Online Version – Seitendorf

 

 

Erinnerung

Es gibt ein Glück, das wir allzeit tief

im Herzen tragen, das uns treu bleibt im

Kampf und Sturm des Tages und das als

freundlicher Sonnenstrahl mild hereinblickt

in den Herbst und Winter unseres Lebens:

Es ist die Erinnerung an die Heimat,

verwoben mit dem Traum einer glücklichen,

sorglosen Kindheit.

 

 

 

 

 

Quellennachweis

 

Die geschichtlichen Beiträge in der Zeit

bis zum Jahre 1830 sind dem Büchlein

 

„Die Geschichte der Pfarrei Rosenthal“

 

von Maximilian Tschitschke

 

entnommen.

 

Inhaltsverzeichnis

 

 

Zum Geleit

 

11

Vorwort

 

13

 

Die Geschichte der Gemeinde Seitendorf

 

I.

Frühe Spuren – Erste Besiedlung

17

II.

Neubesiedlung im 16. Jahrhundert

27

III.

Die Freirichter

29

IV.

Seitendorf – Kontroversen mit dem Kaiser in Wien und den Grundherren in Böhmen

30

V.

Seitendorf als Gemeinde

31

VI.

Der Dreißigjährige Krieg (1618-48)

32

VII. a)

Kirchliches

40

VII. b)

Küster und Schule
Verzeichnis der Pfarrer von Rosenthal

44

VIII.

Geschichte unserer Gemeinde zur Zeit

Friedrich des Großen

49

IX.

Unsere Heimat zur Zeit der preußisch-

napoleonischen Kriege (1806-07/1813-15)

70

X.

Seitendorf während der 2. Hälfte des

19. Jahrhunderts und der 1. Hälfte des

20. Jahrhunderts

79

XI.

Die Lehrer von Seitendorf

86

XII.

Gemeinde, Kirche und Schule in der Zeit

vor dem 1. Weltkrieg bis nach dem

2. Weltkrieg bzw. bis zur Vertreibung

87

XII. a)

Die Gefallenen und Vermißten der

beiden Weltkriege

107

XII. b)

Hausnummern, Häuser und Grundstücke

unseres Dorfes

113

XIII.

Seitendorf – unsere Heimat

a) Eine Wanderung durch das Dorf

119

 

b) Das Leben in unserem Dorf

130

XIV.

Sagen der Heimat

a) Wie das Burgfräulein vom

Schnallenstein verzaubert wurde

148

 

 

 

XIV.

b) Wie Enede erlöst werden sollte

149

 

c) Wie Enede zum zweiten Mal nicht

erlöst wurde

150

 

d) Der Schatz im Schnallenstein

152

 

e) Die Sage vom Feierobend

153

 

f) Die Sage von den Salzlöchern

154

 

 

 

 

Nachtrag I

Namen und Herkunft der Seitendorfer

Familien

161

 

 

 

 

Nachtrag II

Die Freirichter von Seitendorf

167

 

Skizze

171

 

 

 

 

Kartenblatt

172

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

DIE GESCHICHTE DER GEMEINDE SEITENDORF

 

 

 

 

Mein Kirchlein auf dem Hügel in Sonne und Wind,

Dich grüß‘ ich von Ferne – in Dir ward ich zu Gottes Kind.

Als Knabe kniet‘ kindlich-fromm ich am Altare vorn,

als Bauer bat ich den Herrgott dort um Flachs

und Korn.

 

In dem heiligen Raum, bei Glocken- und Orgelklang,

reichte ich meiner Braut zum Lebensbund die Hand.

 

Wir trugen zum Kirchlein manch‘ Leid und Erdenschmerz –

wer hat nicht erfahren, daß dort leichter wurd‘ das Herz? –

 

Und neben dem Kirchlein – liegt der Acker – das Feld,

was der Herr mit dem Tod alleine bestellt.

Dort ruhen meine Ahnen seit Gedenken sich aus –

doch mir ist verwehrt dieses letzte Haus. –

Drum Kirchlein auf dem Hügel, in der Zeiten Wind,

halte Wacht, bis Deine Kinder einst wieder bei Dir sind!

