831 der Blitz in den
Kirchturm, zerschmetterte den Helm und warf
Knopf, Spindel und Wetterfahne hinab. Im Jahre
1834 wurde die jetzige weniger schöne Bedachung
des Turmes mit einem Kostenaufwand von 70
Thalern hergestellt *).
Wann die erste hölzerne Kirche in Rosenthal
erbaut wurde, ist nicht bekannt. Pfarrer Rauch
berichtet in seiner Pfarrchronik, daß 1613
und 1631 bauliche Veränderungen an ihr vorge-
nommen wurden. In den Jahren 1660/61 wurde
ein neues Gotteshaus errichtet, und 1671 konnte
das Pfarrhaus erbaut werden. –
Im Zusammenhang mit dem Aufschwung, den die
Grafschaft unter der preußischen Verwaltung nahm,
steht die
Erbauung der jetzigen Pfarrkirche.
*) Nach alten Kirchenrechnungen, Einlage im
Turmkopf von Rosenthal und Seitendorf
-41-
Die Zahl der wachsenden Bevölkerung konnte die
alte, um 1660 erweiterte Kirche an Sonn- und
Feiertagen nicht mehr fassen. Die verbesserten
Vermögensverhältnisse erlaubten nun den Bau der
neuen Kirche im Jahre 1755. Das Prager Konsisto-
rium gab die Erlaubnis 15.000 Gulden vom
Kirchenvermögen für den Bau zu verwenden. Der
wohlhabende Leinwandkaufmann Volkmer übernahm
sämtliche Kosten der Maurerarbeiten, die Patronin
Aloisia von Althann lieferte außer einem Betrag
von 100 Gulden 200 Stämme Bauholz und 10 Schock
Bretter. Das Fundament der Kirche bereitete große
Schwierigkeiten, da man wegen der Sandschicht
und des Grundwassers 10 – 13 Ellen tief graben
mußte (1 Elle = 70 – 80 cm). Die Grundmauern
mußten zum Teil auf ein Pfahlrost von Eichen-
stämmen gebaut werden. Doch alle Rosenthaler
waren mit größtem Arbeitseifer dabei und die
Gemeinde Seitendorf half nach Kräften mit,
so die Pfarrchronik.
Der Pfarrer hatte seinen Unterhalt von der
Pfarrwidmut und dem Dezem, den die Kirchkinder
zu entrichten hatten; er betrug bisweilen
62 Scheffel, halb Korn, halb Hafer. Das war ein
geringes Einkommen, waren doch noch 2 Kapläne
wegen des großen Kirchspiels in Rosenthal
stationiert. Um 1720 schreibt der damalige
Pfarrer von Rosenthal: "Viel Accidentia muß
ich schenken, wenn sie mit weinenden Augen ihre
Armut beklagen, anderen ein, zwei oder noch
mehrere Jahre borgen, denn die Leut sind derge-
stalt verarmt, daß sie großen Hunger leiden".
– 42 –
GRAFIK
Filialkirche St. Michael mit Innenansicht
Vll. b) Küster und Schule
Unseren Vorfahren muß nachgesagt werden, daß
sie trotz der Ärmsten Verhältnisse keine Kosten
scheuten, ihrer Jugend einen für die damaligen
Zeiten genügenden Unterricht zu verschaffen. Da
die großen Schneeverwehungen im Winter eine Ver-
bindung zwischen den Gemeinden oft unmöglich
machten, wurden überall eigene Schulen einge-
richtet. Die Hauptschulen waren Rosenthal und
Marienthal, deren Lehrer auch küsterdienste zu
verrichten hatten. Zum Rosenthaler Küsterverband
gehörten noch Seitendorf und Peucker.
Der erste katholische Schulmeister und Kirchen-
schreiber von Rosenthal, somit auch von Seiten-
dorf, war David Fechtner von 1624 – 1660
(Kirchenbuch). Das Einkommen des Lehrers bestand
in dem Schulgeld, das jedes Kind zahlen mußte.
Als Küster hatte er keine festen Einkünfte
„außer 2 Umpgängen am Neuen Jahre und Grün-
donnerstag, die etwa 8 – 10 Floren betragen".
(l Floren = l Gulden).
Vom Wetterläuten erhielt er "jährlich 80 gar ‚
geringe Garben, Korn- und Hafergarben". Deputat-
holz bekam er nicht und von 2 kleinen Grase-
garten konnte er kaum eine Kuh halten. Da der
Rosenthaler Lehrer gleichzeitig Küster der
Filiale Seitendorf war, zu der auch Peucker
gehörte, bezog er von diesen beiden Dörfern
die Stolagebühren und Accidentien. Die Wetter-
garben erhielten die dortigen Schulhalter oder
Glöckner.
– 44 –
Ehe die Herrschaft Schnallenstein in Privat-
besitz überging, bezog der Lehrer noch eine
Gebühr für das Kaufschreiben an den dafür
bestimmten Schreibtagen, "die aber die Herren
Offiziere (d. h. die herrschaftlichen Beamten)
an sich gezogen".
In alten Schulakten ist zu lesen, daß die Schul-
meister "sich recht mühselig ernähren, bisweilen
haben sie kein Bissen Brot, noch viel weniger
Geld im Hause". Die Gemeinden waren durch den
Dreißigjährigen Krieg so verarmt, daß sie nichts
zur Aufbesserung der Lehrergehälter tun konnten,
und von seiten der Grundherrschaft geschah
auch nichts.
Die Schulverhältnisse blieben in dieser Art bis
zum Ende des 18. Jahrhunderts bestehen. Eine
Änderung trat erst ein, als im Jahre 1784
in Seitendorf anstelle des Schulhalters ein
ordentlicher Lehrer angestellt wurde. Die Schule
wurde ebenfalls küsterei, doch in den Genuß
der Küsterbezüge kam der Lehrer von Seitendorf
erst im Jahre 1804. Das Gehalt des Schulmeisters
betrug in Seitendorf damals 35 Thaler, 12 Silber-
groschen. Als Gemeindeschreiber erhielt er
5 Thaler.
In Peucker war eine Notschule errichtet worden.
Vom Jahre 1806 an mußten die Kinder während
der Sommermonate nach Seitendorf kommen,
während zur Winterszeit der Lehrer aus Seitendorf
wöchentlich zweimal in Peucker Unterricht
erteilen mußte. Dafür erhielt er von jedem Kind
wüchentlich 6 Pf. Schulgeld. Im Jahre 1837
wurde Peucker von Seitendorf abgezweigt und
kam längere Zeit zum Schulverband Stuhlseifen.
1843 wurde in Seitendorf eine neue Schule,
die jetzt noch besteht, erbaut. Da das Schul-
haus gleichzeitig Küsterwohnung war, mußte
Peucker den 7. Teil der Baukosten tragen. Das
alte Schulhaus ging in Privatbesitz über
(Strecke, Ernst).
Zum Schluß mögen noch die Pfarrer von Rosenthal
genannt werden, die ja auch die Seitendorfer
Pfarrkinder durch die Jahrhunderte hindurch
betreut haben. Ihre Aufgabe ist sicher keine
leichte gewesen, hatten sie doch vielfältige
Nöte, wie Kriegszeiten, Seuchen, Umwelt-
katastrophen und Armut mit ihren Pfarrkindern,
unseren Vorfahren, zu tragen und zu teilen.
Durch alle diese Krisenzeiten war ein tief-
gläubiges Gottesvolk herangewachsen. Die
vielen Kapellen, Wegkreuze, Dreifaltigkeits-
und Muttergottes-Standbilder, nicht zu ver-
gessen das unseres lieben Brückenheiligen
St. Johann von Nepomuk, legen ein beredtes
Zeugnis ab von der tiefen Frömmigkeit der
ehemaligen Bewohner unserer lieben unvergeß-
lichen Heimat.
-46-
BILDER
"Reinholda Kapellelle mit Linde
(Kapelle und Linde sind restloß verschwunden)
Überreste von Jung’s Kapelle (Foto 1978)
Verzeichnis der Pfarrer von Rosenthal:
? |
– |
1318 |
Nikolaus Neumann |
|
1338 |
– |
1360 |
Petrus |
|
1360 |
– |
? |
Nikolaus Bervuici |
|
? |
– |
1613 |
N… W… ? |
protestantisch |
1613 |
– |
1623 |
Martin Heidenreich |
protestantisch |
1624 |
– |
1632 |
Georg Denkel |
Pfarrer von Ebersdorf |
1632 |
– |
1643 |
Andreas Rosenburger |
Pfarrer von Ebersdorf |
1643 |
– |
1665 |
Franz Sigmund Hubrig |
Pfarrer von Ebersdorf |
1665 |
– |
1666 |
Adam Franz Kreuziger |
|
1666 |
– |
1672 |
David August Heinke |
|
1672 |
– |
1709 |
Johann Franz Brockel |
|
1709 |
– |
1733 |
Franz Bernhard Ilgner |
|
1733 |
– |
1749 |
Johann Georg Seiffert |
|
1749 |
– |
1758 |
Anton Ernst Kernhofer |
|
1758 |
– |
? |
Knappe |
|
? |
– |
1783 |
Anton Hoffmann |
|
1783 |
– |
1793 |
Joseph Heider |
|
1793 |
– |
1798 |
Johann Schindler |
|
1798 |
– |
1809 |
Josef Rostel |
|
1809 |
– |
1820 |
Heinrich Grond |
|
1820 |
– |
1842 |
Franz Xaver Rauch |
|
1842 |
– |
1874 |
Johannes Spittel |
|
1874 |
– |
1887 |
Hermann Müller |
|
1888 |
– |
1899 |
Franz Dittert |
|
1899 |
– |
1940 |
Franz Xaver Pietsch |
|
1941 |
– |
1946 |
Georg Goebel |
|
VlII. Geschichte unserer Gemeinde zur Zeit
Friedrich des Großen
Die Zeit der Schlesischen Kriege
(1. 1740-42, 2. 1744-45, 3. 1756-63)
Nach dem Tode Kaiser Karl V im Jahre 1740 erhob
Friedrich der Große Anspruch auf die Fürsten-
und Herzogtümer Schlesiens. Kaiserin Maria
Theresia wies diesen zurück, und es kam zu den
drei Schlesischen Kriegen. Die Grafschaft Glatz
wurde zum Durchzugsgebiet der beiden streitenden
Mächte, da die Hauptstraße von Wien durch Böhmen
über Mittelwalde und Glatz nach Schlesien führt.
Das brachte es mit sich, daß die anliegend
Orte an den Nebenstraßen schwer unter den wechseln-
den Einquartierungen zu leiden hatten.
Im 1. Schlesischen Krieg lagen fast ausschließlich
Österreichische und ungarische Truppen in der
oberen Grafschaft. So wird berichtet, daß dem
Dorf Marienthal (lt. alter Gemeinderechnungen)
im 1. Schlesischen Krieg durch die Einquartierung
der Österreicher Unkosten von 470 Gulden entstanden
Im 2. Schlesischen Krieg kam es noch schlimmer.
Im Winter 1744/45 mußten 1.663 Gulden aufge-
bracht werden, wovon der Freirichter den siebenten
Teil zu tragen hatte, außerdem klagt der Frei-
richter Rupprecht (Rosenthaler Pfarrarchiv über
die Panduren und Slovenier, "die sich mehr des
Stehlen und Rauben bedienten als der Waffen".
Seine Verluste während des 2. Schlesischen Krieges
gibt der Freirichter mit folgenden Worten an:
"… sieben Hauptplünderungen und den Verlust von
6.000 Gulden an Wert". Auch starb seine Frau
"infolge viel und schweren Kriegstrubeln, ausge-
standenen Kummer und Leibesschaden". Es ist mit
Sicherheit anzunehmen, daß es den Bewohnern der
benachbarten Ortschaften nicht besser ergangen ist.
Trotzdem müssen die Freirichter mit den Öster-
reichern sympathisiert haben, denn unter den
Freirichtern der Grafschaft Glatz befindet sich
nur der von Seitendorf, der im Jahre 1745 von
Friedrich d. Gr. das silberne Ehrenzeichen für
"bewiesene
Treue" erhielt.
Nach dem Friedensschluß von Dresden versuchte
der König seinen neuen Untertanen die Wunden
zu heilen, die der Krieg geschlagen hatte. Durch
weise Verordnungen_kam die verarmte Bevölkerung
zu etwas Wohlstand. Doch was in elfjähriger
mühsamer Arbeit wieder geschaffen worden war,
fiel dem im Jahre 1756 beginnenden 3. Schlesischen
Krieg zum größten Teil wieder zum Opfer.
Im Jahre 1757 mußte die Herrschaft Schnallenstein
690 Balken und 18.500 Schanzpfähle zur Befestigung
von Glatz liefern. In den Dörfern mußten stets
4 gute Kühe oder Schnittochsen bereitgehalten
werden, falls Mangel in der Festung einträte.
Wegen der vielen Vorspanndienste konnten die
Bauern nur mangelhaft das Feld bestellen. Die
Getreidehändler trieben Wucher, den der König
aber unterband, indem er in Glatz die Magazine
öffnen ließ.
Im August 1757 wurden in den Dörfern der Herrschaft
Schnallenstein die Rekruten eingezogen. Die meisten
-50-
aber entzogen sich durch Flucht der Einberufung.
Die Militärbehörde drohte den Scholzen und Schöffen
mit Festungshaft und Karrenarbeit, wenn sie
die Rekruten nicht in kürzester Zeit einlieferten.
War ein Deserteur wohlhabend, wurde sein Vermögen
eingezogen und der Invalidenkasse *) Überwiesen.
Das schlimmste Jahr muß 1762 gewesen sein, als
Panduren und das mit den Österreichern Verbündete
russische Korps unter dem General-Leutnant Graf
Czernitschef in der Grafschaft Glatz Winterquartier
bezogen hatten. Lehrer Latzel aus Marienthal
beschreibt jene Unglückstage **) mit folgenden
Worten: "Wie es dazumal in dieser Gegend zuge-
gangen, ist fast unbeschreiblich, da bald von
dieser, bald von jener Partei Soldaten eintrafen
und jeder große Forderungen machte. Es gab sehr
viele unter dem Namen Soldaten, räuberisches
Gesindel, welche die Leute erbärmlich quälten".
Der Freirichter suchte deshalb das kaiserliche
Hauptquartier auf und konnte einen Schutzbrief
erhalten (Salve Guardia)" … und da hat es
etwas nachgelassen …
Der Krieg brachte eine Preissteigerung aller
landwirtschaftlichen Erzeugnisse mit sich. So
kostete während des Krieges 1 Viertel Korn
durchschnittlich 2 Gulden. Lehrer Latzel schreibt:
„Über alles ist während diesem Kriege sehr
schlechte Münzsorte eingeschlichen, und das
gute Geld hat sich verloren, da man für 36
Silbergroschen solchen Geldes nur einen Gulden
kaiserliches Geld bekommen …".
*) Amtsjournal
**) Einlage im Marienthaler Kirchturmknopf
Pfarrer Rauch hat aus dieser schweren Zeit das
Schicksal des Leinwandhändlers Franz Bernhard
aus Seitendorf festgehalten. Während des Sieben-
jährigen Krieges leistete der damals auf der
jetzt Pohl’schen Stückmannsstelle wohnende
Leinwandhändler Franz Bernhard den preußischen
Heerführern wichtige Dienste. Seine Neider
berichteten dies den Österreichern, als diese
sich wieder der Festung Glatz bemächtigt hatten
und überlieferten ihn als preußischen Spion.
Bernhard wurde nach Ungarn gebracht und hat
dort in jahrelanger Gefangenschaft gelebt.
Nach dem Hubertusburger Frieden 1763 kehrte
Bernhard wieder in die Heimat zurück. Als Ent-
schädigung für die in der Gefangenschaft er-
littenen Unbilden wurde er im Jahre 1764 zum
Königlich Preußischen Kommerzienrevisor der
Grafschaft Glatz.ernannt. Bernhard, der seinen
Wohnsitz nach Rosenthal verlegte, wurde im
Bayerischen Erbfolgekrieg (1778/79) noch
öfters von den Österreichern gesucht. Es gelang
ihnen nicht, ihn wieder gefangen zu nehmen,
da er sich immer, wenn ihm Gefahr drohte,
in einem Verbindungsschornstein verbergen
konnte.
Bernhard wurde im Jahre 1782 von einem schweren
Schicksalsschlag getroffen, der seinen blühenden
Leinwandhandel völlig ruinierte. Ein Hochwasser
führte ihm einige Tausend Schock Leinwand von
seinen Bleichen. In seiner Not bat er die
Breslauer Kriegs- und Domänenkammer um ein unver-
zinsliches Darlehen von 2.000 Thalern – doch man
-52-
konnte ihm nicht "einen so ansehnlichen Vorschuß
erteilen". Man hatte seine guten Dienste vergessen
Während des Bayerischen Erbfolgekrieges 1778/1779
lagen an der Süd- und Westgrenze der Graftschaft,
von Grulich bis Kronstadt, große Österreichische
Heeresabteilungen. Die Dörfer an der Erlitz
hatten sehr unter ihren Übergriffen zu leiden,
obwohl die Grenzbrücken gut bewacht waren.
Eine der wichtigsten Grenzbrücken scheint die
bei Peucker über die Erlitz führende Bärnwalder
Brücke zu sein. Erwähnenswert ist noch die Unter-
haltung dieser Brücke, an der sich viele Ge-
meinden beteiligen mußten. Nachdem die alte Holz-
brücke baufällig geworden war, wurde die noch be-
stehende Brücke im Jahre 1730 mit einem Kosten-
aufwand von 270 Floren, 24 Kreuzer, errichtet.
Von den betroffenen Gemeinden mußten folgende
Kosten getragen werden:
Gemeinde Stuhlseifen |
12 |
Floren |
28 |
Kreuzer |
|
5 |
Heller |
Gemeinde Peucker |
10 |
Floren |
6 |
Kreuzer |
|
1/2 |
Heller |
Gemeinde Lichtenwalde |
40 |
Floren |
24 |
Kreuzer |
2 |
1/2 |
Heller |
Gemeinde Verlorenwasser |
27 |
Floren |
55 |
Kreuzer |
1 |
1/2 |
Heller |
Gemeinde Seitendorf |
21 |
Floren |
22 |
Kreuzer |
4 |
1/2 |
Heller |
Den Rest muüten die Freirichter der Gemeinden je
nach ihrem Besitztum bezahlen.
Seitendorf hatte von März – Dezember 1778 *) eine
starke Österreichische Einquartierung, die der
Gemeinde eine Ausgabe von 626 Thalern verursachte,
"die aber noch nicht hat können ausgeglichen oder
*) Bayerischer Erbfolgekrieg
-53-
einander vergütigt werden, derweil die Leute
durch verflossenen Herbst und Winter wegen der
größen Geldabgaben und starken Lieferungen an
die K.K. Truppen, wie auch an der erlittenen
Einquartierung in so große Armut geraten, …
daß viele ihre Wirtschaften aufgaben und ver-
kaufen wollten". *) Einige Österreicher ver-
suchten auch Erpressungen. In einem Hof im
Oberdorf sind noch die Säbelhiebe an einer
alten Haustür sichtbar, weil der Besitzer nicht
gutwillig öffnete. Da die Bande, es sollen
3 Soldaten und 1 Schuster aus Bärnwald gewesen
sein, den kleinen Sohn des Bauern nicht finden
konnten, mit dem sie von dem Bauern ein Löse-
geld erpressen wollten, (man hatte das Kind
im Backofen versteckt), zogen sie mit dem letzten
Geld und den Habseligkeiten der aufgebrochenen
Lade (Truhe) ab. Dem Erzählen nach ist der
Anführer in Königgrätz hingerichtet worden. Aus
Dankbarkeit, daß dem Kind nichts geschehen war,
ließ sein Vater auf dem Weg zum Spitzigen Berge
(über’s Hoch, Wölfelsdorf nach Maria Schnee)
einen Bildstock errichten **).
Nach dem Frieden in Teschen im Mai 1779 erhielten
die Dörfer der Grafschaft Glatz wegen der Verluste
durch den Erbfolgekrieg vom König ein Gnaden-
geschenk von 7.396 Reichsthalern. wovon den
*) Seitendorfer Gemeinde-Archiv
**) Der Vater war der Ururgroßvater der Verfasserin
_54_
Dörfern der Herrschaft Schnallenstein 1.319
Thaler und 28 Silbergroschen zufielen *).
Wirtschaftlicher Aufschwung unter der Regierung
Friedrich
II (der Große)
Da nun unsere Vorfahren zu Preußen gehörten,
traten für sie andere Verhältnisse ein, an die
sie sich nur schwer gewöhnen konnten. Die meisten
Dörfer waren nun Grenzorte geworden und empfanden
als solche die Trennung von ihrem ehemaligen
Mutterlande und Herrscherhaus in Wien stärker,
als die weiter landeinwärts gelegenen Gemeinden.
Die Zollschranken der neuen Regierung waren ihnen
verhaßt, trennten sie doch die Bewohner von ihren
Verwandten und Bekannten drüben in Böhmen. Auch die
geschäftlichen Beziehungen wurden aufgehoben,
denn es konnte kein Holz mehr nach Senftenberg
und Kuttenberg geflößt werden. Doch bald erfreute
man sich eines wachsenden Wohlstandes. Der Holz-
reichtum der großen Wälder bekam einen neuen
Absatz. Die Flößer wurden Holzfuhrleute und
brachten im Winter viele Klafter Holz zu den
Bleichplätzen der Leinwandhändler nach Rosenthal
und Mittelwalde. In den höher gelegenen Dörfern
unserer Heimat wurde schon seit der Besiedelung
Flachs angebaut und die Leinwandweberei als
Hausindustrie betrieben.
Gleich nach dem 1. Schlesischen Krieg erließ
Friedrich d. Gr. ein Gesetz: Die Leinwand- und
*) Amtsjournal im Rosenthaler Pfarr-Archiv
– 55-
Schleierordnung. Diese Maßnahme brachte
einen ungeheueren Aufschwung der Leinwand-
weberei und des Leinwandhandels.
Der Flachsanbau wurde von neuem gefördert.
Früher mußte die selbstgewebte Leinwand als
Abgabe an das Königliche Rentamt nach Glatz
gebracht werden und war meistens von weniger
guter Qualität. Durch die Leinwandordnung
wurden einheitliche Maße festgesetzt. Es
wurden Spinnstuben errichtet, die die jungen
Leute besuchen mußten. Das gesponnene Garn
durfte nur eine bestimmte gleichmäßige Dicke
haben und die gewebte Leinwand ein bestimmtes
Maß in der Länge und Breite. Zur Kontrolle
der Weber wurde in jedem Dorf ein vereidigter
Leinwandbeschauer angestellt. War ein Stück
fertig gewebt, mußte es zum Beschauer gebracht
werden. Hatte es die vorgeschriebene Länge
und Breite und war frei von Webfehlern,
wurde es an beiden Enden gestempelt, wofür
eine kleine Gebühr zu zahlen war. Nun konnte
die Leinwand an den Leinwandhändler Verkauft
werden, der das Bleichen durchführte und an-
schließend seinen Handel betrieb. Die Weber
arbeiteten auf eigene Rechnung, waren also
keine Lohnweber.