 

 

 

 

Grafik

Zum Geleit

 

 

Dem Büchlein sei ein Gedicht von Felix Dahn

vorangestellt. In ihm ist alles so treffend und

innig ausgedrückt, was bei dem Begriff "Heimat"

das Herz erfüllt und bewegt – aber leider auch das,

was uns nicht mehr vergönnt ist, was nicht mehr

sein kann.

 

 

Heimat

 

 

Den Raum, den du gewachsen bist,

den halte hoch und wert.

Dein Glück und Dein Gedeihen ist

nur an der Heimat Herd.

 

O Heil dem Mann, der wohnen kann

wo seine Wiege stand.

Da sieht ihn alles freundlich an

was ihn als Kind gekannt.

 

Das Brünnlein und der Gartenzaun,

der Nußbaum auf dem Plan

mit treuen Augen auf ihn schaun’n

als alter Spielkumpan.

 

Hausgeister hüpfen rings um ihn

sein Schutzgeleit zu sein,

und jede Straße grüßet ihn,

ihm redet jeder Stein.

 

Und wem die Welt ins Herz gezielt,

Heil, wer nach Haus entrann.

Die Scholle, drauf das Kind gespielt –

die heilt den wunden Mann.

 

 

 

Vorwort

 

Im Sommer 1978 besuchte ich mit meiner Familie

die Grafschaft Glatz. Unser vorrangiges Ziel

war Seitendorf, unser Heimatdorf. Zutiefst waren

wir betroffen über den Niedergang dieser einst

so blühenden Landgemeinde. Wohl konnten wir uns

an der schönen Landschaft erfreuen, denn sie

war die alte geblieben. Doch gleichzeitig kam

uns um so deutlicher und schmerzlicher zu Bewußtsein,

was wir verloren hatten. Nach unserer

Rückkehr brauchten wir viele Wochen, ja Monate,

um die unguten Gefühle und Eindrücke zu bewältigen.

Weil wir die Überzeugung gewonnen hatten, daß

in nicht mehr allzu ferner Zeit unsere Heimat-

gemeinde von der Landkarte verschwinden wird,

bedingt durch die dort herrschende Mißwirtschaft

und die ungünstige Lage im Grenzgebiet zur

Tschechoslowakei, reifte der Entschluß, eine

kleine Chronik über meinen Heimatort Seitendorf

zu erstellen, damit er nicht ganz in Vergessen-

heit versinkt.

 

Leider kommt das Büchlein sehr spät heraus. Es

war für meine Angehörigen und mich nach fast

40 Jahren Vertreibung nicht leicht, das erforder-

liche Material zusammenzutragen. Dank an alle,

die mir dabei geholfen haben: Herr Richard Eltner,

Herr Franz Stein, Frau Klara Kintscher und Frau

Maria Unkelbach konnten mir wertvolle Beiträge

liefern und Bildmaterial zur Verfügung stellen.

Ganz besonders aber danke ich Fräulein Martha Eltner –

sie konnte durch ihre "mündliche Überlieferung"

 

 

 

noch vieles aufhellen, was schon im Dunkel

der Dorfgeschichte lag.

 

 

Ich möchte das Büchlein den Alten wie den Jungen

widmen. Den Alten möge es eine liebe Erinnerung

an die unvergessene, geliebte Heimat sein,

die sie doch bis an ihr Ende im Herzen tragen,

den Jungen aber möge es eine Hilfe sein, wenn

sie nach den Wurzeln ihrer Herkunft suchen und

darin einiges finden können, was auch in ihren

Herzen die Treue und Verbundenheit zu der Heimat

ihrer Vorfahren lebendig erhalten kann.

 

 

Berta Beck

 

 

 

 

 

 

Weeze, im Juli 1985

 

 

 

 

Das Haus

 

 

Betritt nicht die Schwelle!

Rings wuchern Distel und Dorn.

Vor blinden Fenstern trübt sich dein Blick.

Schweigend lastet das Dach

auf brüchigen Mauern.

Wen mag es hüten?

 

Dein Gut hat sich

in Fremdes verkehrt

und steht gegen dich.

Betritt nicht die Schwelle!

Aus dem geborstenen Stein

quillt giftiges Kraut,

das lähmt den Herzschlag,

wenn du es berührst.

 

 

 

 

Monika Taubitz

 

 

 

 

DIE GESCHICHTE DER GEMEINDE SEITENDORF

 

 

I. Frühe Spuren – Erste Besiedlung

 

 

Im südlichen Teil des Habelschwerdter Kammes,

ungefähr 12 – 15 km vom Paß von Mittelwalde

entfernt, liegt an den Hängen des Schwarzen

Berges und des Dreitannenberges Seitendorf –

eine kleine Landgemeinde des Kreises Habel-

schwerdt, 854 ha groß.

 

Das Dorf wird zum ersten Mal um das Jahr 1358

erwähnt und mit Sybotendorf bezeichnet, um

das Jahr 1411 Seybittendorf und ab 1560 Seiten-

dorf genannt. Wahrscheinlich handelt es sich

bei dem Namen Sybot oder Seybitt um den Namen

des Anführers der ersten Siedler.

 

Die Geschichte des Dorfes ist eng mit der

Geschichte der Burg Schnallenstein, die am

Eingang des Dorfes liegt, verbunden. Um diese

alte Burg bildeten sich die ersten Ansiedlungen,

die den jeweiligen Burgherren untertan waren.

 

Die „Schnallenstein" ist die besterhaltenste

Ruine der Glatzer Burgen, gelegen in der oberen

Grafschaft. Hoch auf einem felsigen Bergrücken,

 

 

 

einem Ausläufer des Schwarzen Berges, liegt in

wildromantischer Gegend 487 m über dem Meeres-

spiegel, das alte Gemäuer der Burg Schnallenstein.

Am Fuße des Burgberges vereinigen sich das

Seitendorfer Wasser und das "Höllenflössel“,

zwei Bäche, zur Schnalz, die über Jahrhunderte

hinweg an ihrem Lauf mehrere Wassermühlen

antrieb. Hier liegt auch das Vorwerk der Burg

(Stumpf’s Gut in Rosenthal).

 

Die Erbauung der Burg fällt wahrscheinlich in

die Kriegswirren zwischen Polen und Böhmen in

die Zeit von 1002 – 1137, die sich auch im

Glatzer Land abspielten. Sie ist als Schutz-

burg erbaut worden, wie "die Karpenstein" bei

Landeck und das Hummelschloß bei Lewin. Eine

alte Heer- und Handelsstraße führte von Mähren

über die Grafschaft Glatz nach Böhmen an

Karpenstein und Schnallenstein vorbei nach

Pottenstein in Böhmen.

 

In alter Zeit wurden von der Schnallenstein

Feuerzeichen gegeben, die den herannahenden

Feind ankündigten, damit sich die Bevölkerung

in die umliegenden Wälder in Sicherheit bringen

konnte. Der der Burg gegenüberliegende Berg

mit der Sicht ins Neißetal heißt heute noch

"Feierobend" *), abgeleitet von Feueramt, von

ihm wurden die Feuerzeichen gegeben. Noch

während des Dreißigjährigen Krieges sind von

 

 

 

*) Die Sage vom "Feierobend" beschreibt eine

andere Begebenheit

 

diesem Berge aus über Habelschwerdt und

Grafenort nach Glatz Feuersignale gegeben

worden.

Im frühen Mittelalter galt Glatz als Schlüssel

für die Polen zu Böhmen und Mähren und den

Böhmen in umgekehrter Weise zu Polen.

Wahrscheinlich erfolgte die erste Kolonisation

von Rosenthal und Seitendorf durch Brezislaus I

(um 1055) als eine tschechische militärische

Ansiedlung. Die Ansiedler hatten das Land

gegen feindliche Einfälle zu schützen.

 

Unter der Regierung des Königs Ottokar II von

Böhmen (1253 – 1278) begann die Germanisierung

des Landes durch Einwanderer aus Mitteldeutschland

und Franken. Auch deutsches Recht und deutsche

Verwaltung wurden um das Jahr 1264 eingeführt.

Das Werk von Ottokar II setzten die Könige

Wenzel II und Johann v. Böhmen, sowie die auf

Lebenszeit belehnten schlesischen Herzöge

Heinrich IV von Breslau und Bolko II von

Fürstenberg-Münsterberg fort, abgeschlossen wurde

es unter Karl IV.