Bald zeichnete sich die Schlesische Leinwand
durch gleichmäßiges, feines Gewebe aus und
wurde ein begehrter Welthandelsartikel.
Die Leinwandhändler konnten nur noch mit Mühe
ihre Aufträge erledigen. Wollte ein Weber das
Land verlassen, wurde ihm mit Strafe (Festungs-
_ 56 _
arbeit) gedroht. Fehlende Buntweber holte der
König sogar aus dem Ausland herein und versprach
ihnen zehn Jahre Befreiung von allen Öffentlichen
Lasten.
Über die Ausdehnung des Leinwandhandels gibt
es einige Aufzeichnungen im Rosenthaler Pfarr-
und Marienthaler Gemeindearchiv. Im Jahre 1753
wurden auf den Rosenthaler Bleichen 1850 Schock
Leinwand gebleicht und im Jahre 1756 hier auf
139 Webstühlen gewebt. In Marienthal scheint die
Blütezeit der Weber im Jahre 1774 gewesen zu sein,
damals wurde auf 93 Webstühlen gearbeitet. Auf
den Rosenthaler Bleichen wurden 1777 ungefähr
4.900 Schock Garn und Leinwand gebleicht. Um 1780
fällt die Zahl der Weber ab. In Marienthal arbeiten
im Jahre 1785 nur noch 40, deren Leinwand (796
Schock) einen Wert von 4.734 Thalern und 8 Silber-
groschen ausmachte. Von Seitendorf findet sich
diesbezüglich keine Aufzeichnung. Es ist aber mit
Sicherheit anzunehmen, daß die Leinwandweberei
in unserem Dorf in jenen Jahren vergleichbare
Ausmaße hatte. Die vielen Dörrhäuser, die in
Seitendorf standen, gehen auf diese Zeit zurück
und weisen auf eine intensive Verarbeitung des
Flachses hin.
Das Zentrum der Leinwandindustrie innerhalb der
Herrschaft Schnallenstein lag in Rosenthal. Hier
wohnten die Garnsammler, Bleicher und Leinwand-
händler – älteren Leuten sind ihre Namen noch
bekannt. Die Firmen Bernhart, Volkmer, Höcker,
Stumpf und Lux hatten Weltruf. Die fünf größten
– 57 –
Bleichen lagen in Nieder-Rosenthal, zwei davon
auf dem Stumpf’schen Gute. Jede dieser Bleichen
brauchte in der stärksten Betriebszeit jährlich
ungefähr 1.600 Klafter Holz. lm Schnallensteiner
Revier war das Holz damals billig, die Klafter
1 Thaler, in den königlichen Forsten 26 Silber-
groschen. So hatten die herrschaftlichen Forsten
neuen Absatz gefunden, denn die Holzflößerei
war endgültig vorbei, wie schon berichtet.
Durch das Aufblühen der Leinwandindustrie kam
allgemeiner Wohlstand in dem Gebiet der Herr-
schaft Schnallenstein auf. Pfarrer Rauch (1820 –
1842) beschreibt diese Zeit mit folgenden Worten:
"Alte Leute wissen nicht genug jene glücklichen
Zeiten zu preisen und nicht auszusprechen, was
für eine Tätigkeit, für ein Überfluß und welch
froher Lebensgenuß in allen Familien und
Häusern geherrscht hat. Es war ein Verkehr,
ein Leben wie in der Stadt. Die Bauern fuhren
den Winter über viele tausend Klafter Holz
zu den Bleichen ~ der kleine Mann hatte nicht
nötig, das von der Herrschaft freigegebene
Raff- und Leseholz zu sammeln. Bei seinen
Geldmitteln zog er es vor, von der Herrschaft
sich das nötige Brennholz anzukaufen – während
die weiblichen Familienmitglieder unter Gesang
und Frohsinn den beliebten und stark gesuchten
Handelsartikel durch Spinnen und Weben fabrizier-
ten. War der Sonnabend angebrochen und das Stück
versilbert, so kehrte der vergnügte Weber zuerst
beim Bäcker ein, sich zu laben in Maß und Ehren
_ 53 _
mit einer Semmel und einem Trunk Branntwein.
Aber mehr als seine eigene Stärkung lag ihm am
Herzen, für den kommenden Sonn- und Feiertag,
den lieben Ruhetag, den Seinen daheim ein
fröhliches Labsal zu bereiten. Deshalb kaufte
er einige Mäßel Weizenmehl und sprach noch beim
Fleischer vor – der Rosenthaler Fleischer
schlachtete in jenen Zeiten alle Wochen 2 Ochsen
die konsumiert wurden – und ließ auch den Brauer
nicht unbesucht. Seine ihn unterstützenden
Familienmitglieder sollten am Sonntag zum Lohne
für Fleiß und Mühe nicht mit Wasser, sondern mit
Bier sich laben. Wenn es faktisch ein goldenes
oder Silbernes Zeitalter für die hiesige ober-
ländische Gegend gegeben hat, so ist es der
Zeitraum von 1753 ~ 1805".
Trotz aller Vorteile der Leinwandordnung ver-
suchten die Weber und Leinwandhändler, sie
zu umgehen. Sie sahen dieses Gesetz als Eingriff
in ihre Freiheit an und konnten nur durch An-
drohung schwerer Strafen und durch Zerschneiden
der schlechten Gewebe zur Herstellung der Lein-
wand mit den vorgeschriebenen Maßen und guter
Qualität gezwungen werden. Schuld daran waren
auch die Leinwandbeschauer, die ihr Amt auch
nicht ganz redlich versahen. Aus Rücksicht auf
Verwandte und Freunde stempelten sie oft die
Leinwand, ohne sie nachgemessen oder auf Fehler
untersucht hatten. Einige Weber schafften sich
sogar falsche Stempel an, um die Gebühren zu
umgehen und ihre fehlerhafte Ware ohne Kontrolle
-59-
auf den Markt zu bringen. Auch die Geschäfts-
gebaren der Leinwandhändler waren nicht immer
einwandfrei. Bei flottem Geschäftsgang holten
sie oft selbst die Stücke bei den Webern ab,
ehe sie beschaut und gestempelt waren. War die
Nachfrage gering, drückten sie die Preise, wurden
sie mit den Webern nicht einig, machten sie mit
Rotstift Zeichen auf die Leinwand, damit der
nächste Kaufmann auch keinen höheren Preis
bezahlte. Dieses Treiben wurde 1776 bei Strafe
verboten.
Mit dem geschilderten Wohlstand zog aber auch
ein Verfall der guten Sitten und das Streben
nach Luxus in unsere Heimat ein. Der Marien-
thaler Freirichter Rupprecht beschreibt das
Treiben seiner Zeitgenossen so: "Die Zeiten
waren gottlos und hoffärtig, denn es geht
jetzt im Schwunge die täglich zunehmende
Falschheit, Hurerei und Buhlerei, Lügen und
Betrügen, so daß sich wahrhaft niemand wundern
sollte, wenn große Strafen sich heran nahten.
Die Hoffart und Kleiderpracht steht anjetzo
in einer solchen Zunahme, daß, wo der Vater in
einer Leimet bekleidet, anjetzo der Sohn in
einem feinen, auch noch dazu in einem ausländischen
Tuche mit vergoldeten Knöpfen besetzten Kleide
hergeht, und, wo die Mutter annoch in einer
gemeinen Kleidung gehet, so geht die Tochter
von unten in Pantoffeln, anstatt der schlechten
Schuhe, in Hamburger fein gefärbten Strümpfen,
mit schön, feinen, von sauberer Arbeit Gürteln,
-60-
hernach in einem raschenen oder sonst
ausländischen Zeuge gezwister Rock, goldene
und silberne Schnüre um das sogenannte Mieder,
um den Hals habende feine Korallen oder Bernstein,
den Pelz oder Wams von Rasch oder Zeug mit
feinen, seidenen Bändern besteckt, so daß kein
Mensch mehr sagen kann, was Bürger, Herr oder
Handwerker oder gar Bauer und gemeiner Stand sei".
Friedrich d. Große hatte große Schwierigkeiten
mit der Einführung des Kartoffelanbaus. Schon
im April des Jahres 1756 empfahl der Glatzer
Landrat den Anbau *), aber ohne Erfolg. Neun
Jahre später, im Februar 1765 wurde vorgeschrieben,
daß jeder Bauer eine der Größe der Wirtschaft
entsprechende Menge anbauen mußte. Es hat noch
Jahrzehnte gedauert, ehe man mit der unbekannten
und aufgezwungenen Knolle zu einem lohnenden Anbau
kam. Mit der Zeit stellte sich heraus, daß gerade
in den höhergelegenen Gebirgsdörfern mit den
leichten, durchlässigen Bäden ein sehr guter
Ertrag erzielt wurde und die Kartoffel sich dann
sogar zu einem Hauptnahrungsmittel entwickelte.
Auch die Schafzucht wurde unter Friedrich d. Gr.
eingeführt, gewann aber keine wesentliche Bedeutung.
Nur auf den Freirichtergütern wurden größere
Schafherden gehalten, was auch in Seitendorf
zutraf. Der Schafstall befand sich auf dem jetzigen
Gehäft von Boese, Richard, unweit des Gehöftes befand
sich der "Schafteich", in welchem die Tiere vor
*) Amtsjournal ‚
-61-
der Schafschur gebadet wurden. Die gewonnene Wolle
fand meistens Verwendung im eigenen Haushalt.
Ein "Stein" *) Wolle wurde während des Sieben-
jährigen Krieges durchschnittlich mit 7 Gulden
bezahlt. Auch wurde etwas Hopfen angebaut, der
den Bedarf der ansässigen Brauerei deckte.
Die Haupteinnahmequelle für unser Dorf blieb
seitdem der Flachs, aber auch der Getreideanbau
wurde intensiviert. Es wurde Korn, Gerste, Hafer,
Erbsen, Wicken und etwas Weizen angebaut. Die
Felder wurden mit Stallmist und Kalk gedüngt.
Kalk holte man vom Kalkofen in Melling, später
von den Öfen in Rosenthal und Herzogswalde.
Trotz des wachsenden Wohlstandes herrschte eine
gewisse Spannung zwischen unseren Vorfahren und
der neuen Regierung, hervorgerufen dadurch, daß
der französische General Fouque Gouverneur
der Grafschaft Glatz war und ein "strenges
Regiment" führte und öfters gegen die katholische
Kirche und ihre Priester vorging (Märtyrertod
Pater Faulhabers, Glatz).
Wie schon erwähnt, wurde wenige Jahre vor dem
Übergang der Grafschaft Glatz in preußischen
Besitz die Herrschaft Schnallenstein an einen
Grafen von Althann verkauft. Als im Jahre 1737
Wenzel Michael II Graf von Althann starb, fiel
die Herrschaft Schnallenstein lt. Ehevertrag als
"Witwen- und Hauseigentum" an seine Gattin Aloisia
geb. von Dietrichstein. Die neue Besitzerin lebte
in Brünn und soll nur zweimal unsere Gegend besucht
*) festgefügter Ballen
_ 52 _
haben, hat aber "vortrefflich" für ihre
eigenen Interessen, wie für das Wohl ihrer
neuen Untertanen Sorge getragen. Die Gräfin
kaufte in Seitendorf das zweite Bauerngut
oberhalb der Kirche (Eltner Richard) zur
Errichtung einer Gerichts- und Amtskanzlei
und stellte für die Herrschaft Schnallenstein
einen eigenen Justitiarius an. (Noch vorhandene
alte Kaufverträge tragen seine Unterschrift
und die der Gräfin von Althann, geb. Dietrich-
stein zu Brünn).
Die Waldungen unterstanden einem jungen Bauern-
sohn aus Seitendorf namens Hauck, der es vom
einfachen "Waldbereuter" zum herrschaftlichen
Amtsverwalter und später zum Wirtschafts-
Direktor brachte. Dieser reiste zweimal jährlich
nach Brünn, um der Gräfin Bericht zu erstatten
und die Renten abzuführen, wobei er immer die
Weisung erhalten haben soll, die Untertanen
nicht zu unterdrücken. Öfters gab ihm die
Gräfin einen Teil der Renten zur Verteilung
an die Armen der Herrschaft zurück. Leider
befolgte der Amtsverwalter Josef Hauck nicht
immer die Befehle seiner Herrin und ging oft
rücksichtslos vor. Er trug sich mit dem Gedanken,
eine herrschaftliche Brauerei und Brennerei in
Rosenthal zu errichten, da diese Regalien nur
von den Freirichtern gegen einen Zins an die
Herrschaft betrieben wurden. Doch konnte
dieser Plan erst nach dem Siebenjährigen Krieg
ausgeführt werden. Schon bei der Grundstücks-
beschaffung ging der Direktor Hauck rücksichtslos
gegen kleine Auengärtner vor, so daß er sich
_63_
eine schwere Rüge vom Landrat in Glatz ein-
handelte. Diese hinderte ihn nicht, seinen
Plan zu verwirklichen. Er erlaubte sich bald
darauf einen neuen Eingriff in fremde Rechte
und setzte sich durch die Zerstörung der Ruine
Schnallenstein ein trauriges Denkmal. Zu dem
Bau der Rosenthaler Brauerei ließ er die
alten Burgmauern abtragen, ohne den Seitendorfer
Freirichter zu fragen, dem nach altem Recht
die Burgruine gehörte. Dieser konnte durch
eine Eingabe an den Landrat in Glatz glücklicher-
weise verhindern, daß die Mauern gänzlich abge-
tragen wurden.
Der Bau des Brauhauses brachte noch weiteren
Ärger. Die Dörfer der Herrschaft weigerten sich,
die notwendigen Hand- und Spanndienste zu leisten,
wurden aber nach einem Rechtsstreit zur Robot
verpflichtet. Das neue Brauhaus brachte den
Freirichtern und ihren Brauereien große Nach-
teile. Sie mußten nach und nach das Bierbrauen
aufgeben. Mit dem Ausschank des in der herr-
schaftlichen Brauerei hergestellten Bieres
wurde am 1. Januar 1770 begonnen.
Der Preis betrug:
für |
1 |
Ganzes Faß |
8 |
Gulden |
30 |
Kreuzer |
– |
Heller |
für |
1 |
Eimer |
2 |
Gulden |
7 |
Kreuzer |
3 |
Heller |
für |
1/8 |
Eimer |
– |
Gulden |
16 |
Kreuzer |
– |
Heller |
Die Gastwirte durften das Quart Bier nicht teurer als 1 Kreuzer, 3 Heller verkaufen.
– BILD –
Burgruine Schnallenstein (1978)
Aloisia von Althann starb zu Brünn im
Jahre 1783 im Alter von 83 Jahren, allgemein
betrauert von ihren Untertanen. Die Herrschaft
Schnallenstein fiel als Erbe an die Enkelin
der Gräfin, Wilhelmine Reichsgräfin von
Starhemberg, von der sie jedoch schon im
folgenden Jahr an den Major Michael von
Stillfried auf Neurode für 145.000 Gulden
verkauft wurde. Wegen seiner Schulden ver-
äußerte dieser eine ganze Anzahl von Wald-
parzellen und verschiedene Gerechtigkeiten.
Nach der Übernahme der Herrschaft begann er,
auch die Rechte der Grundherren festzustellen.
Das brachte einen jahrelangen Streit mit den
Gemeinden, den sogenannten Urbarial-Streit.
Durch die Reihe der Jahre war es möglich
geworden, daß die 11 Freirichter und die Unter-
tanen der Herrschaft Schnallenstein sich
verschiedene Gerechtigkeiten angeeignet oder
Leistungen verschwiegen hatten, auch ging es
wieder einmal um die umstrittenen Robot-
leistungen. Es kam zu Unruhen und Prozessen.
Um diese ferner zu verhüten, erließ Friedrich
der Große im Dezember 1784 eine Verordnung,
daß in Schlesien und der Grafschaft Glatz
die sogenannten ungemessenen Dienste der Unter-
tanen in gemessene umgewandelt werden mußten.
Nach jahrelangen Verhandlungen erhielt das
neue Urbarium die königliche Bestätigung am
19. Januar 1800. Nach diesem Urbarium leisteten
die Gemeinden keine Naturaldienste mehr, zahlten
aber dafür außer dem schon bestehenden Robot-
und
Flößholzgeld, je nach der Bespannung,eine
_ 66 _
jährliche Rente an den Grundherren. Als neue
Abgabe kam noch das sogenannte Hausgenoßgeld
hinzu in Höhe von 2 Gulden, 7 Kreuzer, 3 Heller
pro Jahr, auch die Auszügler mußte es bezahlen.
Die Freirichter konnten sich teilweise etwas –
besser durchsetzen. Dem Seitendorfer Freirichter
wurde sogar die hohe Wildbahn auf dem zu seinem
Gut
gehörenden Engelhardt-Stück eingeräumt.
Michael von Stillfried erlebte den Ausgang des
von ihm begonnenen Streites nicht, er starb
im August 1796. Nach seinem Tode kam die Herr-
schaft Schnallenstein an seinen Sohn Friedrich
von Stillfried auf Hausdorf. Wegen seiner Ver-
schuldung verkaufte er die Herrschaft Schnallen-
stein im Juni 1800 an den hessischen Obrist-
Lieutenant Wilhelm Christian van der Busch an
der Lahn in der Grafschaft Mansfeld für 205.000
Thaler.
Im August desselben Jahres kam der neue Besitzer
nach Rosenthal. Er widmete seine ganze Aufmerk-
samkeit dem neuen Besitz und dem Wohle seiner
Untertanen. Er ließ das ganze Gebiet der Herr-
schaft mit neuen Grenzsteinen markieren, trat
aber keinem Nachbarn zu nahe und war in jeder
Beziehung sehr gerecht. Die Dorfstraße ließ er
auf eigene Kosten ausbessern, seine Bedienten
mußten dabei helfen. Damit den Dorfbewohnern bei
plötzlichen Erkrankungen und Unglücksfällen schnelle
Hilfe gebracht werden konnte, ließ er einen jungen
Mann
von seinem Arzt als Krankenpfleger ausbilden
_ 57 _
–Bilder–
Grabplatte im Seiteneingang der Kirche
Name und Jahreszahl sind nicht eingemeißelt, auch nicht überliefert
Gmeindesiegel und Unterschriften unter einem Kaufvertrag
dem Jahre 1780. Das Original zeigt in der Mitte des
Siegels den hl. Michael, der Rand des Siegels trägt
Inschrift: Gemeind Seitendorff – Grafschaft Glatz
I
und schenkte ihm Bücher und Geld für Arznei-
mittel und Aderlaß-Werkzeuge. Obwohl er noch
viele Pläne hatte, verließ er im Dezember 1802
Rosenthal und kam nicht wieder. Ganz unvermutet
verkaufte Herr van der Busch im Dezember 1803
durch seinen Bevollmächtigten die Herrschaft
Schnallenstein für 206.000 Thaler an
Anton Alexander Graf von Magnis auf Eckersdorf.
Warum Herr van der Busch um das geringe Plus
von 1.000 Thalern verkaufte, ist ein Geheimnis
geblieben. Sein Weggang wurde jedenfalls sehr
bedauert.
_ 69 _
IX. Unsere Heimat zur Zeit der preußisch-
napoleonischen
Kriege (1806-07 /1813-15)
Kurz nach der Jahrhundertwende brachen erneut
schwere Zeiten für die Bewohner unserer Heimat
an.
Erwähnt seien aber noch die neunziger Jahre des
18. Jahrhunderts, die durch ganz abnorme
Witterungsverhältnisse den Leuten im Gedächtnis
blieben. Der Stückmann Ignaz Winge aus Freiwalde
hat ein Tagebuch geführt, dessen Eintragungen
1793 beginnen und 1826 schließen *). Als Bauer
schreibt er natürlich vom Wetter und der Ernte,
aber es finden sich noch einige interessante
Notizen. Im Jahre 1793 fiel am 24. Mai noch Schnee,
dagegen war der Winter ausnahmsweise mild, so daß
die Leute bis zum 20. Febr. 1794 barfuß gehen
konnten. Es folgten ein zeitiges, warmes Frühjahr
und ein heißer Sommer. Schon am 26. Mai gab es reife
Erdbeeren. Zu derselben Zeit blühte das Korn,
an Mariä Heimsuchung **) konnte man schon reife Birnen
essen, am 18. Juli mit dem Roggenschnitt und am
24.
Juli mit der Haferernte beginnen.
Der nächste Winter 1794/95 war äußerst streng
und lang, noch am 14. Mai 1795 lag der Schnee in
Freiwalde 1/2 Elle tief. Der Winter 1795/96
war wieder so mild, daß die Bauern im Dezember
und Januar noch Korn säen konnten, das sich
sehr gut entwickelte. "Anno 1798 am Neuen Jahr
ist ein so hoher Schnee gewesen, daß die Leute
mit großer Not haben das Gesinde holen können.
*) nach Pfarrer Rauch
**) 2. Juli
-70-
Der Schnee hat die Häuser eingedrückt,
und es sind in diesem Jahre viele Leute
erfroren". Ähnlich war der Winter 1799/1800,
in dem "die Leute in den Stuben halb erfroren
sind". Auch machten sich die Folgen des Krieges
mit Frankreich bemerkbar – "bei diesem kalten
Winter ist nichts zu verdienen gewesen und
alles
sehr teuer".
Mit dem Jahre 1804 begann die unglücklichste
Zeitperiode des 19. Jahrhunderts. Eine große
Mißernte ließ die Getreidepreise fortwährend
ansteigen. Schon zu Mariä Geburt (8. September)
kostete der Scheffel Korn oder Weizen 8 – 10
Gulden, zu Martini bereits 13 Gulden, für einen
Scheffel Hafer mußte man 5- 6 Gulden bezahlen.
Es folgte ein langer strenger Winter, von
Allerheiligen 1804 bis Anfang Mai 1805 lag
tiefer Schnee. Es fehlte in unserer waldreichen
Gegend an Brennmaterial, weil wegen des tiefen
Schnees kein Holz aus dem Wald geholt werden
konnte. Ungünstige Witterungsverhältnisse
machten die Hoffnung auf eine neue bessere Ernte
zunichte. Frühjahr und Sommer waren naß und kalt;
unser Tagebuchschreiber säte am 2. Juni den letzten
Hafer, "da ist ein so kalter Wind gegangen, daß
man die besten Handschuh hat anhaben müssen".
An Bärnwalder Fahrt (15. August) war das Korn
noch grün, es konnte erst im September mit der
Roggenernte begonnen werden. Im Juni galt der
Scheffel Korn 24-26 Gulden, der Scheffel Gerste
20 Gulden. Der früh beginnende Winter vernichtete
noch
viel von der Ernte – "am 4. Oktober haben wir
_ 71 _
in dem gefrorenen Schnee Hafer gehauen und haben
die ledernen Pelze angehabt und noch im völligen
Hauen genuge gefroren weil es schrecklich wehte“.
Um noch größere Not zu vermeiden, wurde die
Ausfuhr von Lebensmitteln nach dem von der
Hungersnot noch weit mehr heimgesuchten Böhmen
verboten und die Grenze mit Militär besetzt.
In Senftenberg in Böhmen bezahlte man für
einen Scheffel Korn oder Weizen 30-32 Gulden.
Dort war die Not so groß, daß viele Leute
verhungerten oder mit Weib und Kind als Bettler
in die Fremde zogen. Auch herrschte Typhus in
Böhmen.
Um das Elend zu mindern, ließ König Friedrich
Wilhelm III die Magazine öffnen und Getreide
zu mäßigen Preisen an die notleidenden Gemeinden
verkaufen, den Scheffel Korn für 5 Gulden,
20 Kreuzer. Der Bäcker mußte davon Armenbrot
backen, welches der Gemeindescholze dann an die
bedürftigsten
Personen verteilte.
Durch den Frieden zu Preßburg im Dezember 1805
war der Frieden zwischen Preußen und Frankreich
nur aufgeschoben worden. Friedrich Wilhelm III
sah sich 1806 gezwungen,Napoleon den Krieg zu
erklären. Weit vom Kriegsschauplatz entfernt,
hörten die Bewohner unserer Heimat zunächst nur
von den entsetzlichen Niederlagen des preußischen
Heeres. Erst im Sommer 1807 kam es zu feindlichen
Übergriffen in der oberen Grafschaft. Zuvor,
im Februar, hatte der General-Gouverneur von
Schlesien, Fürst von Pleß, der Glatz verteidigen
sollte,
in unsere Gegend 2 Regimenter einquartieren
_72_
lassen, die aber bald wieder aufgelößst
werden mußten, weil ein großer Lebensmittel-
mangel herrschte. Graf von Götzen löste den
unfähigen Fürsten von Pleß ab und sammelte
unter persönlichen Opfern eine neue Armee,
die fast ausschließlich aus Grafschafter
Männern bestand. Bei der mit großer Eile
betriebenen Bildung der Regimenter konnte
die Bewaffnung und Ausrüstung keine einheit-
liche sein. "Die Soldaten hatten lange und
kurze, dicke und dünne Gewehre, grüne, blaue
und braune Montierung, daß es oft lächerlich
ausfiel“. Trotzdem hat Graf von Götzen mit diesen
schlecht ausgebildeten, aber tapferen Truppen
dem Feind sehr zu schaffen gemacht. Doch das
Mißgeschick Preußens konnten auch sie nicht
abwenden. Alle schlesischen Festungen fielen,
nur Kosel in Oberschlesien und die Festungen
Glatz und Silberberg blieben in preußischen
Händen. Doch das hinderte die Franzosen nicht
daran, Streifzüge bis nach Mittelwalde und Um-
gegend zu machen und die verarmte Bevölkerung
zu
erpressen.
Zur Tilgung der im Tilsiter Frieden festgesetzten
Kriegsentschädigung von 154 Millionen Francs
mußte die kleine Gemeinde Freiwalde 332 Thaler
Kriegssteuer zahlen. Auch für Seitendorf wird
eine
ähnlich hohe Summe zu zahlen gewesen sein.
Nach dem Friedensschluß räumte zwar der Feind
die Gegend,dafür wurden aber 2 Kompanien der
_ 73 _
Preußen in Mittelwalde und Rosenthal ein-
quartiert, die Verpflegung hatten die benach-
barten Gemeinden mitzutragen. Die Einquartierung
dauerte 17 Wochen, die Folge waren wieder enorm
hohe Getreidepreise.
Die schweren Verluste, die der Krieg mit sich
brachte, wären zu verschmerzen gewesen und
unsere Gegend hätte sich wie nach dem Sieben-
jährigen Krieg wieder empor gearbeitet, wenn
nicht die streng durchgeführte Kontinentalsperre
den gesamten Leinwandhandel vollständig zunichte
gemacht hätte. Die Landleute mußten wieder
zurück zu dem weniger gewinnbringenden Getreide-
bau und hatten bei geringerem Einkommen größere-
Steuerlasten zu tragen. Außerdem erfolgte noch
ein Kurssturz der Münze, die nur noch 2/3 des
Nennwertes hatte.
Die Jahre 1811/12 brachten wegen sehr trockener
Sommer wieder Mißernten. Die Bauern waren ge-
zwungen, fast die Hälfte des Rindviehbestandes
billig zu verkaufen, was zur Folge hatte, daß
in den nächsten Jahren ein großer Mangel an
Schlachtvieh eintrat und die Preise erneut in
die Hähe trieb. Krankheiten,wie Ruhr und Typhus,
traten
auf und forderten mehrere Opfer.
Am Feldzug Napoleons nach Rußland 1812 nahmen
auch Soldaten aus unserer Heimat teil. Im Januar
1813 wurden alle Reservisten nach Glatz einbe-
rufen. Am 17. März erließ König Friedrich
Wilhelm III in Breslau den denkwürdigen Aufruf:
"An mein Volk"!
Daraufhin kam es zur Bildung von Freischaren.
-74-
Am 14. April wurden in der oberen Grafschaft
160 Männer zwischen 17 und 40 Jahren ausgehoben.
Sie wurden in Mittelwalde, Rosenthal und Ebers-
dorf einexerziert und Ende Mai der Landwehr in
Glatz zugestellt. Als sich Österreich mit Preußen,
England und Rußland im August 1813 Verbündete,
begann der Vormarsch der Preußen und Russen über
Mittelwalde und Reinerz. Der Einmarsch nach
Österreich dauerte eine ganze Woche. Außer dem
Unterhalt der Truppen mußten unsere Bauern Vieh
und große Mengen an Getreide, Heu und Stroh an
die Festung Glatz liefern. Auch mußten sie
mit den Pferden Vorspann leisten. Manche Bauern
kamen über 8 Wochen lang mit ihren Pferden
nicht
nach Hause.
Pfarrer Grond (1809 – 1820) aus Rosenthal berichtet:
"Wie traurig es zur Ernte und Herbstaussaat aussah,
kann sich niemand vorstellen. Alte Leute und
Weibspersonen,
die noch einige Kräfte hatten,
mußten tätig sein. Dazu kam der Kurssturz. Wer
noch etwas besaß, mußte es zubüßen, die anderen
mußten Schulden machen, um die Abgaben zu be-
gleichen. Alles flehte zu Gott, daß er den Feind
demütige und der langersehnte Friede kommen möge.
Endlich wendete sich das Glück und der verruchte
Napoleon wurde geschlagen und nach Elba verbannt.
Die Monarchen hielten einen Kongreß in Wien und
es
schien, als sollte die Welt ewig Frieden haben“.
Am Pfingstfeste 1814 wurde in allen Kirchen ein~
feierliches "Te Deum" gehalten, um Gott für den
Sieg der Verbündeten und die Einsetzung des ‚
-75-
Papstes
in seine früheren Rechte zu danken.
Weiter berichtet der Chronist über das Geschehen
im Jahre 1815: „Während der Wiener Kongreß
tagte und man dort durch Bälle, Komödien und
Gastereien die kostbare Zeit vertrödelte, ist
Napoleon mit großer Betrügerei von der Insel
weggefahren und hat ein neues Feuer angezündet".
Doch Gott erhörte das Flehen der gedrückten
Menschheit, der Feind wurde geschlagen und
Napoleon für immer unschädlich gemacht. lm
Dezember 1815 kehrten die Soldaten in die
Heimat zurück. Für die Gefallenen wurde in
allen Kirchen ein feierlicher Trauergottesdienst
abgehalten.
Endlich waren Frieden und Ruhe eingekehrt, und
die Bevölkerung konnte sich langsam von den
Folgen der Befreiungskriege erholen. Doch Wohl-
stand konnte sich nur in ganz bescheidenem Maße
einstellen. Die Leinwandindustrie erholte sich
nicht mehr. In unserem Dorf betrieben nur noch
wenige Weber oder Weberinnen ihr Handwerk und
das auch nur zeitweise. Man fing an, mit Baumwoll-
garnen zu weben, meistens für den Eigenbedarf und
für Verwandte und Bekannte.
1831 und 1832 waren Unglücksjahre. Im Frühjahr 1831
bekamen die meisten Leute einen bösartigen Husten,
der sie krank und elend machte. Im Sommer brach
die Cholera aus. Wie schlimm und gefürchtet dieser
Epidemie
war, zeigt, daß die Österreicher sogar die
-76-
Grenze besetzten, um ein Einschleppen der Seuche
zu verhindern. In Seitendorf ist erfreulicher-
weise kein Todesfall vorgekommen. Die Toten-
Matrikel berichtet, daß in diesem Jahr auch die
Bienen keinen Honig sammelten und starben. Das
Obst wurde total von Mehltau befallen und der
Flachs von Erdflöhen gefressen. Anfang Juli 1831
schlug der Blitz in den Kirchturm und beschädigte
ihn schwer. Im Dezember 1832 wütete ein furcht-
barer Sturm, er deckte die Dächer ab und
richtete in den Wäldern ungeheueren Schaden an.
Den Nachbarorten gegenüber zeigten sich die
Seitendorfer hilfsbereit. Als im März 1836 in
Schönfeld Kirche und Pfarrhaus abgebrannt waren
und die Schönfelder von ihren Filialgemeinden
keine Glocke geborgt bekamen, half die Gemeinde
Seitendorf aus. So kam die im Jahre 1792
vom Bauer und Gemeindeältesten Eltner der Seiten-
dorfer Kirche geschenkte Glocke auf ein Jahr
nach Schönfeld.
Im Jahre 1838 erhielt die Herrschaft Schnallenstein
eine neue Grundherrin. Wilhelm Graf von Magnis
verkaufte die Herrschaft an die Prinzessin
Marianne der Niederlande, Gemahlin des Prinzen
Albrecht von Preußen. Der Kaufpreis betrug
265.000 Thaler. Am 1.Dezember 1838 ließ sich die
Prinzessin feierlich mit Glockengeläut, Musik und
Böllerschüssen einführen. Zur Begrüßung hatte sich
eine große Menschenmenge eingefunden, darunter
die Geistlichen, die Lehrer, die Freirichter und
-77-
Scholzen der 14 zur Herrschaft gehörigen Dörfer.
Pfarrer Rauch aus Rosenthal hielt die Begrüßungs-
ansprache.
Die neue Herrin kümmerte sich sehr um die Armen.
wenn sie sich in der Gegend aufhielt, besuchte
sie stets die Schulen. Armen Schulkindern be-
schaffte sie Schiefertafeln und Lesebücher.
Unsere Großeltern konnten sich noch an ihre
Besuche in der Schule erinnern.
-78-
X. Seitendorf während der 2. Hälfte des
19.Jahrhunderts und der 1. Hälfte
des 20.
Jahrhunderts
__________________________________
Nach den Befreiungskriegen setzten sich nach und
nach die Stein’schen Reformen durch, und die
Preußische Landgemeindeordnung trat in Kraft.
Durch sie verloren die Freirichter ihr Amt und
ihre Privilegie, was zwangsläufig dazu führte,
daß die Freirichtergüter ausschließlich bis auf
kleine Restgüter verkauft wurden. In Seitendorf
vollzog sich dieser Prozess fast dramatisch,
handelte es sich doch um das größte Freirichter-
gut in der Umgebung. In den Jahren zwischen
1845 – 1853 wechselten auf der Freirichterei
fünfmal die Besitzer. Der letzte von ihnen,
Ernst Titz, verkaufte sie dann vollständig.
Eine ganz wesentliche Veränderung erfuhr unser
Dorf, als im Jahre 1853 das Freirichtergut
vollständig zerstückelt und verkauft wurde.
In viele kleine Parzellen aufgeteilt, kamen
diese nach und nach zum Verkauf. Die Käufer
waren in erster Linie die ehemaligen Untertanen
des Freirichters, Handwerker und Arbeiter, die
sich nun selbständig machen konnten. Soweit
bekannt, stammen die kleineren landwirtschaft-
lichen Anwesen, die sogenannten Stellenbe-
sitzungen, fast ausschließlich aus dem ehe-
maligen Freirichtergut. Auch die Flurkarte zeigt
es eindeutig, denn die Felder der Stellenbesitzer
schließen sich unmittelbar an die Felder des
Restgutes "die Brauerei" an und ziehen sich über
den ganzen Dreitannenberg und den "Rückersberg"
-79-
bis hin zum "Fuchswinkel". Die kleineren
Besitzungen im Oberdorf stammen ebenfalls aus
der "Freirichterei". Auch konnten einige Bauern
anliegende Parzellen erwerben (’s Gittla, ’s Erbe *))
Vor allem nutzte die Prinzessin der Niederlande
die Gelegenheit, die Ruine Schnallenstein mit
dem umliegenden Schloßgrundstück und das
Engelhardtstück hinzuzukaufen. Sicher hat
sie diesen Erwerb mit Freuden getätigt, war doch
die Burg Schnallenstein zugleich Ursprung und
Symbol ihrer neuerworbenen Herrschaft.
Mit der neuen Landgemeindeordnung hob sich auch
das gutsherrliche Patrimonalgericht auf, Kauf-
verträge und dergleichen unterlagen nicht mehr
der Beglaubigung durch die Gutsherrschaft. Die
Dörfer der Herrschaft Schnallenstein wurden im
Jahre 1849 dem Amtsgericht in Habelschwerdt und
Mittelwalde unterstellt. Für Seitendorf war das
Amtsgericht in Habelschwerdt zuständig (der Kreis
Habelschwerdt bestand seit 1818).
Nach der obengenannten Landgemeindeordnung wählten
die Gemeindemitglieder die Gemeindevertretung.
Diese wählte wiederum den Gemeindevorstand,
bestehend aus 3 – 4 Schöffen und dem Gemeinde-
Vorsteher (anfangs noch als Scholze bezeichnet,
in Anlehnung an die alte Tradition). Alle Ver-
waltungssachen mußten, um rechtsgültig zu werden,
von der Gemeindevertretung und vom Gemeindevor-
stand genehmigt bzw. bewilligt sein. Polizei-
*
*) das Gütl, das Erbe
-80-
BILD
Ansicht von Seitendorf: Sicht vom Oberdorf
BILD
Sicht vom Niederdorf
verwaltungsangelegenheiten wurden vom Amts-
Vorsteher des Bezirkes wahrgenommen. Seitendorf
gehörte zum Amtsbezirk Rosenthal. Zu einem
Amtsbezirk waren mehrere Gemeinden zusammen-
gefaßt, und es gab einen Polizeiposten
(Wachtmeister). Über die Selbstverwaltung der
Gemeinden, die ehrenamtlich geschah, führte der
jeweilige Landrat des Kreises die Aufsicht.
Diese Verwaltungsform ist bis zur Vertreibung
bzw. bis Kriegsende 1945 beibehalten worden.
Während der Nazizeit wurde der Gemeindevor-
steher mit dem Titel "Bürgermeister" benannt,
der früher nur den Stadtoberhäuptern zustand.
Es ist aber manchem Bürgermeister in den Jahren
nach 1933 schwergefallen, mehr Befehlsempfänger
des Landrats und der Staatsregierung zu sein,
als erster Vertreter seiner Gemeinde.
Wie die "Partei" mitunter vorging, bekam auch
unsere Gemeinde, insbesondere einer ihrer Bürger
zu spüren. Durch einflußreiche Leute der Partei
in der Kreisverwaltung konnte im Jahre 1938/39
eine Nachbargemeinde den Anteil des Schnallen-
steiner Forstes, den sog. Oberwald, ungefähr
100 ha, an sich ziehen. Das brachte unserer
kleinen Gemeinde eine beachtliche Einbuße an
Gemeindesteuer. Gegen diese Ungerechtigkeit
setzte sich ein Gemeindevorstandsmitglied,
das sich in der Rechtslage gut auskannte, ein.
Als der Einspruch Erfolg zu haben schien, wurde
das Verfahren kurzerhand abgewürgt. Auf dem
Hof des Bauern erschien die Gestapo, drohte ihm
mit KZ-Haft und verhängte über ihn als Gemeinde-
-82-
vorstandsmitglied "Abstimmungsverbot . Man
gebot ihm, bei allen Beschlüssen der Gemeinde-
vertretung, keine eigene Meinung zu äußern
und sich immer der Mehrheit anzuschließen,
den Gemeindevorstand aber auf keinen Fall zu
verlassen und über die Angelegenheit strengstes
Stillschweigen zu wahren.
Auf diese Weise ließen sich in der Nazizeit
unbequeme
Dinge leicht erledigen.
Doch jetzt wieder zurück ins 19. Jahrhundert.
Der Weberaufstand 1844 und das Revolutions-
jahr 1848 berührten unsere Heimat nur im Norden
der Grafschaft Glatz. Die ausschließlich
bäuerliche Bevölkerung war von diesen Problemen
nicht so sehr betroffen.
Auch die Kriege 1864 und 1866 haben das Dorf-
geschehen wenig berührt. Wohl zog die Kron-
prinzliche Armee durch das Neißetal über den
Paß von Mittelwalde in Richtung Königgrätz und
brachte den anliegenden Gemeinden für kurze
Zeit einige Unannehmlichkeiten. Ein Bauer aus
Seitendorf hatte das Pech, mit dem Pferdefuhr-
werk unterwegs zu sein, um aus Melling Kalk
zu holen. Er wurde eine Woche lang festgehalten
und mußte für die Soldaten Tornister fahren
(lt. mündlicher Überlieferung).
Der Krieg 1870/71 forderte aus unserer Gemeinde
3 Todesopfer. Eine Gedenktafel in unserer Kirche
erinnerte an die 3 Gefallenen.
-83-
Ein schwerer Herbststurm im Jahre 1868
verwüßstete die privaten, wie die herrschaft-
lichen Forsten. Alte Leute erzählten von dem
"großen Windbruch".
Mit den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahr-
hunderts begann das Industriezeitalter, was
auch in unserer Heimat seinen Eingang fand.
Die Eisenbahnlinie und eine Reihe von Straßen
wurden gebaut. Im Oktober 1875 fuhr die
erste Eisenbahn durch das Neißetal über Glatz,
Habelschwerdt und Mittelwalde, dort grenz-
überschreitend nach Brünn und Wien. Ebersdorf
wurde unsere nächste Bahnstation. Anfang der
90iger Jahre begann man mit dem Bau unserer
Dorfstraße, der ungefähr 2 Jahre dauerte.
Die Straße ist 4,5 km lang und führt von der
Kreisstraße am Ortseingang von Rosenthal mitten
durch Seitendorf hindurch, dort, wo früher der
Weg durch die Dorfau ging. Sie endete auf
einer Höhe des Dreitannenberges, Seitendorfer
Höh‘ bzw. Peucker Höh‘ genannt. ‚
Der Bau der Straße wurde von den Bewohnern
einhellig begrüßt und wirkte sich auch sehr
segensreich aus. Die neue Verkehrsader verband
nun das Dorf mit den früher so beschwerlich zu
erreichenden Dörfern im Neißetal, der Stadt
Mittelwalde und der Kreisstadt Habelschwerdt.
Dem damaligen Gemeindevorsteher Franz Bernhart
(der aale Vorsteher), wurde für seine Bemühungen
um den Straßenbau von seinen Gemeindemitgliedern
-84-
höchstes Lob ausgesprochen.
Die Seitendorfer Höhe (740 m ü//Meeresspiegel)
ist ein strategisch und topographisch wichtiger
Punkt. Von dort aus geht der Weg weiter nach
Peucker, auch die 1938 fertiggestellte Sudeten-
straße mündet in unsere Dorfstraße ein, die
dadurch zu einer Teilstrecke der Sudetenstraße
wird und die Verbindung zur Kreis- und Land-
straße herstellt. Außerdem überquert die Höhe
eine alte Handelsstraße, die Büttnerstraße,
die weit ins Glatzer Land hineinfährt. Auch
soll noch erwähnt werden, daß es sich bei dieser
Anhöhe um eine Wasserscheide handelt. Die Brünn-
lein, die am nordwestlichen Hang entspringen,
fließen in die Erlitz und somit in die Elbe,
die Brünnlein am südlichen Hand nehmen ihren Weg
zur Glatzer Neiße, also in die Oder.
– 85-
XI. Die Lehrer von Seitendorf
Im Jahre 1784 wurde die erste Lehrerstelle in
Seitendorf eingerichtet. Ab 1804 war sie mit
dem Küsterdienst verbunden.
Der erste Lehrer von Seitendorf hieß wahrschein-
lich Kaspar Lux. Das erste Schulhaus war das
Haus Nr. 68 (Ernst Strecke). Lehrer Franz Kober
hat noch im alten Schulhaus unterrichtet. Der
Bau des neuen Schulgebäudes fällt auf das Jahr
1843.
Verzeichnis der Lehrer
Kaspar |
Lux |
Jahre der Lehrertätigkeit nicht bekannt |
|
|
Franz |
Kober |
Um 1840 |
– |
? |
? |
Kastner |
? |
– |
|
? |
Pohl |
? |
– |
1886 |
? |
Volkmer |
1886 |
– |
1890 |
August |
Gottschlich |
1890 |
– |
1900 |
? |
Rother |
1900 |
– |
1904 |
Hugo |
Fraeger |
1904 |
– |
1939 |
Herbert |
Langer |
1939 |
– |
1940 |
? |
Wonderschütz |
1940 |
– |
(aushilfsweise) |
Maria |
Hohmann |
|
– |
1945 |
|
|
|
|
|
XII. Gemeinde, Kirche und Schule in der Zeit vor
dem 1. Weltkrieg bis nach dem 2. Weltkrieg
bzw.
bis zur Vertreibung.
________________________________________
Die Zusammensetzung der Gemeindeverwaltung ist
bereits erläutert worden. Hier sollen noch die
Gemeindevorsteher genannt werden, die etwa ab
1880 –
1945 die Geschicke der Gemeinde lenkten:
Um |
|
1858 |
Franz Boese, Scholze (nach altem Schirftstück) |
1880 |
– |
1900 |
Franz Bernhart (der aale Vorsteher, verdient um den Straßenbau) |
1900 |
– |
1910/12 |
Robert Boese |
1912 |
– |
1924 |
Heinrich Franke (auch bekannt als Viehdoktor) |
1924 |
– |
1933 |
Alfred Bernhart |
1933 |
– |
1945 |
Franz Stein |
1945 |
– |
|
Franz Gebhardt, kurze Zeit als
Stellvertreter |
Im Jahre 1906 erwarb die Gemeinde Seitendorf ein18 ha
großes Waldgrundstück als Gemeindewald. Eigentum der
Gemeinde war noch ein kleines Einfamilienhaus im
Niederdorf. Das Schulgrundstück umfaßte ca. 1 ha.
Schule und Kirche waren früher eng miteinander verbunden.