Die Germanisierung war mit der Übertragung des

deutschen Rechtes auf alle Bewohner des Landes

um 1350 durchgeführt. Damit war auch das Ende der

Hörigkeit der tschechischen Bevölkerung einge-

treten. In diese Zeit fällt auch die Umwandlung

des Namens Snellinsteyn in Schnallenstein. Die

Bedeutung des Namens ist nicht genau bekannt.

 

 

Die eine Annahme ist, daß man den steil

abfallenden Felsen, auf dem die Burg erbaut

ist, so genannt hat, oder man meint den schnell

herabeilenden Seitendorfer Dorfbach, der unter-

halb der Burg zur Schnalz wird (schnelle Steine,

Snellinsteyn, Schnallenstein). Die andere

Deutung weist auf das Wappen der Herren von

Schnallenstein, in dem sich eine Schnalle

befunden haben soll. Ein solches Wappenschild

ist aber nicht bekannt.

Die ehemals tschechischen Ansiedlungen Rosenthal

und Seitendorf erhielten ihre deutschen Ortsnamen

höchstwahrscheinlich von einem Ritter von Glaubitz,

der um das Jahr 1300 in den Besitz dieses Gebietes

mit der Burg Schnallenstein gelangte. Dafür

spricht der Umstand, daß im Kreise Frankenstein,

aus dem das Geschlecht der Glaubitz nachweislich

einwanderte, ein Dorf Seitendorf heißt und ein

anderes, Rosenbach genannt, sehr an Rosenthal

erinnert. Die beiden Dörfer hatten schon bald einen

Seelsorger. Der erste bekannte Pfarrer, Nikolaus

Neumann, wurde im Jahre 1318 auf grausame Weise

ermordet.

Am 20. April 1294 schenkte König Wenzel von Prag

seine Stadt Mittelwalde samt Zubehör dem Kloster

Kamenz. Dazu muß auch die Burg Schnallenstein

gehört haben. Es steht fest, daß schon vor dem

Jahre 1318 Mittelwalde – Schnallenstein in die

Hände des Ritters Otto von Glaubitz überging, der

sich in dem Kauf eines Allods (Freigut) zu Gallenau

 

 

 

durch das Kloster Kamenz (1323) „Herr von

Mittelwalde und Gallenau“ nennt.

 

Das Geschlecht der Glaubitz, auch Glubos ge-

schrieben, entstammt dem Meißener Uradel, Otto

von Glaubitz erscheint als Glatzer Ritter zum

ersten Mal am 5. Januar 1316. Als Besitzer von

Gallenau und Kamenz muß er von den Zisterziensern

des Klosters Kamenz die Herrschaft Mittelwalde –

Schnallenstein gekauft oder als Lehen erhalten

haben. Das Geschlecht der Glaubitz gehörte bald

zu dem begütertsten Adel in der Grafschaft. Den

verschiedenen Seitenlinien gehörten ein großer

Anteil der Rittersitze und Liegenschaften, wie

Karpenstein, Niederschwedeldorf, Rückers und

Wallisfurth.

Im Jahre 1318 wurde die Burg Schnallenstein von

böhmischen Raubrittern Überfallen, ausgeraubt

und angezündet. Zu diesem Überfall ist folgender

Bericht überliefert:

Wegen des zwischen dem Kaiser, als Besitzer der

Herrschaft Schnallenstein und den benachbarten

böhmischen Grundherren ausgebrochenen Grenz-

streites im 16. Jahrhundert waren im Jahre 1559

mehrere Zeugen aus Ebersdorf, Rosenthal,

Verlorenwasser, Glasdorf und Seitendorf vor das

königliche Kammergericht in Prag geladen worden.

Vor diesem erklärte Mathes Urban, Freirichter in

Seitendorf: "Ich hörte öfters von meinem Großvater,

dieser war seines Alters 108 Jahre, und der hörte

es von seinem Großvater, daß ein Herr auf Schnallen-

stein war, namens Glaubitz, und der ritt nach Glatz.