Der Schulmeister war Lehrer und Organist in einer
Person und versah noch den Küsterdienst. Das Amt des
Schulinspektors übte der amtierende Pfarrer der Pfarr-
gemeinde aus. Nach dem 1. Weltkrieg trat eine Änderung
im Schulwesen ein. Es wurde eine weltliche Schulauf-
sichtsbehörde geschaffen unter Leitung eines Kreis-
schulrates. Ein Schulvorstand vertrat gemeinsam mit
dem Lehrer die Belange der Schule vor der Gemeinde.
-87-
Die Verwaltung der Kirche bestand aus einem
Kirchenvorstand. 2 "Kirchväter" betreuten
ehrenamtlich Gotteshaus und Sakristei.Kirche
und Schule standen unter dem Patronat der
jeweiligen Grundherrschaft. Für Seitendorf
waren dies im letzten Jahrhundert Prinzessin
der Niederlande, dann ihr Sohn Prinz Albrecht
von Preußen, später Prinz Heinrich von
Preußen mit Sitz in Kamenz, daher kurz die
"Kamenzer Herrschaft" genannt. Nach dem
1. Weltkrieg ging im Zuge der Fürstenenteignung
das Patronat auf den Preußischen Staat über,
zumal auch alle Forsten der Herrschaft
Schnallenstein in den Besitz des Staates
übergingen.
In und nach den sogen. Gründerjahren entwickelte
sich auch in unserem kleinen Dorf das Genossen-
schaftswesen. Um das Jahr 1906 wurde die
Spar- und Darlehnskasse als GmbH gegründet.
Diese bemühte sich unter anderem, den Landwirten
beim Einkauf von Saatgut und Düngemitteln zu
günstigen Preisen behilflich zu sein.
Von Bedeutung für unsere Bauern war auch die
Landwirtschaftliche Bezugs- und Absatzgenossen-
schaft GmbH Mittelwalde und Umgegend mit einer
kleinen Niederlassung in Ebersdorf. Die Gründung
fällt ebenfalls in diese Zeit. Sie betrieb einen
regen landwirtschaftlichen Produktenhandel.
Viele Landwirte verkauften dort das überschßssige
Getreide und kauften je nach Bedarf Futtermittel
und Saatgetreide ein.
-88-
Um sich in einer ganz bestimmten Notlage zu
schützen, schufen die Seitendorfer Landwirte
im Jahre 1908 eine Interessen- bzw. Notgemein-
schaft, die Notschlachtvereinigung. Der Name
besagt ihren Zweck. Für die kleinen und
mittleren Landwirte war es eine große Hilfe,
wenn sie bei Unglück unter dem Viehbestand
aus dem Fond dieser Vereinigung einen Not-
groschen bekamen. Der Tierzuchtverein Glatz
und Umgegend befaßte sich hauptsächlich mit
der Verbesserung und Hebung der Rinderzucht.
Man war bemüht, gutes Milchvieh heranzuzüchten.
In Seitendorf standen in der Regel zwei
gekörte Zuchtbullen zur Verfügung. Auch wurde
etwas Schweinezucht betrieben. Einige Bauern
zogen auch Fohlen heran. Schafe und Ziegen
wurden in kleinerem Maße gezüchtet. Kleinvieh,
wie Gänse, Hühner und Enten, waren fast wie
selbstverständlich in jedem bäuerlichen
Anwesen vorhanden.
1. August 1914 – Ausbruch des 1. Weltkrieges.
Eine ganze Reihe junger Männer mußten „Mit
Gott für König und Vaterland" ins Feld ziehen.
Nach vierjährigem blutigem Ringen nahm der
1. Weltkrieg im November 1918 ein bitteres
Ende. 11 Seitendorfer Männer, Väter und Söhne,
kehrten nicht mehr heim. Sie waren auf den
vielen Kriegsschauplätzen im Osten und Westen
gefallen oder vermißt. Revolution und Friedens-
vertrag von Versailles schlossen dieses
traurige
Kapitel. Gottseidank löste sich die
-89-
dräuende Wolke auf, die damals über unserer
lieben Grafschaft stand – sie wurde nicht
der neugegründeten Tschecho-Slowakei zuge-
schlagen, wie es die Siegermächte angestrebt
hatten.
Die sog. Goldenen Zwanziger Jahre waren
für unser Dorf alles andere als golden. Es
herrschte Zwangswirtschaft und der Verfall
des Geldes nahm von Tag zu Tag überhand,
so mancher verlor seinen letzten Notgroschen.
Trotzdem besann man sich, daß es weiter-
gehen mußte. Schon 1921 gründeten mehrere
beherzte Seitendorfer die Elektrizitäts-
genossenschaft. In den beiden folgenden Jahren
wurde das Stromnetz unseres Dorfes voll-
ständig ausgebaut und an das Elektrizitäts-
werk Mittelsteine angeschlossen. Gern nahm
man Abschied von den Petroleum-, Gas- und
Spirituslampen und bald wurden Dreschmaschine
und Butterfaß mit dem Elektromotor betrieben.
Zum Schutze der Häuser und ihrer Bewohner in
Feuersnot, wurde 1924 die Freiwillige Feuerwehr
ins Leben gerufen. Fast alle jungen Männer
des Dorfes waren bereit, den freiwilligen
Dienst unter dem Motto: "Gott zur Ehre, dem
Nächsten zur Wehr" zu tun. Hier soll unserer
Brandmeister August Steiner und Ernst Prause
gedacht werden, die sich mit viel Zeit und Mühe
der guten Sache gewidmet haben. Da die Feuer-
-90-
spritze und die Löschwerkzeuge behelfsmäßig
im Schulschuppen untergebracht waren, entschloß
sich die Gemeinde 1927, ein Spritzenhaus mit
Steigerturm zu erbauen. August Steiner stellte
dankenswerterweise zu diesem Zwecke ein kleines
Grundstück zur Verfügung.
Für die Gefallenen des l. Weltkrieges wurde
im Jahre 1926 an der Kirche ein Kriegerehrenmal
errichtet und feierlich eingeweiht. In den
Jahren zuvor war von den glücklich Heimgekehrten
unter der Initiative unseres Lehrers Hugo Fraeger
der Kriegerverein gegründet worden (Kyffhäuser-
bund). 1928 war man in der Lage, eine Vereins-
fahne anzuschaffen. Mit einem feierlichen
Festakt wurde die Fahne am 24.6.1928 geweiht und
ihrer Bestimmung übergeben. An der Fahnenweihe
nahmen auch die Vereine sämtlicher Nachbardörfer
teil, anschließend wurde tüchtig gefeiert.
Für unser Dorf war es ein großes Fest, die
Älteren unter uns können sich daran noch lebhaft
erinnern.
Das Jahr l929 begann mit einem außergewöhnlich
harten Winter. An Fastnacht, dem 12. Februar,
wurden 40 Grad Kälte gemessen. Es gab viele
Frostschäden, die meisten jungen Obstbäume
gingen ein.
Die Weltwirtschaftskrise machte sich bemerkbar.
und nahm auch für die Landwirte recht bedrohliche
Formen an. Wohl gab es für sie keine Arbeits-
losigkeit, aber sie mußten Vieh, Getreide und
Flachs zu Schleuderpreisen verkaufen. Es ist
-91-
Kriegerverein – Fahnenweihe am 24.6.1928
– BILD –
– BILD –
–
Gemeindevorstand 1924-1933
vorgekommen, daß Bauern ihr Getreide wieder
mit nach Hause genommen haben, weil der Müller
oder der Getreidehändler nicht zahlen konnte
oder nur einen ganz geringen Preis geben wollte.
Auch der Flachsanbau brachte nichts mehr ein,
was die Seitendorfer Bauern besonders betraf,
waren doch in unserem Dorfe die „Flachskönige“
zu Hause, was ihnen in den bessergestellten
Nachbardörfern einige Anerkennung und in "guten
Zeiten" ein klein wenig Neid einbrachte. Trotz
der schlechten wirtschaftlichen Lage hielt
man sich über Wasser. Entschuldungs- oder
Umschuldungsverfahren, die damals oft vorge-
nommen werden mußten, waren kaum zu verzeichnen.
Lediglich das ehemalige Restgut der Freirichterei,
"die Brauerei" (Land- und Gastwirtschaft),
geriet damals im Abstand von wenigen Jahren
gleich zweimal in Zwangsversteigerung. Das war
aber weniger der allgemeinen schlechten Wirt-
schaftslage zuzuschreiben, sondern dem Unver-
mögen des jeweiligen Besitzers. Nach einem Brand
im Januar 1934 kaufte Bauer Friedrich Simon die
Land- und Gastwirtschaft aus der Zwangsver-
steigerung und baute den Gasthof wieder auf. –
Nach jahrelangem Parteienstreit kamen 1933 die
Nationalsozialisten an die Macht. Doch die
Wenigsten ahnten, daß alles in einer Katastrophe
enden würde.
Am 22., 23. und 25. Mai 1935 gingen über unserem
Dorf schwere Gewitter nieder und richteten großen
-94-
Schaden an der jungen Saat und den Wegen an.
Reichsarbeitsdienst wurde eingesetzt und
half, die Schäden zu beheben.
In den Jahren 1936 – 1938 wurde die Sudeten-
straße gebaut. Das Teilstück, welches von
der Seitendorfer Höh‘ am Heidelberg entlang
bis zur Brandbaude führte, wurde auf der
einen Seite im Anschluß an unsere Dorfstraße
begonnen. Bereits im Herbst 1936 wurde auf
August Steiner’s Grundstück, unmittelbar
neben dem Gehöft, ein Barackenlager einge-
richtet. Die Baracken dienten den Arbeitern
einer Baufirma als Unterkunft, die zu dem
Straßenbau herbeigeholt wurden. Es begann
eine unruhige Zeit, denn täglich fuhren
die Lastwagen mit Steinen und Baumaterialien
durch unser sonst so stilles Dorf. Im September
1938 wurde die Sudetenstraße dem Verkehr über-
geben.
Genau eine Woche später versetzte der Einmarsch
der Deutschen in die Tschecho-Slowakei unser
Dorf in große Sorge und Aufregung. Mehrere
junge Männer wurden für kurze Zeit an die
deutsch-tschechische Grenze beordert. Sudeten-
deutsche Bauern aus den Nachbargemeinden jenseits
der Grenze brachten eine größere Herde Rindvieh
in unser Dorf getrieben, in der Annahme, einen
Teil ihres Viehs in Sicherheit bringen zu
müssen. Um das Vieh zu versorgen, wurden die
Tiere für einige Wochen auf die landwirtschaft-
lichen Betriebe verteilt.
-95-
Am 28. Januar 1938 bot sich ein noch nie
dagewesenes Naturschauspiel, was alle Gemüter
sehr bewegte. Am abendlichen klaren Winter-
himmel zeigte sich ein weithin leuchtendes
Nordlicht. Ende August des gleichen Jahres
wurde nach tagelangen Regenfällen unsere
Heimt von einer Hochwasserkatastrophe heim-
gesucht. Für unser Dorf lief sie noch glimpf-
lich ab, denn die Ernte war zum größten Teil
eingebracht. Dagegen waren die Bewohner des
Neißetals schwer betroffen. Die Neiße trat
weit über die Ufer, und die anliegenden Bauern
mußten zum Teil das Vieh in Sicherheit bringen
Die reißenden Fluten brachten Treibholz mit
sich und rissen Brücken weg oder beschädigten
sie schwer.
Ältere Leute betrachteten damals diese beiden
Naturereignisse als schlimme Vorzeichen. Ob
solche Dinge Glück oder Unglück bedeuten oder
ankündigen, wird nie ganz beantwortet werden.
Leider sollten die schlechten Propheten
Recht behalten.
Am 1. September 1939 brach der 2. Weltkrieg
aus, der soviel unendliches Leid über die
Menschen brachte. Auch in unserem Dorf wurden
in den ersten Wochen und Monaten alle wehr-
fähigen Männer eingezogen. Nicht nur alle jungen
Männer, sondern auch die mittleren Alters,
wurden nach und nach einberufen. Hatte der sog.
Blitzkrieg gegen Polen und Frankreich die
Hoffnung, daß alles bald zu Ende sein würde,
-96-
genährt, sah man sich schwer getäuscht, als
am 21.6.1941 der Rußlandfeldzug begann. Alle
Hoffnung schlug in bange Sorge um. Zudem folgten
zwei entsetzlich kalte und schneereiche Winter.
Der schlimmste war der Winter 1941/42, der
unseren Soldaten an der Ostfront unvorstellbare
Strapazen bei 45-50° Kälte abverlangte.
Die ersten Nachrichten vom Heldentod des Sohnes
oder Gatten lösten große Bestürzung und Trauer
aus. Bald trafen die Todesnachrichten in immer
kürzer werdenden Abständen in den Familien ein.
Am Ende des Krieges hatte fast jede dritte
Familie einen Gefallenen zu beklagten, manche
Eltern sogar zwei oder drei Söhne. Es war ein
grausamer, unendlich hoher Blutzoll, der von
unseren Eltern und Frauen durch diesen sinn-
losen Krieg gefordert wurde. Der 2. Weltkrieg
von 1939 – 1945 hat 27 Männern unserer kleinen
Gemeinde das Leben gekostet, gefallen oder
verschollen auf den Schlachtfeldern Europas
oder auf See.
Es muß auch erwähnt werden, wie schwer es viele
Frauen hatten. Weil der Mann an der Front stand,
mußte die Frau oft jahrelang die Landwirtschaft
allein führen. Das bedeutete, oft schwere
Männerarbeit zu leisten und nebenbei die Kinder
zu erziehen, immer mit der bangen Sorge im
Herzen, ob der Mann auch glücklich wiederkommt.
Zwar waren Kriegsgefangene, zuerst Ukrainer,
dann Franzosen, später Russen zur Arbeit eingesetzt,
aber sie waren mehr oder weniger Hilfskräfte,
die manchmal von Landwirtschaft wenig oder gar
keine Ahnung hatten. Ihr Lager befand sich auf
-97-
dem Saal der "Brauerei".
Im Sommer 1944 kamen einige evakuierte Frauen
mit kleinen Kindern aus Breslau und Berlin
in unser Dorf. Der Krieg ging dem bitteren Ende
entgegen, die russischen Truppen näherten sich
der schlesischen Grenze. Die ersten Trecks
aus Ostpreußen zogen gegen Westen, das
Flüchtlingselend nahm seinen Anfang. Es folgten
die Donauschwaben. Ende Januar 1945 kamen Deutsche
aus der Batschka in unsere Gemeinde. Am 21. Jan.
wurde Breslau zur Festung erklärt. Alle Stadt-
und Landgemeinden im Vorfeld von Breslau wurden
nun systematisch evakuiert und nahmen ihre
Zuflucht in der Grafschaft Glatz. Seitendorf bekam
Anfang Februar die Gemeinde Hermsdorf aus dem
Kreis Strehlen zugeteilt. Von einem Tag zum
anderen mußten in unserem kleinen Dorf an die
sechs- bis siebenhundert Menschen untergebracht
werden. Jedes Zimmer und jede Kammer wurden
mehrfach belegt. Angesichts dieser großen
Not rückten alle Dorfbewohner willig zusammen
in der bangen Hoffnung, daß ihnen nicht noch
das gleiche Schicksal widerfahren möge. Zum
Glück war der Winter ziemlich mild und das
Frühjahr stellte sich beizeiten ein.
Es kam der 9. Mai, der Tag der Kapitulation.
Die Menschen atmeten auf, doch Freude konnte
sich nicht einstellen, denn mit großer Furcht
und Angst wurde der Einzug der Russen erwartet.
Für unsere Heimat begann nun die schwerste Zeit,
war sie doch bis zuletzt von direkten Kriegs-
-98-
einwirkungen und Bombardierungen verschont
geblieben. Am 9. Mai strömte stundenlang ein
fast unübersehbarer Zug von Menschen und
Fahrzeugen durch Seitendorf, viele deutsche
Soldaten, die hofften, noch den Westen zu
erreichen, zivile Strafgefangene und Hunderte
von Flüchtlingen aus Oberschlesien, die ihren
Weg über Mähren und Mittelwalde genommen
hatten. Die Spitze des Zuges stieß bald
auf die Russen, die dann am Nachmittag des
10. Mai, es war das Fest Christi Himmelfahrt,
in unser Dorf einmarschierten. Zu allem
Unglück ging zur gleichen Zeit ein Teil von
Richard Eltner’s Gehöft in Flammen auf. Das
zog natürlich die Aufmerksamkeit der Russen
auf sich, denn sie vermuteten, daß versteckte
Munition in die Luft gegangen wäre. Zum Glück
konnte der Brand gelöscht und die Russen
überzeugt werden, daß spielende Kinder das
Feuer verursacht hatten. Was sich in der
folgenden Nacht und in den nächsten Tagen und
Nächten abgespielt hat, läßt sich nicht be-
schreiben. Das Dorf war vollgestopft von
russischem Militär, auf den Feldern grasten
Hunderte von Pferden, die das gerade im
Schossen begriffene junge Korn abfraßen. Die
Gehöfte und Häuser waren innen und außen
belegt, man sprach von einem ganzen Polk
(Regiment bzw. Division). Alles mögliche wurde
requiriert, hauptsächlich Pferde, Schweine,
Kleinvieh, Butter, Eier, Milch usw. Das
Schlimmste aber waren die nächtlichen überfälle
und Plünderungen. Um brutalen Prügeleien oder
-99-
Vergewaltigungen zu entgehen, erfanden die
Frauen in ihrer Not die unmöglichsten Schlupf-
winkel und Zufluchtsstätten. Ende Mai wurde das
russische Militär zum größten Teil abgezogen,
aber in den Gemeinden und der Kreisstadt
blieben "Kommandaturen" beibehalten. Zum Glück
wurden die überfälle der Russen seltener, doch
die Angst saß allen für immer in den Gliedern.
Nachzutragen ist noch, daß die Flüchtlinge
aus Hermsdorf, Kreis Strehlen, am 3. Tage nach
der Besetzung durch die Russen den Befehl
erhielten, in ihr Heimatdorf zurückzukehren.
Auf dem Gehöft von Robert Gebhardt war eine
Sammelstelle für deutsche Kriegsgefangene ein-
gerichtet. Die russischen Soldaten durch-
kämmten alle umliegenden Wälder und fanden
noch viele ehemalige deutsche Soldaten, die
gehofft hatten, sich im Schutze der Wälder
nach dem Westen durchschlagen zu können. Sie
alle und einige Seitendorfer junge Männer,
die sich schon in Sicherheit wähnten, mußten
ebenfalls am 12. Mai 1945 den schweren Weg in
die russische Kriegsgefangenschaft antreten.
(Sie fanden nach 3 Jahren ihre Angehörigen
im Westen wieder).
Kaum waren die Russen abgezogen, spielte sich
im angrenzenden Sudetengau eine Tragödie ab.
In den ersten Junitagen 1945 fanden in den
Nachbargemeinden über der ehemaligen Reichsgrenze
grauenvolle Massaker statt. Fanatische Tschechen
übten blutige Rache an den Sudetendeutschen.
– 100 –
Die mit dem Leben davon kamen, alte Männer
und Frauen sowie Frauen mit kleinen Kindern,
wurden kurzerhand über die Grenze abgeschoben.
Eine ganze Anzahl von ihnen fand in unserem Dorf
eine vorläufige Bleibe. Noch waren wir in der
Lage, diesen schuldlos Vertriebenen ein Dach
über dem Kopf zu bieten. Aber das sollte sich
schnell ändern. Ende Juni 1945 tauchten die
ersten Polen auf. Da keine Verwaltung, kein Rund-
funk und keine Zeitung existierte und keine Post
durchkam, waren wir vom Weltgeschehen gänzlich
abgeschlossen. Nur hier und da tauchten
Gerüchte auf, die Amerikaner würden uns schon
befreien bzw. uns helfen – welch eine Utopie –
wir hatten keine Ahnung, daß wir längst abge-
schrieben waren.
Die ersten Polen, die ins Dorf kamen, waren Männer.
Mit dem Gewehr auf der Schulter verschafften sie
sich dort Quartier, wo es ihnen am günstigsten
erschien und holten später ihre Familien nach.
Ein anderer Typ waren die cleveren Geschäfte-
macher, die die deutsche Sprache beherrschten.
Sie nahmen Kleinvieh und Lebensmittel für wert-
loses Geld mit, suchten und fanden Fahrräder
und verschwanden für kurze Zeit, um ihre Ware
auf dem Schwarzmarkt in den Städten umzusetzen.
Dann erschienen sie wieder und konnten auf diese
Weise eine zeitlang ihre Geschäfte machen. Im
Laufe des Oktobers bezogen die Polen "ihr Winter-
quartier ". Fast täglich kamen neue Polen ins Dorf.
Jede kleine Landwirtschaft wurde von einer polnischen
Familie belegt, die größeren Betriebe mußten
– 101-
2 Familien aufnehmen. So kam es, daß manchmal
8, 10 oder gar 12 Polen auf einem Hof einzogen
und ihn in Besitz nahmen. Was allein die Ver-
sorgung der vielen Menschen bedeutet, kann
sich ein Außenstehender kaum vorstellen. Auch
entzogen die Polen dem Hof soviel Getreide
wie nur möglich, um Schwarzhandel zu betreiben
oder Schnaps zu brennen. Viele Bauern hatten
nach einigen Monaten kein Getreide mehr, um
das nötige Brot backen zu können. Für die
Deutschen gab es nicht das Geringste zu kaufen,
kein Gramm Zucker oder Salz, 1 Streichholz
war eine Kostbarkeit.
Im Oktober 1945 etablierte sich ein polnischer
Bürgermeister im Ort. Nach einigen Wochen landete
er im Gefängnis, weil er mit seinen Spießgesellen
mehrere Stück Vieh verschoben hatte. Sein
Nachfolger trieb es noch viel schlimmer und
kam 3 Monate später ebenfalls ins Gefängnis.
Ihre Nachfolger waren nicht besser, aber
vorsichtiger. Die selbsternannte Miliz war
Tag und Nacht unterwegs, um die deutschen
Bewohner zu maßregeln oder zu traktieren. Alle
Deutschen hatten eine weiße Armbinde zu tragen,
sogar im Stall und bei der Feldarbeit. Die
schlimmsten Quälereien mußten 10 Männer aus
Seitendorf in der berüchtigten "Gürth-Villa"
in Habelschwerdt über sich ergehen lassen.
Die Miliz holte sie in der Nacht des 23. Nov. 1945
aus den Betten und schaffte sie nach Habelschwerdt,
wo sie 5 Tage festgehalten wurden. In dieser Zeit
schlug man sie mehrmals am Tage mit Stöcken und
– 102 –
Eisenstangen. Der Gastwirt Ernst Weigang
trug sogar einen Knochenbruch davon. Ein Grund
für die Repressalien an den Deutschen fand
sich leicht und wurde auf raffinierte Weise
herbeigeführt. Meistens unterschob die Miliz
den Deutschen bei "Haussuchungen"- es handelte
sich immer um Plünderungen – irgendwelche alte
Waffen und überführte sie dann als "Partisanen".
Eine andere Methode bekamen Gastwirt Weigang
und Fleischermeister Jestel zu spüren, sie
wurden mit Waffengewalt gezwungen, Schwarz-
schlachtungen durchzuführen, um anschließend der
Schwarzschlachtung überführt zu werden. Solche
und ähnliche Dinge waren an der Tagesordnung.
Höfe über 200 Morgen waren im Sommer 1945
schon verstaatlicht worden. Auf die Höfe von
Hauck und Boese setzten sich sogen. Administra-
toren. Von Landwirtschaft verstanden sie so gut
wie nichts, umso besser aber, ihren eigenen
Vorteil herauszuholen. Sie führten ein richtiges
Lotterleben. Die deutschen Besitzer aber wurden
mit ihren Familien in der schlimmsten Weise
unterdrückt. Ende November 1945 mußten sie
als Erste ihren Hof und das Dorf verlassen.
Man schaffte die Familien Hauck und Boese mit
ihren kleinen Kindern, noch nicht einmal mit
dem Allernötigsten versehen, nach Neundorf.
Dort mußten sie, notdürftig untergebracht,
unter den widrigsten Umständen bis zu ihrer
Vertreibung im März 1946 den Winter verbringen.
Weihnachten 1945 – das Fest wurde unter
– 103 –
bedrückenden Umständen begangen. Die Christ-
messe war untersagt, ein Tannenbaum unter 150
Zloty Geldstrafe verboten. Sylvester und
Neujahrstag bedrückten die Menschen fast noch
mehr. Was wird das Jahr 1946 bringen? Wir
lebten in größter Ungewißheit.
März 1946 – die Nachricht über die ersten
Vertriebenentransporte ging durch das Dorf.
Am 26. März war es soweit. Die ersten Familien
hatten die Heimat zu verlassen. Unter ihnen
waren die meisten Sudetendeutsche, aber auch
eine Reihe Seitendorfer Familien, welche die
Polen am ehesten weghaben wollten. So einfach
war das. Zwei Familien wurden regelrecht heraus-
gejagt; sie hatten kaum 1 Stunde Zeit, um für
sich und die kleinen Kinder die letzten Hab-
seligkeiten zu packen. Es war grausam.
Das Frühjahr kam. Die noch verbliebenen Bauern
bestellten notdürftig das Land: Hier und da
hatte man versucht, wenigstens das nötige
Saatgut zu schmuggeln. Der Viehbestand
reduzierte sich immer mehr. In kurzen Abständen
mußten mehrmals Milchkühe abgeliefert werden.
Die Kälber schlachteten die Polen für ihren
Bedarf. Deutsche konnten sich glücklich schätzen,
wenn für sie einmal etwas abfiel. In der Regel
hatten sie nur zu arbeiten.
Indessen gingen die Ausweisungen weiter. Die Polen
unseres Dorfes hatten gut kalkuliert und ließen
– 104 –
erst die Ernte einbringen. Dann war der zweite
Transport fällig. Bis auf wenige Familien mußten
die meisten Seitendorfer am 31. August 1946
ihre Heimat verlassen. Die erste Station war
das Barackenlager am Bahnhof in Mittelwalde.
Sonntag, 1. September – hielt unser hochver-
ehrter Pfarrer, Geistl. Rat Goebel, auf dem
Bahnsteig in Mittelwalde einen Abschieds-
Gottesdienst. Vertrauensvoll legten alle ihr
Schicksal in Gottes Hand. An dieser Stelle soll
noch in besonderer Weise unseres Pfarrers und
Seelsorgers gedacht werden. Wie kein Zweiter
hat er sich in dieser schweren Zeit für seine
Pfarrkinder eingesetzt. So mancher Familie
hat er in seelischer wie leiblicher Not unter
Einsatz seines Lebens geholfen.
Nach einer letzten entwürdigenden Kontrolle
(Leibesvisitation) ging der Transport am 2. Sept.
1946 ab gegen Westen. Die Schicksalsfahrt ging zu
unserem Glück über Kohlfurt in die britische Zone.
Durchgangsstationen waren die Lager Marienthal
bei Helmstedt das Auffangslager Wipperfürth,
wo unsere Registrierung erfolgte und Troisdorf.
Im Lager Troisdorf wurden die Seitendorfer
auf verschiedene Gemeinden des Siegkreises
verteilt. Der erste Transport der Seitendorfer
am 26. März war ebenfalls in die britische Zone
geleitet worden. Sie fanden ihre Bleibe in
der Gegend um Braunschweig und in Ostfriesland.
Ungleich schwerer traf es die letzten zehn
Familien aus Seitendorf. Wenige Tage später
– 105 –
wurden auch sie ausgewiesen und landeten
bedauerlicherweise nach mehreren Wochen Auf-
enthalt im Lager in der russisch besetzten Zone,
in der Gegend von Leipzig und Wurzen. Damit
war die Vertreibung unserer Heimatgemeinde
beendet und ihr Schicksal besiegelt. Sie hat
aufgehört, zu bestehen, nachdem sie ihren
Bewohnern und deren Vorfahren über 6 Jahrhunderte
lang die Heimat gewesen ist. Nun hat man sie
daraus Vertrieben und in alle Winde verstreut.
– BILD –
XII a) Die Gefallenen und Vermißten
der beiden Weltkriege
BILD
Kriegerehrenmal 1914 – 18 (Foto 1984)
109
Die Gefallenen und Vermißten des 1. Weltkrieges
der
Gemeinde Seitendorf
Die Inschrift auf dem Kriegerehrenmal und die
Namen
der Gefallenen und Vermißten:
Im Weltkrieg 1914 / 18
starben den Heldentod
in
dieser Gemeinde
Klemens Mandel |
|
1914 |
Josef Illichmann |
|
1915 |
Franz Hörnig |
|
1916 |
Robert Kliegel |
|
1917 |
Josef Weigang |
|
1918 |
Friedrich Franke |
|
1918 |
Klemens Gebhardt |
|
1918 |
Hermann Beck |
verm. 29. 9. |
1918 |
Robert Klenner |
gef. 12.10. |
1918 |
Hermann Goldmann |
gest. 26.12. |
1918 |
Josef Franke |
gef. 29. 5. |
1916 |
– 109 –
Den
Gefallenen des zweiten Weltkrieges:
Ihr
sollt nicht vergessen sein –
Ihr, die Ihr liegt in fremder Erde, stumm –
Ihr zogt hinaus, nicht wissend – wie und warum.
Der Tod war der Lohn im Norden und Süden,
in West und Ost.
Verbrannte Erde trank überall gierig Euer Blut –
kein Trost,
weder Rettung noch Heimkehr – einsam, allein.
Wie könnte das jemals vergessen sein! –
Und die Ihr ließet zurück – sind stumm
von Trauer – fragen sich noch immer:
„Warum, warum?"
– 110 –
Die Gefallenen und Vermißten des 2. Weltkrieges
1938
– 1945 aus unserer Gemeinde
Wendler, Josef |
geb. |
1920 |
gef. |
29.9.1941 |
Otto, Alfred |
geb. |
1903 |
gef. |
4.1942 |
Boese, Robert |
geb. |
1921 |
gef. |
2.1942 |
Hein, Klemens |
geb. |
1916 |
gef. |
1942 |
Scholz, Albert |
geb. |
1920 |
gef. |
20.7.1942 |
Grond, Hermann |
geb. |
1919 |
gef. |
1942 |
Knauer, Otto |
geb. |
1908 |
gef. |
6.8.1942 |
Grond, Bruno |
geb. |
1923 |
gef. |
9.1942 |
Bernhart, Max |
geb. |
1922 |
gef. |
4.10.1942 |
Hein, August |
geb. |
1905 |
gef. |
15.11.1942 |
Hoffmann, Richard |
geb. |
1919 |
gef. |
1.1943 |
Franke, Robert |
geb. |
1911 |
gef. |
13.5.1943 |
Eltner, Severin |
geb. |
1913 |
gef. |
23.7.1943 |
Bernhart, Linus |
geb. |
1924 |
gef. |
15.10.1943 |
Berhart, Bruno |
geb. |
1910 |
gef. |
27.12.1943 |
Steiner, Friedrich |
geb. |
1911 |
gef. |
17.3.1944 |
Langer, Herbert |
geb. |
1906 |
gef. |
4.4.1944 |
Hofmann, August |
geb. |
1917 |
gef. |
26.7.1944 |
Boese, Hermann |
geb. |
1908 |
vermißt |
1944 |
Strecke, Bruno |
geb. |
1909 |
vermißt |
1944 |
Spanel, Ernst |
geb. |
1923 |
vermißt |
1944 |
Peucker, Alfred |
geb. |
1898 |
vermißt |
1945 |
Locker, Klemens |
geb. |
1915 |
gef. |
7.11.1944 |
Stein, Alfons |
geb. |
1910 |
gef. |
1944 |
Strecke, Alfons |
geb. |
1914 |
gef. |
29.1.1945 |
Prause, Alois |
geb. |
1924 |
gef. |
17.3.1945 |
Hoffmann, Josef |
geb. |
1917 |
gef. |
30.4.1945 |
– 111 –
Mein stilles Dorf
Mein stilles Dorf, – am Bergeshang
ins Grün der Wiesen hingebreitet, –
ein Traum um deine Dächer gleitet,
gewebt aus Duft und Vogelsang.
Es trägt zur fernen Welt hinaus
dein Silberfluß die tausend Quellen
und zeigt im Spiegelbild der Wellen
in vertrauter Reihe Haus an Haus.
Und schreit‘ ich durch den lieben Ort,
dann ist es mir, als ob ich fände
der Heimat Sinn im Druck der Hände –
in einem Gruß, – in einem Wort.
Wenn dann vom Turm die Glocke klingt,
geht überreicher Herrgottssegen
auf allen Gäßchen – allen Wegen,
der bis ins ärmste Stübchen dringt.
In tiefster Seele aufgewacht,
bleibt so dein Bild mit mir verbunden.
Und hätt‘ ich zu dir heimgefunden –
das wär‘ es, was mich glücklich macht!
Gustav Marx
– 112 –
XII b)Hausnummern, Häuser und Grundstücke unseres Dorfes
Nr. |
Name des Besitzers |
Größe |
|
Vorbesitzer |
1 |
Müller, Erwin; Kaufmann |
0,50 |
ha |
Albert Bernhart, |
2 |
Bernhart, Alfred I, |
31,75 |
ha |
Franz Bernhart / |
3 |
Bernhart, Franz I, |
31,00 |
ha |
Franz Bernhart / |
4 |
Boese, Richard |
53,89 |
ha |
Siegfried Boese / |
6 |
Dr. Bandmann, Georg, Land- |
0,25 |
ha |
Pietsch |
7 |
Gebhardt, Robert, |
25,94 |
ha |
Alois Gebhardt / |
8 |
Scholz, Albert, |
2,50 |
ha |
|
10 |
Strecke, Ernst jun. |
7,50 |
ha |
Franz Rupprecht / |
11 |
Grond, Josef |
4,25 |
ha |
|
12 |
Hauck, Franz I |
53,00 |
ha |
Franz Hauck / |
13 |
Locker, Robert |
3,88 |
ha |
Locker sen. |
14 |
Steiner, August, |
32,50 |
ha |
Prause / |
15 |
Steiner, August |
0,25 |
ha |
Prause / |
16 |
Hantke, Walter |
0,25 |
ha |
Johann Winge, |
17 |
Franke, August I |
36,65 |
ha |
Franke, Heinrich |
18 |
Hauck, Franz II |
29,00 |
ha |
Ernst Hauck / |
19 |
Goldmann, Wilhelm |
0,25 |
ha |
Katzer |
20 |
Frau Lesak |
0,25 |
ha |
|
20a |
Geschwister Eltner |
– |
ha |
Scholz |
21 |
Vogel, Robert |
3,50 |
ha |
Franz Vogel |
22 |
Hauck, Franz III |
5,97 |
ha |
Josef Hauck / |
23 |
Hoffmann, Anna |
3,25 |
ha |
Hoffmann |
24 |
Boese, Robert |
|
|
Freirichter |
25 |
Boese, Ernst |
23,00 |
ha |
Robert Boese |
26 |
Simon, Friedrich |
17,59 |
ha |
Franz Boese / |
27 |
Franke, August II |
4,25 |
ha |
Friedrich Franke |
28 |
Gebhardt, Robert (Alois) |
0,25 |
ha |
|
29 |
Boese, Hermann |
8,00 |
ha |
Hermann Boese |
30 |
Weigang, Ernst |
11,50 |
ha |
Josef Weigang |
30a |
Frank, Augst I |
kl. Garten |
|
|
31 |
Eltner, Richard |
17,81 |
ha |
Ernst Eltner |
32 |
(Weigang) Pächter |
18,00 |
ha |
August Weigang |
33 |
Schule |
Garten |
|
|
34 |
Prause, Josef |
9,00 |
ha |
|
35 |
Teuber, Franz |
3,25 |
ha |
Ernst Lux |
36 |
Grond, Gustav |
3,50 |
ha |
|
37 |
Strecke, Anna |
1,00 |
ha |
Maria Heyer |
38 |
Prause, Michael |
0,10 |
ha |
|
39 |
Prause, Ernst |
20,43 |
ha |
Robert Strecke |
40 |
Weigang, Ernst |
|
|
Beck / Lux |
41 |
Strecke, Robert |
2,50 |
ha |
Klemens Bernhart |
42 |
Stein, August |
1,50 |
ha |
|
43 |
Stein, Franz |
48,50 |
ha |
Franz Stein / |
45 |
Pohl, Alfred |
16,00 |
ha |
Paul Pohl |
48 |
Gemeindehaus |
|
|
|
50 |
Hein, Josef |
0,10 |
ha |
Leopold Hein |
51 |
Jestel, Josef |
3,00 |
ha |
Ernst Klar |
52 |
Teuber, Franz |
3,75 |
ha |
Josef Bernhart / |
53 |
Heidrich, Bruno |
5,25 |
ha |
Exner |
54 |
Otto, Alfred |
2,75 |
ha |
Josef Bernhart / |
55 |
Urban, Hildegard |
kl. Garten |
ha |
Berta Eltner / |
56 |
Jung, Max |
31,00 |
ha |
Hermann Beck / |
57 |
Beck, Schmiede |
|
|
|
58 |
Bernhart, Ernst |
24,00 |
ha |
Franz Bernhart / |
59 |
Stein, Alfons |
31,00 |
ha |
Franz Gebhardt / |
60 |
Simon, Friedrich |
21,00 |
ha |
Franz Mandel |
61 |
Bernhart, Paul |
17,23 |
ha |
Ernst Berhart / |
62 |
Bernhart, Josef |
25,46 |
ha |
Reinhold Bernhart / |
63 |
Spanel, Franz |
|
ha |
Hoffmann |
64 |
Spanel, Franz |
14,75 |
ha |
Franz Spanel |
65 |
Kolbe, Friedrich |
7,00 |
ha |
Kolbe / |
66 |
Peucker, Alfred |
2,50 |
ha |
August Klar |
67 |
Otto, Josef |
3,50 |
ha |
David Rupprecht |
68 |
Strecke, Ernst sen. |
6,00 |
ha |
Strecke / |
69 |
Wendler (Fuchswinkel) |
11,00 |
ha |
Kliegel / |
70 |
v. Arnim, Hans-Joachim |
Haus und |
ha |
Gustav Grond / |
71 |
Urban, Paul |
5,83 |
ha |
Eltner |
72 |
Bernhart, Alfred II |
6,75 |
ha |
|
73 |
Eltner, Berta und |
Haus und |
|
Brauerei Boese – |
? |
Groeger |
Haus und |
|
Heyer / |
– |
Schulfelder |
ca. 1 |
ha |
|
– |
Gemeindewald |
18,00 |
ha |
Strecke / |
– |
Geisler-Teuberberg |
ca. 1 |
ha |
Fraeger / |
– 117 –
Der Besitzstand der Einwohner von Seitendorf
Die Zahl der Einwohner von Seitendorf betrug in
den letzten Jahrzehnten zwischen 315 – 330.
Sie lebten fast ausschließlich von der Landwirt-
schaft.
In der Steuererheberolle der Gemeinde wurden die
Einwohner als Bauern und Stückleute, als Stellen-
besitzer und als Haus- und Feldgärtner geführt.
Arbeiterfamilien gab es nur eine oder zwei, je
nach der gegebenen wirtschaftlichen Lage.
Folgende Aufstellung zeigt, in welche landwirt-
schaftlichen, handwerklichen und kaufmännischen
Betriebe sich unser Dorf aufteilte. Im Großen und
Ganzen ergänzten sich die einzelnen Zweige in
ihren Dienstleistungen recht gut, so daß von
auswärts keine allzu großen Leistungen erforder-
lich waren.
1. Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe
Bauern und Stückleute 10 – 50 ha und mehr = 25
Stellenbesitzer 1 – 10 ha = 26
Haus- und Feldgärtner unter 1 ha = 17
2. Handwerker und Kaufleute
1 Schmied, 1 Maurer, 2 Tischler, 2 Schuhmacher, Stellmacher
1 Schneider, 1 Fleischer, 1 Viehhändler, 2 Gast-
wirte, 2 Kolonialwarenhändler, 1 Handelsmann für
Obst, Gemüse (Butter und Eier). Brot und Back-
waren, soweit sie nicht selbst hergestellt wurden,
brachte
ein Bäcker aus dem Nachbarort ins Dorf.
– 118 –
XIII. Seitendorf – unsere
Heimat
a)
Eine Wanderung durch das Dorf
Dort, wo der Habelschwerdter Kamm langsam
in den Paß von Mittelwalde übergeht, liegt
ein etwas verstecktes kleines Seitental.
In diesem Tal, zwischen dem Nordabhang des
Schwarzen Berges und dem Südhang des Drei-
tannenberges – gegen Westen als schützender
Abschluß die Steinkoppe – liegt ein kleines
Dorf, eingebettet in Wiesen, Felder und Wald –
Seitendorf. Das Dorf ist eine kleine Land-
gemeinde des Kreises Habelschwerdt,
854 ha groß.
Mitten durch das Dorf plätschert, mal leise
murmelnd, mal lebhaft und munter, der kleine
Dorfbach mit seinem kühlen, frischen Wasser.
Die Straße nimmt ihren Anfang bei Stumpf’s
Gut in Rosenthal. Dort biegt sie von der Kreis-
straße ab, steigt langsam an und führt unter
schattigen Bäumen bis "unter den Berg".
Bald kommt eine scharfe Rechtskurve, und die
Straße steigt stärker an. Links unten im
Gebüsch liegt das Gemäuer der alten Feldmühle.
Unmittelbar daneben führt steilabfallend der
Kirchsteig nach Rosenthal über den Dorfbach,
der sich kurz zuvor mit dem Höllenwasser ver-
einigt hat. Hier ist das Wasser schon beträcht-
lich angeschwollen und gefährdet mitunter das
hölzerne Kirchsteigbrückchen. Am Eingang des
Dorfes grüßt rechts die Pohl-Mühle am rauschenden
Mühlbach und links in stiller Waldeinsamkeit
die alte Burgruine der Schnallenstein. Etwas
weiter an der Straße rechts liegt Pohl’s
Steinbruch. Viele Ladungen dieses Granitgesteins
haben so manchem Straßenbau gedient. Die Straße
führt weiter "ei a Felsen" hoch, die "schwarze
Drehe" und die Teichdrehe an Pohl’s Mühlteich
werden genommen. Nach einigen hundert Schritten
noch eine Kurve, dann beginnt das eigentliche
Dorf. Links unten,an der eben beschriebenen Weg-
strecke, fließt der Dorfbach dahin, an dessen
Ufern im Frühling die Schneeglöckchen in ein-
maliger Pracht erblühen. Dem aufmerksamen
Beobachter entgehen auch nicht die seltenen,
so lieblich rosablühenden Zweige des Seidel-
bastes.
Rechts und links des Dorfbaches
und der Straße liegen nun die kleineren Anwesen,
etwas zurück die Bauerngehöfte. Am ersten
Gehöft (Steingut) geht rechts der Weg ab auf
die "hohe Seite" und mündet in einen alten Dorf-
weg, der bei mehreren Gehöften und den drei
Kapellen auf der ganzen "hohen Seite" entlang-
führt und bei Weigang’s Gasthof "Zum Dreitannen-
berg" wieder auf die Straße stößt, aber auch
bis zum Gasthof "Zur Brauerei" weiterführt
und in den "Hofeweg" einmündet. Der Hofeweg ist
ein alter öffentlicher Weg, der über den
Dreitannenberg, am Lusthaus vorbei, das ist
eine ehemalige Schutzhütte des G.G.V. (Glatzer
Gebirgsverein), nach dem "Fuchswinkel" und Peucker
verläuft. Der Fuchswinkel ist eine Kolonie mit
einem
kleinen bis mittleren bäuerlichen Anwesen
– 120 –
(Kliegel-Wendler, vormals Strecke), an der
Gemarkungsgrenze von Peucker gelegen. Auf der
halben Wegstrecke, zwischen Seitendorfer Höh‘
und Fuchswinkel, steht ein hohes, eindrucksvolles
Holzkreuz (Hauck’s Kreuz). An dieser Stelle
haben sich vor vielen Jahren zwei Brüder aus
Peucker, die sich im Nebel und Schneesturm
verirrt hatten, von einander getrennt. Der eine
ist glücklich nach Hause gekommen, der andere
ist in Oberlangenau in einen Teich gestürzt und
ertrunken. Der Überlebende hat dann an diesem
Scheidewege das Kreuz errichtet.
Wieder zurück auf den Dreitannenberg: Er ist
739 m hoch, nicht bewaldet, Wege und Felder auf
dem Gipfel liegen fast eben. Auf diesem Plateau
genießt man einen herrlichen, fast die ganze
Grafschaft umfassenden Rundblick. Nach Süden
geht der Blick noch weit über Grulich (Sudetengau)
hinaus. Schon im Jahre 1856 hat Professor
Josef Schall dem Dreitannenberg vier interessante
Zeichnungen gewidmet, die sehr genau den Rund-
blick wiedergeben. Diese Zeichnungen sind in den
Glatzer Heimatbüchern, Band 4, "Vom Schneeberg
zur Hohen Eule", Marx-Verlag, Leimen /Heidelberg,
wiederzufinden. Der aufmerksame Betrachter wird
viele Stunden auf der Höhe des Dreitannenberges
verweilen müssen, wenn er von diesem einmaligen
Standort aus anhand dieser Zeichnungen das Bild
der Heimat in sich aufnehmen will. Wenige hundert
Meter von diesem Punkt zurück steht ein steinernes
Wegkreuz (Eltners Kreuz). An dieser Wegkreuzung
zweigen die Wege nach Lichtenwalde und Oberlangenau
– 121 –
ab. Schräg zu diesen Wegen läuft noch ein alter
Schmugglerpfad durch das Gebüsch, der geheimnis-
umwitterte Diebsteig. Der Diebsteig macht ungefähr
die Gemarkungsgrenze zwischen Seitendorf und
Lichtenwalde aus. Der Weg nach Oberlangenau
geht durch den Mückengrund über die Kolonie
Herrensweil. –
Wieder zurück ins "Niederdorf": Die Straße steigt
weiter an, nach dem Kilometerstein 2 passieren
wir Jestel’s Brücke, rechts Jestel’s Fleischerei,
linker Hand liegt die Schuster-Baude, ein kleines
Logierhaus – vormals die Heyer-Mühle, eine alte
Sägemühle. Nach einigen hundert Schritten kommt
die Schule in Sicht. Links der Straße erhebt sich
auf einer felsigen Anhöhe die Filialkirche
St. Michael, umgeben vom „Kerchblanka“ (Friedhofs-
mauer, wie sie vielen Wehrkirchen eigen ist).
Rings um die Kirche finden die Toten der Gemeinde
ihre letzte Ruhestätte – mitten im Dorf –
und doch ein Ort des Friedens und der Ruhe,
abgeschirmt vom Lärm des Alltags durch die Fried-
hofsmauer und nur zu betreten über eine sauber
angelegte Steintreppe. An ihrem Fuß steht das
"Kirchenkreuz", gestiftet 1880 vom damaligen
"Kirchvater", dem Bauern Franz Bernhart
(Reinhold – Josef Bernhart). Die Seitendorfer
Kirche war auch bis 1939 die Begräbniskirche
der Gemeinde Peucker – ihre Toten wurden seit
Jahrhunderten auf dem Seitendorfer Gottesacker
beerdigt, und alljährlich am Peucker-Kirmesmontag,
wurde hier in der Kirche für die Verstorbenen
– 122 –
ein feierliches Requiem gehalten, wie es
allen Kirchgemeinden üblich war.
Zwischen dem Haupteingang der Kirche und
Nebeneingang an der Nordseite befindet sich
das Kriegerehrenmal für die elf Gefallene
und Vermißten des ersten Weltkrieges. Das
Kircheninnere ist schlicht und einfach, aber
gepflegt und anheimelnd, eine Kirche, so recht
nach dem Herzen der Dorfbewohner. Die Kirche
ist dem hl. Michael geweiht, sein Bild ziert
den Hochaltar und stellt den Kampf mit Luzifer
dar. Die beiden Seitenaltäre sind der hl. Barbara
und der hl. Mutter Anna geweiht. An dem Anna-
altar befindet sich noch ein kleiner Glasschrein
mit dem "Prager Jesukind". Eine "Schmerzhafte
Mutter Gottes" und 14 Kreuzwegstationen schmücken
ringsum das Kirchenschiff, welches gut 130
Personen faßt, nicht mitgerechnet die Sitzplätze
oben auf dem "Chor". Eine kleine Orgel dient
zur Verschönerung und Gestaltung des sonntäg-
lichen Gottesdienstes, der Maiandachten,
Hagelfeiern und dergleichen.
Das Geläut bestand aus drei Glocken, die alle
ihre eigene Geschichte haben. Die große Glocke
hing seit 1603 im Turm. Nachdem sie über 300 Jahre
von dort das Lob Gottes verkündet hatte, wurde sie
zusammen
mit der zweiten Glocke, die ebenfalls
alt und wertvoll war, im 2. Weltkrieg demontiert und
abtransportiert. Gottseidank sind die
beiden Glocken dem Schicksal des Einschmelzens
entgangen, sie fanden sich nach dem Krieg auf einem
Glockenfriedhof wieder. Nach langer Irrfahrt
hängen sie nun in einer Kirche von Münster und
in einer Kirche der Diözese Rottenburg. Die
dritte Glocke, die kleinste, war dem 1. Welt-
krieg schon zum Opfer gefallen, aber im Jahre
1934 wieder ersetzt worden, war allerdings
nicht mehr aus dem guten alten Material.
Ähnlich ist mit der Orgel verfahren worden. Die
ursprünglich aus Zinn gefertigten Pfeifen
wurden schon im 1. Weltkrieg durch solche aus
minderwertigem Material ersetzt, wodurch die
Orgel klanglich beeinträchtigt wurde.
Oberhalb der Kirche und der Schule wird es
gemächlich. Die Straße verläuft einige hundert
Schritte fast eben, beginnt aber hinter "Schusters
Drehe" wieder anzusteigen. Bei Eltner’s Kolonial-
warengeschäft stößt ein Weg auf die Straße,
eine Abzweigung des alten Dorf- und Hofeweges,
der dort über die „Johannesbrücke" das Dorfwasser
überquert. Auf dieser alten Brücke steht unser
Brückenheiliger St. Johannes von Nepomuk. Zu
seinem liebevoll geschmückten Standbild, wie zu
den drei Kapellen, zogen wohl seit Jahrhunderten
die Bitt- und Fronleichnamsprozessionen.
An der Straße erscheint bei Franke der Kilometer-
stein 3. Nach leichter, aber anhaltender Steigung
ist nach weiteren 1 1/2 km die Seitendorfer Höh‘
erreicht, wo die Straße in den Weg nach Peucker
und in die Sudetenstraße einmündet. Am Kilometer-
stein 4 war das letzte Gehöft erreicht. Kurz
vorher, hinter einer starken Rechtskurve, über-
quert die Straße über Boese’s Brücke den Dorfbach,
einige Schritte weiter den alten Dorfweg, der nun
bis in den letzten Zipfel des Oberdorfes führt und
– 124 –
Kircheninnere heute:
(Foto
von 1978)
(Foto von 1984)
Postkarte
Bild
An der Ruine Schnallenstein
(Touristen mit Zwei Seitendorfer Schulbuben als "Reiseführer")
auf dem Hegerstück, dem "Gittla" und der
Büttnerstraße endet. Hier oben, am Ende des
alten Dorfweges, genießt man noch einmal die
herrlichste Aussicht. Zu unseren Füßen liegt
Seitendorf, davor ausgebreitet das liebliche
Neißetal mit vielen großen und kleinen Dörfern,
ihren Feldfluren und Büschen, gegenüber das
Glatzer Schneegebirge mit dem Spitzigen Berg
und "Maria Schnee", dem großen und kleinen
Schneeberg, den Klappersteinen und den Grulicher
Bergen. Es fällt schwer, sich von diesem Anblick
loszureißen.
Nun wieder ein Sprung ins Niederdorf, denn es
muß noch ein alter Dorfweg beschrieben werden,
der vor dem Straßenbau die wichtigste Ver-
bindung herstellte. Der Weg beginnt gleich
hinter der Pohl-Mühle und führt ander Ruine
Schnallenstein vorbei. Nach einer starken Kurve
und steilem Anstieg durchläuft er ein Waldstück,
um dann über das Feld weiterzuführen. Kurz nach
dem Verlassen des Waldes kommt der Weg an
Stein’s Kreuz vorbei. Es lohnt sich, etwas zu
verweilen. Vor uns steht, zwischen mächtigen Bäumen
eine wunderschöne alte Kreuzigungsgruppe, einge-
friedet mit einem Zaun aus behauenen Steinen.
Eingemeißelt ist die Jahreszahl 1824, die
Inschrift auf dem Sockel lautet:
Wenn einst auch unsere Stunde schlägt,
und unser Puls sich kaum noch regt,
wenn Herz und Aug‘ im Sterben bricht,
Herr Jesu, dann verlaß uns nicht!
– 127 –
Der Ortskundige kann noch von hier aus auf
etwas verschlungenen Wegen einen kleinen Ab-
stecher nach den "Salzlöchern“ machen.
Die sog. Salzlächer sind eine regelrechte
Tropfsteinhöhle, die oft von Schulklassen
und interessierten Touristen gern besucht
wurde. In der Tiefe der Höhle befindet sich
ein kleiner unterirdischer See. In unmittel-
barer Nähe der Salzlöcher liegt noch ein
kleiner Marmor-Kalksteinbruch, den es sich
ebenfalls lohnt, anzusehen. Es ist ein schöner
Anblick, wenn die Sonnenstrahlen auf das
glitzernde, geäderte Gestein fallen. Gehen wir
den Weg etwas weiter in Richtung Höllengrund,
gelangen wir zum Höllenwasser und den sagen-
umwobenen "Teufelssteinen".
Nach dem Abstecher zurück auf den alten Dorfweg:
Von Stein’s Kreuz aus führt er unmittelbar
hinter sämtlichen Gehöften, die auf der sog.
"Winterseite" (Nordhang des Schwarzen Berges)
liegen, vorbei. Am "Bicha-Strauche" (Buchen-
strauch) bei Steiner August’s Sandloch über-
quert er den öffentlichen Weg nach Marienthal
und Freiwalde. Dieser Weg nimmt seinen Anfang
bei Steiner August’s Gehöft und geht über die
Felder von Steiner und Franke, quer durch die
Waldungen des Schwarzen Berges. Er ist besonders
wichtig für die Holzabfuhr und eine gute Ver-
bindung zu den genannten Nachbardörfern.
Wir steigen weiter an in Richtung Schwarzer Berg
Der Weg überquert ungefähr den Gipfel des Berges
– 128 –
und kommt in Obermarienthal aus. Die Ober-
marienthaler benutzten den Weg gelegentlich,
um über Seitendorf den Bahnhof Ebersdorf zu
erreichen.
Wieder sind wär am oberen Ende des Dorfes ange-
langt – wieder bietet sich dem Auge eine groß-
artige Aussicht. Unser liebes kleines Dorf liegt
vor uns, im Hintergrund die schützende Gebirgs-
kette der Glatzer Berge, links grußt der
Heidelberg, der hochste Berg des Habelschwerdter
Kammes, herüber. Er kommt uns vor wie ein
Wachter zu unserer Linken. Weiches Gras ladt‘
uns zum Sitzen ein – wir schauen und schauen ….
Wer nie von diesen Bergeshöh‘n
die Wälder, fluren hat geseh‘n,
hat nie empfunden – wohl fürwahr,
wie schön doch unsere unsere Heimat war!
Bild
Eingang zu den Salzlöchern
XIII b) Das Leben in unserem Dorf
Das Leben der dörflichen Gemeinschaft war
geprägt von dem Ablauf der Jahreszeiten,
der daraus erwachsenden Arbeit der ländlichen
Bevölkerung, welche tief eingebettet war in
das kirchliche Leben. Ohne Gottes Segen und
Beistand war das Leben auf dem Dorf undenkbar.
Das galt auch für das Kommen und Gehen der
Geschlechter, für Geburt, Taufe, Hochzeit
und Tod.
Hier soll nun der Versuch gemacht werden, auf-
zuzeigen, wie sich das Leben in unserem kleinen
Grafschafter Bauerndorf vor dem 2. Weltkrieg
im Ablauf des Jahres gestaltete.
Der Neujahrstag wurde, wie überall, mit gegen-
seitigen guten Wünschen der Nachbarn und
Bekannten für das Neue Jahr begangen. Der 2. Januar
war der sog. "Sterztag", ab und zu noch Umzugs-
tag der Dienstboten. Der Name "Sterztag" ist
höchstwahrscheinlich davon abgeleitet, weil es
bei dem Gesindeumzug bei Schnee- und Eisglätte
gelegentlich zu Stürzen kam. Der Dreikönigstag
war ein hoher Feiertag und wurde in der Kirche
mit einem festlichen Hochamt begangen. In der
Oktav des Dreikönigsfestes waren die drei
Könige unterwegs. Der Pfarrer ging mit den
Ministranten von Haus zu Haus, segnete die Häuser
und schrieb mit geweihter Kreide die Buchstaben
C – M – B über die Türen der Wohnstuben. Oft lag
tiefer Schnee, so daß Pfarrer und Ministranten
– 130 –
die Schneeschuhe benutzen mußten. Auch wurde
in der Oktav das Weihwasser geweiht (Dreikönigs-
wasser).
In der Regel fand am Abend des Dreikönigstages
das Vereinsvergnügen der Freiwilligen Feuerwehr
oder des Kriegervereins mit Tanz und Verlosung
in einem Gasthaus des Dorfes statt, je nachdem,
beim "Schänka" oder "Bräuer". Nach der
geschlossenen Zeit (Advent) wurde diese Veran-
staltung sehr begrüßt und von Jung und Alt gern
besucht.
Faschingsveranstaltungen und andere Tanz-
vergnügen gab es außer der Kirmes und Hochzeits-
kränzchen höchst selten in einem kleinen Dorf.
Das bewog die Jugend, ab und zu einmal auswärts
auszugehen.
Sonst war man in der Zeit von Neujahr bis Fast-
nacht noch sehr fleißig – überall wurde das
Getreide gedroschen. Ein jeder freute sich,
wenn endlich ausgedroschen war, denn nun begann
eigentlich die gemütlichste Zeit des Jahres.
Zwischendurch gab es ein- oder zweimal einen
Höhepunkt, "s’Schweinschloachta", mit
"Wellfleisch oan Woarschtfellsel". Meistens war
damit
noch "a Rockagang" verbunden.
Im Februar gab es zusätzlich zwei "halbe"
Feiertage, Lichtmeß (2. Febr.) und Valentin (14. Febr.).
An beiden Tagen wurde die Werktagsmesse besucht.
Von Fall zu Fall wurde auch der 3. Febr.,
St. Blasius, gefeiert. Am Valentinstag durfte kein
Pferd angespannt werden, denn St. Valentin ist
neben St. Leonhard der Schutzpatron des Viehes.
– 131 –
Im Februar konnte es manchmal bitter kalt sein.
Eine alte Bauernregel drückt das so aus:
Der Januar spricht zum Februar: "Hätt‘ ich die
Gewalt wie du, ließ ich das Kalb erfrieren
in der Kuh!".
Doch die Kälte störte gar nicht so sehr,
man zog sich warm an und in der Wohnstube
strahlte der Kachelofen eine wohlige Wärme aus.
Das war nun die richtige Zeit für die "Rockagänger
oan für’s Fadanschleißa". Dabei ging es manchmal
recht lustig zu, nur blasen durfte keiner, sonst
ging die ganze weiße, weiche Herrlichkeit in
die Luft, die doch für die Aussteuerbetten der
Mädchen bestimmt war. Anschließend gab es einen
anständigen Bohnenkaffee und manchmal noch
"Pfännklan" (Berliner Pfannkuchen). Die "Moanns-
beller" machten in der ruhigen Zeit Strohseile,
reparierten das Pferdegeschirr und beschäftigten
sich mit allerlei handwerklichen Reparaturen.
Auch wurde mit dem Schlitten der Mist in Haufen
auf das Feld gefahren und bei gutem Winterwetter
im Wald Holz geschlagen. Auch die Pferde mußten
während der Winterszeit bewegt werden. Bei
schönem Wetter konnte daraus eine herrliche
Schlittenfahrtwerden.
Bald kam die Fastenzeit. Damals galt noch jeder
Tag der Fastenzeit als Fasttag. Das Essen war
bescheidener und wer halbwegs abkommen konnte,
besuchte die Werktagsmesse und die Kreuzweg-
andacht oder die Fastenpredigt am Sonntagnachmittag.
In vielen Familien wurde nach dem Abendessen eine
– 132 –
kurze Andacht mit Betrachtung und der Litanei
vom bitteren Leiden und Sterben Jesu gehalten.
Der Hausvater betete vor. So wurde allen Haus-
bewohnern, den Großen wie den Kleinen, täglich
der Sinn und die Bedeutung der Fastenzeit nahe-
gebracht.
Die Tage wurden bald wesentlich länger und am
Morgen lag der Märzennebel dicht über der Erde.
Doch schon stieg trotz empfindlich kalten Nacht-
frösten die Lerche in die Höhe und kündigte
den Frühling an. Gegen Mittag war die Sonne
Herr über den Nebel geworden,und es taute an
allen Ecken. Die ersten Frühlingsboten, die
Schneeglöckchen, wagten sich unter der tauenden
Schneedecke hervor.
Mittfasten, der vierte Fastensonntag – Laetare -,
der "Sommersonntag" war gekommen. Hie und da
zogen die Kinder, mit bunten Bändern geschmückte
Zweige in der Hand, durch’s Dorf. Sie sangen:
Sommer, Sommer, Sommer, ich been a kleener
Pommer usw….. und heimsten dabei "a poor Bema"
und Süßigkeiten ein. Wer nichts gab, bekam es
kräftig zu hören: "Hinnermest, Taubamest, ei
dam Hause kriecht ma nischt". Am 19. März ist
Joseftag, wieder ein halber oder ein ganzer
Feiertag, besonders für alle, die Namenstag hatten.
Jetzt begann für die Kinder eine gute Zeit,
denn zwischen Joseftag und Karwoche brachten
die "Poata a Grinndonerschtich". Wer denkt
da nicht zurück "oa die Striezel, die Pfaffermoanne
oan Hersche, oa die Hatze oan Kerblan aus Zockerzeug,
die Zockertoaler oan Osterhoasa". Schlietafoahrn
oan der Grinndonerschtich – doas woar woll meet
doas Schennste aus der Kenderzeit.
Palmsonntag: Die Kinder trugen große Sträuße
von Weidenkätzchen zur Palmenweihe in die
Kirche. Die Karwoche stand ganz im Gedenken
an Jesu Leiden und Tod. Nirgendwo habe ich
das Mitleiden mit unserem Herrn und Heiland
so innig erlebt wie in unserer lieben Heimat,
der Grafschaft Glatz. Am Gründonnerstag zogen
die Ministranten mit ihren Schnarren und
Klappern statt des Angelusläuten um den Platz
vor der Kirche, denn die Glocken reisten ja
in den Kartagen nach Rom. Die Kinder zogen
klappernd von Haus zu Haus und bekamen Brezel,
Beugel und Eier geschenkt. Am Abend fanden sich
die Dorfbewohner in der Kirche zur "Ölberg-
andacht" ein. Karfreitag war ein strenger Feiertag.
Fast alle besuchten den Karfreitagsgottesdienst
und begleiteten nach den Zeremonien unseren
lieben Heiland in verhüllter Monstranz in
das liebevoll hergerichtete "hl. Grab“. Dort
blieb das "Hochwürdigste" bis zur Auferstehunge-
feier am Ostersonnabend-Abend zur stillen An-
betung ausgesetzt. Auch war das "hl. Kreuz“ zur
Verehrung auf den Boden gelegt.
Nach der alten Liturgie fand schon der erste
Ostergottesdienst am Ostersonnabendmorgen mit
der Holz-, Feuer- und Taufwasserweihe statt. Die
Bauern nahmen das geweihte Holz mit nach Hause.
Daraus wurden Späne geschnitten und diese zu
kleinen Holzkreuzchen zusammengefügt. Nach
Beendigung der Frühjahrsaussaat ging der Bauer
mit Frau und Kindern "Kreuzlastecka".
– 134 –
Auf jedes Feld wurden 3 kleine Kreuzchen und
eine geweihte Palme gesteckt. Damit wurde die
junge Saat dem Segen Gottes anvertraut. Am
Ostersonnabend gegen Abend versammelten sich
die Gläubigen zur Auferstehungsfeier. Unter
den Klängen der Glocken und des Osteralleluja‘s
wurde das Allerheiligste aus dem hl. Grab
geholt und in feierlicher Prozession um die
Kirche getragen. Nach der langen Fastenzeit
brauch ein heller Osterjubel aus. Mit in-
brüstigem Herzen wurden die Osterlieder ge-
sungen: "Triumpf, der Tod ist überwunden –
Getröst, getröst, wir sind erlöst, die Hölle
ward zuschanden!". Nach dem sakramentalen
Segen erklang feierlich das „Tedeum laudamus“.
Mit gleicher Freude wurde dann an beiden Oster-
tagen der Gottesdienst begangen. Die Kinder
hatten noch ihre ganz besondere Freude. Am
Vortage hatten sie mit Eifer ihre Osternestchen
aus Heu oder Stroh im Garten unter Sträuchern
und Bäumen gemacht. Dort fanden sie dann am
Ostermorgen die blauen, grünen, roten und
braunen Ostereier. Zum Frühstück gab es selbst-
gebackenes Osterbrot oder Striezel mit viel
Rosinen, was allen ganz herrlich schmeckte.
Die jungen Mädchen aber waren schon in aller
Frühe am Bächlein gewesen, um "Osterwasser" zu
holen, denn davon wurden sie "gesund und schön".
Am Weißen Sonntag war der Ehrentag der Kinder,
der Tag ihrer ersten hl. Kommunion. Im Rahmen
eines feierlichen Gottesdienstes, an dem alle
Bewohner des Dorfes teilnahmen, empfingen die
Kinder zum ersten Mal den Leib des Herrn, die
– 135 –
Mädchen in weißen Kleidern, ein Myrten-
kränzchen im Haar, die Jungen in dunkelblauen
Anzügen, ein Myrtensträußchen auf der Brust.
In unserer Filialgemeinde wurde der Tag der
Erstkommunion auf den Ostermontag oder Christi
Himmelfahrt verlegt.
Die Tage vor Christi Himmelfahrt, die Bittage,
hatten für die bäuerliche Bevölkerung wieder
eine ganz besondere Bedeutung. Weil der Bauer
in seiner Existenz auf Gedeih‘ und Verderb
von der Witterung abhängig war, bat er in
diesen Tagen ganz besonders um das Gedeihen
der Feldfrüchte. Nach dem Bittgottesdienst
zog die Bittprozession unter Beten und Singen
über die Felder zu den Kapellen und Wegkreuzen.
Bei den vier Stationen betete der Priester um
günstige Witterung und Wachstum der Früchte
des Feldes und erteilte seinen Segen.
Während der Vorsommerzeit fanden auch im
selben Anliegen die Hagelfeierandachten statt.
Sie wurden an den sechs Sonnabenden vor dem
Fest Johannes des Täufers (24.6.) gehalten.
Trotz vieler Arbeit wurde es eingerichtet,
daß wenigstens ein Familienmitglied zu der
Hagelfeierandacht gehen konnte. Zu St. Johanni
traten einige alte Bräuche auf. Die Pfosten
der Haustüren wurden mit Ahornzweigen geschmückt.
Ob das zu Ehren des hl. Johannes geschah, weil
er in der Wüste Blätter und wilden Honig gegessen
hat, oder ob es die Freude über den Sommeranfang
war, ist nicht bekannt. Am Vorabend von Johanni
– 136 –
wurden auch die Johannisfeuer abgebrannt,
ein Riesenspaß für die jungen Leute. Es war
auch ganz großartig anzusehen, wenn auf allen
Bergen und Höhen ringsum die Feuer angezündet
wurden. Dieser Brauch hat höchstwahrscheinlich
seinen Ursprung in der heidnischen Feier der
Sommersonnenwende.
"Zu Pfengsta senn die Maidlan oam schennsta",
sagte ein altes Sprichwort. Das galt aber nicht
nur für die Mädchen, sondern auch für Pfingsten
selbst, denn Jung und Alt konnte sich an diesen
beiden Festtagen so recht am Wachsen und Blühen
erfreuen. Natürlich wurde das Hochfest des
hl. Geistes auch in der Kirche feierlich begangen
Regnete es am folgenden Sonntag, dem Dreifaltig-
keitsfest, so hieß es: "Es regnet goldene
Tröpfchen". Damit war wohl ein warmer frucht-
barer Gewitterregen gemeint.
Das Fronleichnamsfest wurde besonders feierlich
begangen, sowohl am Tage, als auch am Sonntag
darauf. Die Kirche und die vier Stationsaltäre
waren mit Kränzen und Blumen festlich geschmückt.
Nach dem Gottesdienst zog die Fronleichnamsprozession
in schöner Ordnung unter Glockengeläut, den Klängen
der Musik und Gesang durch das mit Birkengrün
geschmückte Dorf zu den vier Altären (Stations-
altären). Vor dem Baldachin, unter dem der
Priester mit dem Allerheiligsten in der Monstranz
daherschritt, streuten weißgekleidete Mädchen
Blumen, die sie die Tage vorher eifrig auf den
Wiesen gepflückt und gesammelt hatten. An allen
Stationen wurde feierlich der Segen erteilt.
-137-
Nach dem Segen, an der letzten Station am
Kirchenkreuz, begleiteten alle das Allerheiligste
unter
dem Gesang: "Großer Gott, wir loben Dich“
zurück in die Kirche.
Während der Fronleichnamsoktav fand noch eine
Werktagsmesse mit einer kleinen Segensprozession
in der Kirche statt. lm Anschluß daran erfolgte
die Kräuterweihe. Jede Familie brachte einen
Strauß von Kräutern und Blumen zur Weihe. Der
Strauß wurde zu Hause sorgfältig aufbewahrt.
Wenn ein Tier erkrankte, bekam es davon ins
Futter, oder es wurde Tee gekocht.
Nun begann die Heuernte, die den Bauern und
seinen Leuten oft viel Schweiß kostete, denn es
mußte eine ganze Menge an Wiesen-, Brach- und
Kleeheu eingebracht werden. Das war erforderlich,
weil die ländlichen Betriebe stark auf Vieh-
haltung ausgerichtet waren und das Vieh durch
den langen Winter auf reichlich Trockenfutter
angewiesen war. Unmittelbar nach der Heuernte
folgte schon die Getreideernte.
Es wurden Roggen, Gerste, Hafer und etwas Sommer-
Weizen angebaut und geerntet. Alle Hände mußten
mit anpacken. Mähmaschinen waren schon im Einsatz,
aber die Garben mußten meistens noch von Hand
gebunden werden. Besonders mühselig wurde die
Erntearbeit, wenn das Wetter nicht mitspielte.
Dann mußte das gemähte Getreide gewendet werden,
was doppelte oder gar dreifache Arbeit bedeutete.
Zur gleichen Zeit mußte auch die Flachsernte
bewältigt werden. Das Flachsraufen erfolgte mit
der Hand und war wohl die aufwendigste Arbeit.
– 138 –
Das schaffte der Bauer mit seiner Familie
nicht allein und mußte sich Helfer aus dem
Dorf dazu holen. Manchmal kamen sogar Frauen
aus der angrenzenden Tschechoslowakei bzw.
dem "Sudetengau".
Während der Heu- und Getreideernte gab es außer
St. Anna und Mariä Himmelfahrt keine zusätzlichen
halben Feiertage. Das ergab sich ganz von selbst,
denn wenn das Wetter umzuschlagen drohte, mußte
auch manchmal sonntags geerntet werden. Die
Sonntagsmesse durfte trotzdem nicht versäumt
werden. Nach Möglichkeit aber wurde die Sonntags-
arbeit vermieden, denn die Sonntagsheiligung
wurde immer hochgehalten, eingedenk des Sprich-
wortes: "Wie Dein Sonntag, so Dein Sterbetag!"
Während der Erntezeit wurde auch das Feld für
das Wintergetreide bestellt, denn die Herbst-
aussaat mußte schon Ende August bis Mitte September
erfolgen. "Bartholomä, Pauer, feng oa on see!"
(24.8.). Jetzt reiften auch die Äpfel, Birnen
und Pflaumen heran. Die „Zockerberna" waren
schon verkonsumiert, da stand die Kirmes vor
der Tür. Die Kirmes (das Kirchweihfest), in
unserem Dorf wurde sie seit altersher am Sonntag
vor Michaeli (29.9.) gefeiert. Weil die Kirmes
und das Patronatsfest St. Michael so nahe
beieinander lagen, kam es alle sechs oder sieben
Jahre vor, daß beide auf einen Tag fielen.
Das mußte natürlich ganz besonders gefeiert
werden. Getanzt wurde an den Kirmestagen und
Michaeli in beiden Sälen, des montags fand noch
zusätzlich ein Frühschoppen mit Tanz statt.
– 139-
Zum Kirmestanz kamen auch viele junge Leute
aus den Nachbardörfern und manches junge Paar
hat sich da für’s Leben zusammengefunden. Die
Kirmes war früher auch eine Art Erntedankfest.
Später wurde der Erntedanktag am ersten Sonntag
im Oktober gefeiert.
Die Frau des Hauses, die „Kermesmutter", hatte
zur Kirmes recht umfangreiche Vorbereitungen
zu treffen. Das ganze Haus wurde von oben bis
unten geputzt, und es mußten wohl an die zwanzig
Hefekuchen gebacken werden, Streusel-, Pfeffer-,
Käse-, Apfel- und Pflaumenkuchen, nicht zu ver-
gessen Mohnkuchen. Für diese Menge mußte der
Backofen angeheizt werden. Für die Kirmessuppe
wurde beim Fleischer ein großes Stück Rind-
fleisch geholt und im Haus wurde ein Ziegen-
lämmchen vom Frühjahr geschlachtet, dazu gab
es noch einen ordentlichen Schweinebraten.
Nach dem Gottesdienst am Kirmessonntag erschienen
die Kirmesgäste, die Verwandten aus den Nachbar-
dörfern, Onkel, Tanten und Paten. Auch waren
die Eltern der Dienstboten eingeladen. An langer
gedeckter Tafel wurde nun eine reichhaltige
Mahlzeit gehalten. Da gab es zuerst eine gute
Rindfleischsuppe mit selbstgemachten Nudeln,
dann gekochtes Rindfleisch mit Meerrettich-
und Senfsoße, Gurken- und Krautsalat, anschl.
den Kirmesbraten mit "Kließlan" und Sauerkraut
und zum Nachtisch Apfel-, Birnen- und Pflaumen-
kompott. Für den großen Durst war auch vorgesorgt.
Jeder konnte sich nach Herzenslust an dem selbst-
gebrauten, köstlichen Malzbier laben. Nach feier-
– 140 –
licher Segensandacht am Nachmittag fanden
sich die Kinder beim "Schänka“ vor der Tür „oam
Zockertesche
met der Wolfsgoargel" ein
(Wolflsgoargel ist eine Holzkiste mit innerer Spirale.
Ein Würfel von ca. 3×3 cm wurde oben in die Öffnung
gebracht und rollte dann die Schnecke hinunter, bis
der Würfel unten aus einer weiteren Öffnung wieder
hinaus kam.)
Hier wurde mit Begeisterung um Zuckerzeug
gewürfelt, Einsatz 5 und 10 Pfennige. Leider
war das knappe Kirmesgeld schnell zu Ende und
Montag war doch auch noch ein Kirmestag. Ein
Karussell wie in den Nachbardörfern gab es
zum Leidwesen der Kinder in unserem kleinen
Dorf nicht.
Am Kirmesmontag fand am Vormittag das traditionelle
Jungfern-Amt und das Requiem für die Verstorbenen
der Gemeinde mit Umgang über den Gottesacker
statt. So wurden auch die Verstorbenen bei der
Feier der Kirchweihe nicht vergessen. Gleich nach
der Kirmes ging es mit frischen Kräften an die
Kartoffelernte. Die Kinder mußten fleißig mit-
helfen. Auch wurde das Vieh auf die Weide ge-
trieben. Das war eine schöne Zeit für die Hüte-
buben und -mädchen, d.h. solange noch schönes
Herbstwetter war. Nach den Kartoffeln kamen die
Futterrüben dran, das Weißkraut wurde vom Feld
geholt und "eingescharbt" und das Wurzelgemüse
in Erde und Sand für den Winter eingelagert.
Die abgeernteten Felder mußten umgepflügt werden.
Da war oft Eile geboten, denn die ersten
Herbststürme mit Regen und Schnee trafen manchmal
recht früh ein.
Allerheiligen – Allerseelen. Noch einmal wurden
die Gräber geschmückt und mit Requiem und hl. Messe
der Toten gedacht.
-141-
Für den nahen Winter wurden die letzten Vor-
kehrungen getroffen. Die Kellerfenster mußten
frostsicher zugesetzt werden, und die jungen
Obstbäume bekamen einen Schutz von Langstroh
gegen Frost und Wildfraß. Im Schuppen waren
trockenes Holz und Kohle gelagert als gute
Vorsorge, um für den langen Winter eine warme
Stube zu haben. Bald war der November vorbei,
es nahte der Advent und mit ihm kam wieder
Zeit für Feiertage. Der 3. Dezember, Franz
Xaver, war für manche Gemeinde Gelöbnistag
(Franz Xaver wurde als Patron gegen die Pest
verehrt). Viele Leute hatten an diesem Tag
ihren Namenstag. Auch der 4. Dez., St. Barbara,
war ein halber Feiertag und St. Nikolaus,
6. Dez., wieder ein besonderer Tag für die
Kinder. Am Vorabend ging der "Nekels" von
Haus zu Haus und belohnte die guten Kinder,
den weniger guten zeigte er die Rute. Konnte
er nicht ins Haus kommen, legte er den Kindern
seine Gaben auf das Fensterbrett oder unter
das aufgestellte Lesebuch. Schon am St. Martins-
tag, 11.11., bedienten sich die Kinder dieser
guten Methode und bekamen von diesem liebens-
werten Heiligen unter das aufgestellte Buch
ein Martinihörnchen oder ein Stückchen
Schokolade gelegt. Am Marientag (8. Dez.) wurde
ein feierlicher Gottesdienst gehalten, der Tag
war ein gebotener Feiertag. In den Tagen des
Advent waren am frühen Morgen bei Kerzenlicht
die Rorate-Messen – Ecce Dominus veniet ….,
das nahende Weihnachtsfest kündigte sich an.
Wer abkommen konnte, besucht die Roratemessen
– 142 –
trotz Schnee und Kälte, um sich mit Gebet
und bußfertiger Gesinnung auf die Ankunft des
Herrn, des Welterlösers, vorzubereiten. Der
hl. Abend (24. Dez.) war Fasttag. Erst gegen
Abend, "wenn die Sternlein am Himmel standen"
und die Einbescherung erfolgt war, durfte gut
und tüchtig gegessen werden. In den meisten
Familien gab es u.a. „Mohnkließla", ein Gericht
aus Semmel, Milch und Mohn mit Mandeln und
Rosinen. Vor der Einbescherung war das Vieh
besonders reichlich versorgt worden. Es bekam
die Raufe voll Heu und die Futterkrippe wurde
gefüllt mit gemahlenen Rüben und viel Mengsel
(Getreideschrot). Hühner und Gänse erhielten
reichlich Körnerfutter. Auch die Tiere sollten
es in der Christnacht gut haben. Es hieß auch,
daß die Tiere in dieser Nacht miteinander
sprechen könnten. In der zwölften Stunde
machten sich alle Hausbewohner auf den Weg
zur "Christnacht". Nur die Alten und Gehbe-
hinderten blieben zu Hause. Um 24 Uhr begann
die Mitternachtsmesse. Unter feierlichem Orgel-
spiel trat der Priester an den Altar, um
den Weihnachtsgottesdienst und die Geburt
Christi zu feiern. Über dem Hochaltar war die
Krippe aufgebaut, umgeben von viel Tannengrün
und Weihnachtsbäumen. Vom Chor erklangen die
"Christkendla-Masse", das Transeamus und all
die lieben alten Weihnachtslieder, die ein jeder
mit Hingabe mitsang. Es war kein strahlendes,
rauschendes Fest – diese "Christnacht" in
unserer kleinen Dorfkirche, aber so zu Herzen
gehend, voll Gläubigkeit und Innigkeit, – und
wer die "Christnacht" zu Hause noch erlebt hat,
– 143 –
wird sie nie vergessen, solange er lebt.
Der Christtag und der Stephanistag wurden
wieder am Vormittag mit einem Festgottes-
dienst begangen.
Auf das Mittagessen freuten sich alle, denn
im Ofenrohr brutzelte die Weihnachtsgans.
Die beiden Weihnachtsfeiertage wurden im
Kreise der Familie verbracht. Man spielte
mit den Kindern, die sich an den neuen,
wenn auch recht bescheidenen, Spielsachen
erfreuten, die das Christkind gebracht hatte.
Am Abend wurden die Kerzen am Christbaum
und an der Krippe angezündet. Eine "Geburt"
Weihnachtskrippe) gab es in jedem Haus,
auch wenn sie oft nur aus Papier und Pappe
geschnitten und geklebt war.
Das alte Jahr ging zu Ende. Am Sylvesterabend
wurde "ei a Joahrschluß" gegangen, die feier-
liche Dankandacht, in der alle Gott für seinen
Schutz und seine Hilfe dankten, die sie im
Laufe des alten Jahres erfahren hatten,
verbunden mit der Bitte um ein glückliches,
neues Jahr. In Gottes Namen wurde das alte
Jahr beschlossen – in Gottes Namen das neue
begonnen.
Die Älteren maßen noch den 12 Nächten eine
gewisse Bedeutung zu – gemeint ist die Zeit
zwischen dem 27. Dez. bis 6. Januar. Die
Witterung jedes einzelnen Tages wurde auf je
einen Monat des kommenden Jahres bezogen.
So rechnete man sich schon aus, ob es ein
– 144 –
gutes oder weniger gutes Jahr geben würde.
Ein bischen orakelt wurde noch am Sylvester-
abend, "’s Gleckeheba" (Glückheben),auch das
sollte etwas über das neue Jahr aussagen.
Auf den Tisch wurden vier Teller verkehrt
hingelegt, unter dem ersten Teller lag
ein Stück Brot, unter dem zweiten ein Geld-
stück, unter dem dritten eine Nußschale und
unter dem vierten ein Kamm.
Das Brot bedeutete eine gute Ernte bzw. kein
Mangel an Nahrung, das Geldstück Reichtum
und Wohlstand, die Nußschale Krankheit und
der Kamm Läuse oder Unglück. Die Familien-
mitglieder mußten nacheinander in einen
Nebenraum, um das Wechseln der Teller nicht
zu sehen. Viermal durfte jeder einen Teller
wählen. Was er nun gewählt hatte, galt für
die vier Jahreszeiten im kommenden Jahr.
Ernsthaft hat wohl keiner daran geglaubt,
aber es war eine recht lustige Unterhaltung
am Sylvesterabend.
Nun ist noch etwas ganz Wichtiges zu beschreiben –
die ersten und letzten Dinge im Leben eines
jeden Menschen, über Freud‘ und Leid,
an dem alle Dorfbewohner ohne Ausnahme teil-
nahmen oder teil hatten. Wann wurde geheiratet,
wann fanden die so bekannten Bauernhochzeiten
statt. Der Zeitpunkt richtete sich wieder
nach dem Jahresablauf. Advent und Fastenzeit
kamen nicht in Frage. Das war geschlossene Zeit.
Hochzeiten und Tanzveranstaltungen waren verboten,
– 145 –
auch weltlicherseits. Zur Ernte war keine Zeit,
deshalb wurden die Hochzeitstermine in die
ruhigere Jahreszeit verlegt. Das war im Winter
zwischen Weihnachten und Fastnacht, gleich
nach Ostern, vor der Frühjahrsaussaat, vor
und nach Pfingsten, also nach der Frühjahrs-
aussaat bzw. kurz vor der Heuernte. Im Herbst
wählte man Ende Oktober und den Monat November
bis Advent. So wurde auch die Zeit gefunden,
um die nötigen Vorbereitungen zu treffen.
Anders verhielt es sich bei Geburt und Taufe.
Wenn die "Kendlamutter" wieder auf den Beinen
war, wurde der neue Erdenbürger getauft. Der
Tag der hl. Taufe war ein Festtag, auch in der
Zeit der Ernte. Die Paten brachten außer dem
Patengeschenk an den Täufling allen Hausbe-
wohnern
ein anständiges "Poatagräschla"
(Patengroschen) mit.
Nach den "Wochen" hielt die junge Mutter mit
dem Neugeborenen auf dem Arm ihren Kirchgang
(„zu Kerchagien“). Sie dankte Gott für die
glücklich e Geburt und erhielt den Segen des
Priesters, anschließend hielt er in der
Meinung der Wöchnerin eine hl. Messe.
Der Tod eines Menschen ist zu allen Zeiten nie
an eine bestimmte Zeit gebunden gewesen. Der Mensch
wird abgerufen vom Herrn über Leben und Tod,
wenn er es für richtig hält. Die Sterbeglocke
kündigte allen Dorfbewohnern an, wenn einer
der ihren abgerufen worden war. Bald wußte
ein jeder im Dorf, in welcher Familie der Tod
eingekehrt war. Die Hinterbliebenen beauftragten
– 146 –
die "Groabebitterin", allen Leuten die Todes-
nachricht zu überbringen und sie zum Begräbnis
des Verstorbenen zu bitten. Die Nachbarn des
Toten trugen ihn zu Grabe, und keiner schloß sich
ohne zwingenden Grund aus, ihm die letzte Ehre
zu erweisen. Nach der Beerdigung wurden die
Nachbarn und Bekannten von den Angehörigen des
Verstorbenen ins Trauerhaus zum "Trauerassa“
eingeladen. Gegenseitige Hilfe bei Todesfällen
war eine Selbstverständlichkeit, auch das Ende
eines menschlichen Lebens wurde von den anderen
mitgetragen.
Hier ist mit groben Strichen das Leben und die
Arbeit der Menschen in unserer Heimat gezeichnet
worden. Vieles wurde dabei nur gestreift, manches
ist unerwähnt geblieben oder gar vergessen worden
Das möge der Leser verzeihen. Der Schreiberin
ging es darum, das Wichtigste in Kürze fest-
zuhalten.
– 147 –
XIV Sagen der Heimat
a) Wie das Burgfräulein vom Schnallenstein
verzaubert wurde
Der Ritter Jahn auf der Burg Schnallenstein hatte
eine wunderschöne Tochter namens Enede. Der Ritter
von Mittelwalde und der Ritter vom Hummelschloß
warben um sie, und jeder wollte sie gerne zur
Frau haben. Das Burgfräulein aber war dem Ritter
von Mittelwalde mehr zugetan. Als das der Ritter
vom Hummelschloß erfuhr, ergrimmte er in seinem
Herzen und faßte einen schrecklichen Plan.
Er ritt zu einer Hexe, die auf dem Schneeberg
wohnte und ließ sich von ihr aus allerlei Kräutern
einen Zaubertrank brauen, der Menschen in Tiere
verwandelte. Als eines Tages der Ritter vom
Hummelschloß wieder zu Gast auf der Burg
Schnallenstein war, gelang es ihm, den Pförtner
zu bestechen und ihm den Auftrag zu geben, den
Liebestrank, wie ihn der Ritter vom Hummelschloß
bezeichnete, Enede bei nächster Gelegenheit in
das Essen zu mischen.
Das Burgfräulein war sehr fromm und besuchte jeden
Morgen in der Kapelle auf dem gegenüberliegenden
Burgfried die hl. Messe. Eines Morgens wurde
Enede auf dem Weg zur Kapelle von einem Unwohlsein
befallen und fiel in Ohnmacht. Der Pförtner sah
das, eilte in die Küche und holte zur Erfrischung
ein Glas Wasser mit einem belebenden Kräutersaft,
mischte aber heimlich den Zaubertrank darunter
und flößte Enede das Getränk ein. Das Burgfräulein
kam wieder langsam zu sich, konnte sich aber nicht
von der Erde erheben. Auf einmal verwandelte sie
– 148 –
sich in eine Schlange und kroch im Laube
raschelnd davon. Alle, die es sahen, waren
entsetzt, aber Enede war verschwunden.
b) Wie Enede erlöst werden sollte
Einmal, am Vorabend vor Allerheiligen, pflügte
ein Bauer aus Rosenthal am Waldrand unterhalb
des "Wüsten Schlosses" sein Feld. Er war ein
guter, braver und hilfsbereiter Mann. Wie er
so mitten in seiner Arbeit war, stand auf einmal
am Waldesrand ein schönes Fräulein. Der Bauer
erschrak, aber das Fräulein sprach ihn mit freund-
licher Stimme an. Sie sagte: "Ich bin Enede, die
vor hundert Jahren verzaubert wurde. Jetzt ist
die Zeit da, daß ich erlöst werden kann. Du bist
ein guter Mann, wenn Du willst, kannst Du mich
erlösen. Gehe morgen, am Allerheiligentag, nach
Grulich und bete dort bei der Gottesmutter
für mich. Du darfst Dir aber kein fremdes Gut
aneignen und komme am Abend, wenn Du wieder zurück
bist, an diese Stelle, dann will ich mich bei
Dir bedanken". Der Mann versprach es und machte
sich am anderen Morgen in aller Frühe auf den
Weg nach Grulich. Nachdem er dort lange und
andächtig gebetet hatte, begab er sich wieder auf
den Heimweg. Wie er so dahin wanderte, sah er
auf einmal schöne, leuchtendrote Erdbeeren am
Wegrande stehen. Das war um diese Jahreszeit
recht ungewöhnlich, und es kam ihm der Gedanke,
wie sehr sich seine Kinder freuen würden, wenn
er ihnen frische Erdbeeren mitbrächte. Er pflückte
– 149 –
sie und dachte nicht daran, daß er damit fremdes
Gut an sich genommen hatte. Müde kam er zu Hause
an, ging aber gleich zu seinem Feld, wie er es
versprochen hatte. Nach kurzer Zeit erschien das
Fräulein, es war sehr traurig, hatte verweinte
Augen und klagte: "Du hast mich nicht erlöst, denn
Du hast unrecht Gut an Dich genommen, nun muß
ich wieder hundert Jahre warten".
Dann löste sich die Gestalt im Nebel auf. Der Bauer
hörte aus dem Wald nur noch Schluchzen und Weinen.
Ganz betrübt ging er nach Hause und konnte das
Weinen Enedes sein Lebtag nicht mehr vergessen.
c) Wie Enede zum zweiten Mal nicht erlöst wurde
Hundert Jahre waren vergangen. Wieder pflügte ein
junger Bauer am Vorabend von Allerheiligen seinen
Acker in der Nähe des "Wüsten Schlosses". Der Bauer
zog mit seinem Gespann Furche um Furche. Plötzlich
stand am anderen Ende der Furche ein junges
Mädchen. Überrascht hielt er in seiner Arbeit
inne, und das Mädchen fing an, zu sprechen. Sie
erzählte ihm, daß sie die verzauberte Enede sei
und seit zweihundert Jahren auf ihre Erlösung warte.
Morgen, am Allerheiligentag, könnte sie erlöst
werden, wenn ein guter und tapferer Mann dazu
bereit wäre. Der Bauer fragte das Mädchen, was
er da zu tun hätte, er würde sich vor nichts
fürchten. Das Mädchen antwortete ihm: "Bringe mir
morgen mittag, wenn es zwölf Uhr läutet, einen
von den Kuchen, die deine Frau zum Allerheiligenfest
– 150 –
gebacken hat. Ich werde mit einem Schlüsselbund
kommen, diesen mußt du mir abnehmen und mir
dafür den Kuchen geben, du darfst aber keinerlei
Angst zeigen. Zur Belohnung kannst du dann mit
den Schlüsseln die verborgene Schatzkammer im
alten Schloß aufschließen. Der Schatz, den du
dort finden wirst, soll dir gehören". Ganz auf-
geregt, kam der Bauer nach Hause und erzählte
alles seiner jungen Frau. Hocherfreut über den
zu erwartenden großen Schatz, versprach die Frau,
ihm den besten Kuchen mitzugeben. Vor lauter
Aufregung und Vorfreude konnten die beiden in
der Nacht kein Auge zudrücken. Beizeiten machte
sich der Mann am anderen Vormittag mit dem Kuchen
auf den Weg bis zu seinem Acker am Anfang des Waldes.
Als der letzte Schlag der Mittagsglocke verklungen
war, hörte er vom Wüsten Schloß her ein leises
Donnergrollen, wie bei einem herannahenden Gewitter.
Auf einmal rauschte es im Wald, und es erschien
eine große, häßliche Schlange. Sie hatte auf dem
Kopf eine kleine goldene Krone und im Maul einen
riesigen Schlüsselbund. Die Schlange schnellte
geradewegs auf den Mann zu – dieser bekam einen
entsetzlichen Schrecken, warf den Kuchen hin und
rannte, so schnell er nur konnte, davon. Ganz
verstört und in Schweiß gebadet kam er zu Hause
an und konnte nur unter Schlucken und Stottern
erzählen, was geschehen war. So ist Enede, das
Burgfräulein, bis auf den heutigen Tag nicht
erlöst, und der kostbare Schatz bleibt weiter
im Schnallenstein verborgen.
– 151 –
d) Der Schatz im Schnallenstein
In einem Kellergewölbe, welches sich unter der
Burgruine Schnallenstein befindet, liegt ein
großer Schatz aufbewahrt. Es handelt sich um
drei Tonnen. Eine ist mit Silber gefüllt, die
zweite mit Gold und die dritte mit Edelsteinen.
Vor der Tür des Gewölbes, welches den Schatz
birgt, sitzt auf einem Kasten ein großer, schwarzer
Hund mit feurigglühenden Augen und verwehrt
jedem den Eintritt.
Einmal im Jahr, und zwar am hl. Karfreitag, öffnet
sich der Berg für wenige Minuten. Es ist die Zeit,
wo in der Pfarrkirche zu Rosenthal das hl. Kreuz
verehrt wird. Wer die verborgenen Schätze holen
will, muß diese kurze Zeit nutzen. Er muß aber
ein großes Holzkreuz mitnehmen und damit den
Hund von seinem Lager stoßen, der sich dann in
eine Ecke verkriecht. Das Holzkreuz muß die
Länge und Breite haben wie der betreffende Mann,
wenn er sich hinstellt und die Arme ausbreitet.
Ganz schnell muß er von den Schätzen zusammen-
raffen und sich eilig wieder ans Tageslicht begeben,
damit sich der Berg nicht über ihm schließt.
Vor vielen Jahren hat ein Müllerbursche aus
der Feldmühle an einem Karfreitag versucht, den
Schatz zu holen. Er ist ganz blaß und verstört
ohne den Schatz zurückgekommen. Er hat nie
darüber gesprochen und ist bald darauf gestorben.
So blieb es ein Geheimnis, welches er mit ins Grab
genommen hat.
– 152 –
e) Die Sage vom Feierobend
Vom Dreitannenberg aus zieht sich ein Bergrücken
links an Seitendorf herab. Die höchste Erhebung
liegt genau der Burgruine Schnallenstein gegenüber
und wurde zu alten Zeiten als "Feuer-Amt" benutzt.
Davon ist wahrscheinlich der Name Feierobend abge-
leitet.
Der Sage nach, hat sich folgende Begebenheit zuge-
tragen. Ein Bauer, der es sonst nicht mit der Arbeit
so eilig hatte, war an einem Sonnabend-Abend noch
nach dem Abendläuten an seinem Heu und setzte es
in Schober. Er war ganz allein an der Arbeit, denn
die anderen Bauern hatten längst Feierabend gemacht.
Da rief auf einmal eine kräftige Frauenstimme von
der Burgruine herüber: "Feierobend!" Doch der Bauer
störte sich nicht daran und schoberte sein Heu
weiter. Noch zweimal erklang der Ruf – aber der
Bauer ging erst nach Hause, als alles Heu in
Schobern stand. Am folgenden Sonntagmorgen war
er nicht schlecht erstaunt, daß alles Heu, was er
nach dem Abendläuten geschobert hatte, wieder
zerstreut war. Das brachte dem Bauern die Schaden-
freude und den Spott der Nachbarn ein. Von nun
an bemühte er sich, seine Zeit besser einzuteilen
und mit seiner Arbeit früher zu beginnen. Seitdem
heißt der Berg: "Feierobend" und das bis auf den
heutigen Tag.
– 153 –
f) Die Sage von den Salzlöchern
(nach Gerhard Bartsch)
Vor langen Zeiten stand im jetzigen Höllengrund
zwischen Seitendorf und Rosenthal ein wunder-
schönes Schloß. Es war erbaut aus weißem Marmor
und Alabaster, das Dach war aus purem Gold und
die Fenster aus durchsichtigem Bergkristall.
Noch viel schöner war der große Park, der sich
rings um das Schloß über den ganzen Höllengrund
erstreckte. Er bestand aus uralten Bäumen,
Laubengängen und zahlreichen Wassern. In den
hellen Mondnächten des Sommers tanzten auf den
Seerosenblüten, die auf den vielen Weihern wuchsen,
die Elfen und Wassernixen ihre anmutigen Reigen.
In dem Schloß lebte eine Prinzessin, namens Narzissa.
Sie war verlobt mit dem düsteren Riesen Gol, der
auf dem Schwarzen Berg ein gigantisches Haus erbaut
hatte. In dem großen Haus war es unfreundlich und
ungemütlich, und so war der Riese selbst auch.
Der Vater der Prinzessin, der König Glubos, hatte
ihm Narzissa zur Frau versprochen, und der unge-
schlachte Riese wachte eifersüchtig über seine Braut.
Sie aber konnte den finsteren Mann gar nicht leiden.
Weil es so einsam war im Höllengrund, hatte sie
die Sprache der Vögel erlernt. Sie spielte mit den
Tieren des Waldes, und diese waren ganz zahm,
sobald sie in ihre Nähe kam. In den Laubengängen
des gegen Sonnenuntergang gelegenen Berges befand
sich eine wunderschöne Grotte, die ihresgleichen
im ganzen Glatzer Lande nicht zu finden war.
Dort verweilte Narzissa oft und lauschte den lieblichen
Tönen, die der Wind der Harfe entlockte, die in der
– 154 –
Kuppel der Grotte hing. Eines Tages trat plötzlich
ein junger Mann in Jägerkleidung vor sie hin.
Er sagte: "Ich wandere schon tagelang durch die
Wälder und kann mich nicht zurechtfinden.“
Narzissa erschrak heftig, denn ihr Vater hatte ihr
verboten, mit einem Menschen zu sprechen und bedrohte
jeden mit dem Tode, der es wagte, sich seiner Tochter
zu nähern. Sie sagte: "Geht schnell wieder fort.
Ich bin Narzissa, die Tochter des Königs Glubos.
Wenn Euch mein Vater sieht, müßt Ihr sterben."
"Mit Sterben hat es noch lange Zeit, schöne
Prinzessin," lachte der Jäger, "ich bin jung und
stark und kann mich verteidigen." Ein nie gekanntes
Gefühl drang in ihr Herz, sie raffte ihre Kleider
zusammen und lief davon. Sie fand in der Nacht
keinen richtigen Schlaf und träumte dunkle, ver-
worrene Geschichten von einem großen Glück, das
ihr bevorstand und von einem nahen Tode. Am anderen
Tage ging Narzissa wieder zu der Stelle im Park,
wo sie tags zuvor den Fremden gesehen hatte.
Es dauerte nicht lange, kam dieser wieder aus dem
Wald heraus. Als er sie sah, strahlte er vor Freude.
"So habe ich also doch das Glück, Euch wiederzusehen,“
rief er und drückte freudig erregt ihre Hände. "Die
ganze Nacht habe ich im Wald verbracht, um Euch noch
einmal zu sehen, ehe ich für immer scheide."
Narzissa war tief bewegt, und ihr Blick verriet ihm,
daß auch Sie ihn liebt. Er nahm sie in die Arme und
küßte sie. Allabendlich, wenn die Nacht über die
Pfarrkoppe stieg und es im Höllengrund dunkel wurde,
kam der Jüngling durch ein Geheimpförtchen zu
Narzissa. So verging eine schöne Zeit. Doch eines Tages
erfuhr Gol, daß seine Braut zu einem geheimnisvollen
– 155 –
Fremden in Liebe entbrannt sei. Er schlich sich
des nachts herbei und bemerkte, daß die Liebenden
aneinandergeschmiegt in der Grotte weilten.
Wutschnaubend und zornentbrannt riß der Riese
mehrere Bäume aus und zertrümmerte das Dach der
Grotte und stieß die Mauern ein. In ihrer Todes-
angst hielten sich die Beiden engumschlungen
und fanden so den Tod unter den zusammenstürzenden
Steinmassen. Der rachsüchtige Riese hörte nicht
eher auf mit seinem Zerstörungswerk, bis kein
Stein mehr auf dem anderen geblieben war.
Das prächtige Schloß versank mitsamt der Grotte
und erstarrte zu einem mächtigen Salzblock, und
der herrliche Park verging in der Wildnis.
Viele Jahre vergingen – es kamen Leute aus anderen
Gegenden ins Glatzer Land und schufen aus einer
rauen Waldgegend blühende Feldfluren. Doch der
Höllengrund ist bis zum heutigen Tage ein geheimnis-
volles und verträumtes Tal zwischen Bergen und
Wäldern geblieben. Dort finden wir noch die Uber-
reste und den Eingang zu der zerstörten Grotte –
„Die Salzlöcher". Auf dem Grunde der Salzlöcher
schlafen Narzissa und der Jäger, die um der Liebe
willen sterben mußten. Das Tal aber bekam den
Namen "Höllengrund", weil dort der Riese vom
Schwarzen Berg wie die Hölle getobt hatte.
– 156 –
Mei Därfla
S’leit eia Barga a Puschdärfla kläin,
kai Mensch tut’s kam kenna,
kai Mensch dernoch fre’n.
Dat been ich derhaime, getreulich behutt,
mei Därfla, mei ainziges, wie bin ich dir gutt!
Ganz doba om Pusche a Häusla noch steht,
schier datt wo der Waig ei a Himmel nei geht.
Für doas kloppt mei Haze ein kendlicher Glutt,
mei Därfla, mei ainziges, wie bin ich dir gutt!
S’hoat mir schon mancher die Froge gestellt,
wo mir’s off der Welt a oam besta gefällt.
Doo hopp’s ich, doo spreng ich, doo schweng
ich menn Hutt,
mei Därfla, mei ainziges, wie bin ich dir gutt!
Robert Karger
– 157 –
BILD
Schulbilder
BILD
Die Geburtsjahrgänge 1906 – 14
BILD
Die Geburtsjahrgänge 1915 – 23
BILD
Die Geburtsjahrgänge 1920 – 28
Namen und Herkunft der Seitendorfer Familien
soweit bekannt und ohne Gewähr
Familien Bernhart: |
|
zuerst erwähnt um |
1580 – 1605 |
|
Valentin Bernhart |
1615 – 1640 |
|
Nickel Bernhart |
1641 – 1670 |
|
Michel Bernhart
|
|
|
Ein Zweig der Familie Bernhart ist lückenlos urkundlich nach- gewiesen seit |
1674 – 1960 |
|
Georg Bernhart I Georg Bernhart II Josef Bernhart Thaddäus Bernhart Franz Bernhart Alfred Bernhart |
|
|
|
Familien Boese: |
|
|
seit 1804 |
|
Die Familie Boese ist aus Neundorf von der Schölzerei (Freirichterei) gekunnen. Die Boeses sollen aus einem verarmten Adelsgeschlecht mit Sitz im Saargebiet stammen. Vorhandene Urkunden sind leider verloren gegangen. |
1666 – 1683 |
|
Ein Georg Boese var von Freirichter von Rosenthal, ein Sohn des Freirichters Christoph’Boese aus Ebersdorf. |
|
|
|
Familien Gebhardt: |
|
alteingesessen |
|
|
|
1631 – 1636 |
|
Zacharias Benedikt Gebhardt Freirichter in Rosenthal. |
seit ? |
|
Josef Gebhardt Johann Gebhardt Alois Gebhardt *) Franz
Gebhardt *) |
– 1940 |
|
Franz Gebhardt (Stein) |
|
|
|
Familien Franke: |
|
alteingesessen, wahrscheinliche Vorfahren um |
1624 |
|
Merten Franke (Geburt eines Sohnes) Merten Franke war herrschaftlicher Förster, Pate, Trauzeuge in Seitendorf und Lehrer in Lichtenwalde. |
|
|
|
1633 |
|
Michael
Franke, an der Feldmühle |
|
|
|
Familien Eltner: |
|
alteingesessen, um |
|
|
|
1737 – 1783 |
|
Eltner, als Justitiarius von Althann eingesetzt auf dem 2. Hof über der Kirche. |
1792 |
|
schenkte
Gemeindeältester und Bauer Eltner |
|
|
|
Familien Hauck: |
|
erstmals erwähnt um |
|
|
|
1730 |
|
Johann Josef Hauck, geboren in Seitendorf als junger Bauernsohn Waldaufseher bei von Althann, später Wirtschaftsdirektor, heiratet die Freirichterwitwe Rupprecht in Rosenthal, war dadurch von |
1765 – 1784 |
|
Freirichter in Rosenthal, baute in den 1760iger Jahren die herrschaftliche Brauerei, welche am 1. Januar 1770 eröffnet wurde. Die Erben des Johann Josef Hauck verkauften die Rosenthaler Freirichterei an die Herrschaft Schnallenstein (Freiherr von Stillfried) kamen im Jahre |
1796 |
|
wahrscheinlich wieder nach Seitendorf. Es dürfte sich um Vorfahren der Familie Hauck handeln, denn ein Hauck kaufte um |
1800 |
|
in Seitendorf einen Hof von einem Winge. |
|
|
|
Familien Rupprecht: |
|
alteingesessen |
|
|
|
1638 |
|
Georg Rupprecht (sein dreijähriges Kind verbrannte) . |
1738 |
|
Franz Nikolaus Rupprecht Freirichter in Marienthal |
1738 – 1764 |
|
sein Sohn Johann Josef Rupprecht, _ Freirichter in Rosenthal (seine Witwe heiratete Hauck, wie schon beschrieben) |
1768 – 1800 |
|
Franz Nikolaus Rupprecht *) |
1321 – 1847 |
|
Carl Rupprecht *)
*) beide Freilichter in Marienthal |
|
|
|
Familie Kolbe: |
|
|
|
|
|
um 1900 |
|
zugezogen aus Bobischau |
|
|
|
Familie Spanel: |
|
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|
|
um 1820 – 30 |
|
nachweisbar |
|
|
|
Familie Steiner: |
|
|
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|
1910 |
|
zugezogen aus Ebersdorf |
|
|
|
Familie Vogel: |
|
|
|
|
|
um 1860 |
|
bekannt |
|
|
|
Familie Kober: |
|
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|
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1820 |
|
zugezogen aus dem Kreis Glatz |
|
|
|
Familie Winge: |
|
|
|
|
|
1744 |
|
ist ein Hanß Winge, Sohn des Bauern Josef Winge Trauzeuge bei der Hochzeit des Geörge Bannerth (lt. Abschrift der Trauungsurkunde) |
|
|
|
Familie Katzer-Goldmann: |
|
|
|
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|
18?? |
|
stammten aus Lichtenwalde |
|
|
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|
|
Familie Lesak: |
|
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|
1917 |
|
zugezogen aus Urnitz |
|
|
|
Familien Weigang: |
|
|
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1800 – 1821 |
|
ist ein Weigang in Marienthal erwähnt (Freirichterei), staunen wahrscheinlich aus Schreibendorf oder Bobischau. |
|
|
|
Familien Grond: |
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|
seit 1840 – 50 |
|
bekannt |
|
|
|
Familie Beck: |
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Seit 1840 – 50 |
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bekannt. Wahrscheinlich zugezogen ~ aus dem Kreis Glatz / Neurode (Albendorf) |
|
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|
Familien Prause: |
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um 1890 – 1900 |
|
zugezogen aus Neuweistritz (Freirichterei) |
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|
Familie Stein: |
|
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Seit 1824 |
|
in Seitendorf ansässig, stammt aus Ullersdorf |
|
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|
Familie Pohl: |
|
|
|
|
|
Seit 1850 |
|
bekannt |
|
|
|
|
|
|
Nachtrag II
Die Freirichter von Seitendorf
? |
– |
1552 |
|
Valentin Wender oder Wendler. Er verkaufte sein Freirichtergut an |
1552 |
– |
? |
|
Mathaens Urban. Dieser besaß das Gut noch im Jahre 1571. |
? |
– |
1600 |
|
Peter Fritsche, der das Gut mit einer Mehl- und einer Brettmühle an seinen Sohn |
1600 |
– |
1624 |
|
Hans Fritsche für 1.400 Schock verkaufte. Wegen seiner Teilnahme an der böhmischen Rebellion (Anhänger des Winterkönigs von 1618-22) mußten seine Erben 266 Schock Strafgelder bezahlen. |
1625 |
– |
1650 |
|
Simon Fritsche |
1650 |
|
1683 |
|
Heinrich Fritsche |
1684 |
– |
1709 |
|
Heinrich Fritsche, welcher das Frei- richtergut im Jahre 1709 dem Gatten seiner Stieftochter Dorothea verkaufte |
1709 |
– |
1753 |
|
Michael Miller (auch Mildner und Müldner geschrieben) |
1753 |
– |
1769 |
|
Ignaz Müldner. Bei seinem Tode waren seine drei Söhne noch nicht großjährig. Daher wurde nach einem Vertrag vom 26.12.1770 |
1770 |
– |
1786 |
|
Georg Rother (Rotter), der die Witwe des
Ignaz Müldner geheiratet hatte, erklärung des Thaddäus Müldner (Rother erwarb später das Dominium Schönau bei Landeck). |
1786 |
– |
1825 |
|
Thaddäus Müldner erwarb das Gut von seinen Miterben für 900 Gulden, zweigte ein größeres Ackerstück vom Gut ab und verkaufte das Hauptgut seinem Sohne |
1825 |
– |
1845 |
|
Ignaz Müldner für 10.000 Gulden. Infolge von Unfällen und Mißernten sah er sich gezwungen, einen Teil des Gutes zu verkaufen. Ab 1845 folgten in schnellem Wechsel fünf verschiedene Besitzer der „Freirichterei". Die letzten Besitzer Ernst Tietz und dessen Ehefrau Elisabeth geb. Weber (sie stammten aus der Gegend um Breslau), dismembrierten sie im Jahre 1853 vollständig.
Die fünf Besitzer waren: |
1845 |
– |
1946 |
|
Wilhelm Rüppel |
1946 |
– |
1848 |
|
Johann Kappel |
1848 |
– |
1850 |
|
Baron Felix von Strachwitz |
1850 |
– |
1852 |
|
Ferdinand Scholz und Christian Beyer |
1852 |
– |
1853 |
|
Ernst Tietz und Ehefrau |
Namen zur Skizze von Seitendorf
1 |
Müller, Erwin |
2 |
Bernhart, Alfred I |
3 |
Bernhart, Franz I |
4 |
Boese, Richard |
6 |
Dr.Bandmann |
7 |
Gebhard, Robert |
8 |
Scholz, Albert |
10 |
Strecke, Ernst, jun. |
11 |
Grond, Josef |
12 |
Hauck, Franz I |
13 |
Locker, Robert |
14 |
Steiner, August |
15 |
Steiner (Koberhaus) |
16 |
Hantke, Walter |
17 |
Franke, August I |
18 |
Hauck, Franz II |
19 |
Goldmann, Wilhelm |
20 |
Frau Lesak |
20a |
Geschwister Eltner |
21 |
Vogel, Robert |
22 |
Hauck, Franz III |
23 |
Hoffmann, Anna |
24 |
Boese, Robert |
25 |
Boese, Ernst |
26 |
Simon (Brauerei) |
27 |
Franke, August II |
28 |
Gebhardt Rob. (Alois) |
29 |
Boese, Hermann |
30 |
Weigang, Ernst |
30a |
Franke, August I |
31 |
Eltner, Richard |
32 |
Weigang, Aug. (Tschimmel) |
33 |
Schule |
34 |
Prause, Josef |
35 |
Teuber, Franz |
36 |
Grond, Gustav |
37 |
Strecke, Anna |
38 |
Prause, Michael |
39 |
Prause, Ernst |
40 |
Weigang (Scheune) |
41 |
Strecke, Robert |
42 |
Stein, Franz |
45 |
Pohl, Alfred |
48 |
Gemeindehaus |
50 |
Hein, Josef |
51 |
Jestel, Josef |
52 |
Teuber, Franz |
53 |
Heidrich, Bruno |
43 |
Stein, Franz |
54 |
Otto, Alfred |
55 |
Urban, Hildegard |
56 |
Jung, Max |
57 |
Beck (Schmiede) |
58 |
Bernhart, Ernst |
59 |
Stein, Alfons |
60 |
Simon, Friedrich |
61 |
Bernhart, Paul |
62 |
Bernhart, Josef |
63 |
Spanel (Hoffmannhaus) |
64 |
Spanel, Franz |
65 |
Kolbe, Friedrich |
66 |
Peucker, Alfred |
67 |
Otto, Josef |
68 |
Strecke, Ernst |
69 |
Wendler (Fuchswinkel) |
70 |
von Arnim |
71 |
Urban Paul |
72 |
Bernhart, Alfred II |
73 |
Eltner, Bertha u. Hedwig |