 

 

Und es war unter ihm ein Gärtner, der das Schloß

verraten. Und es schickte die Schloßherrin früh

Fischer an die Erlitz. Da kamen Herren aus

Böhmen geritten, nahmen die Fischer gefangen,

marschierten weiter und zündeten einen Hof in

Seitendorf an. Nun zogen die böhmischen Herren

die Fischer aus und ließen ihre Leute die Fischer-

kleidung anziehen und schickten sie hinauf, daß

sie das Schloß nehmen sollten. Es war aber da

ein Pfarrer, Neumann genannt, der Priester

Nikolaus, der die Zugbrücke aufzog und sie

nicht herein ließ. Doch sie gelangten durch

Verrat des Gärtners durch ein Pförtchen in das

Schloß, warfen den Pfarrer auf einen Felsblock

hinunter, luden die Schloßherrin auf einen

Wagen und ließen sie wegführen. Und als dem

Schloßherren die Nachricht gekommen, daß das

Schloß belagert sei, ritt er nach Habelschwerdt

auf die hohe Warte*). Und sie hatten das Schloß

angezündet. Da sagte er: "Kehren wir um, es ist

ja schon angezündet". So hörte es mein Groß-

vater von dem seinen und dieser war 110 Jahre

alt".

 

Diese Nachricht von dem Überfall auf die

Burg Schnallenstein findet Bestätigung durch

Sladek und Liebscher in dem Werk „Burgen und

Schlösser in Böhmen". Dort heißt es unter Rokitnitz:

Im Jahre 1318 verwüsteten Raubritter, unter ihnen

Jeschek Quischlan, Ulrich und Hironymus von

Rychenberg (Rehberg bei Reichenau), durch Plünderung

und Brandschatzung die böhmischen Orte Petschin

und Rokitnitz und zündeten dann zwei Höfe und

das Schloß in Seitendorf an. Dieselben wurden dann

 

*) Florianberg

 

 

 

 

zur Verantwortung nach Prag geladen. Drei von

ihnen wurden eingekerkert, die von Rychenberg

konnten die Strafe durch Geld sühnen.

Als Nachfolger des Otto von Glaubitz wird sein

Sohn Otto der Schüler genannt. Nach seinem Tode

um das Jahr 1400 fiel die Burg und Herrschaft

Schnallenstein an seine drei Söhne Bernhard,

Georg und Nikolaus. Bernhard von Schnallenstein

war längere Zeit Unterhauptmann der Grafschaft

Glatz, um 1414 und 1422. Im November des Jahres

1420 vermachte Nikolaus all sein Gut im Lande

Glatz, Haus Snellynstein, Rosenthal, Seybittendorf,

Lichtinwalde, Ebirsdorf, Langenaw, zur Heyde,

zum Rükirs (Rückers) und Swedlerdorf, seinem Bruder

Bernhard, wozu ihn wahrscheinlich die Unruhen

im benachbarten Böhmen bewogen hatten.

 

Im Jahre 1421 fielen die Hussiten zum ersten Mal

bei Mittelwalde in die Grafschaft ein, ohne das

Schnallensteiner Gebiet zu belästigen. Auch

beim zweiten Einfall im Nov. – Dez. 1425 wurde

Schnallenstein verschont. Im März 1428 über-

fluteten mehrere Heerhaufen das Glatzer Land.

Während die erste Abteilung das Hummelschloß

bei Lewin belagerte, plünderte und verbrannte

die andere Mittelwalde und verwüstete auf dem

Weitermarsch nach Glatz alle Dörfer, Kirchen

und Höfe, an denen sie vorüberkam und ermordete,

was sich nicht in den Wäldern versteckt hatte.

 

 

 

Weil die Grenzburgen Karpenstein und Schnallenstein

den Belagerern gefährlich werden konnten, wurden

Sonderabteilungen zur Erstürmung der Schlösser

abgesandt – und beide fielen in die Hände der

Hussiten. Die Burg Schnallenstein, die gut be-

festigt war, wurde von dem gegenüberliegenden Berge

aus (Feierobend) mit Pechkränzen in Brand ge-

schossen. Sie wurde nicht ausgehungert, denn

nach dem Bericht alter Personen sind bei Abbruch-

arbeiten in den vierziger Jahren des 19. Jahrh.

in einem verschütteten Keller größere Mengen

verkohlten Getreides gefunden worden. Da Nikolaus

von Schnallenstein nicht mehr erwähnt wird, ist

anzunehmen, daß er bei der Zerstörung der Burg

den Tod gefunden hat.

Bernhard von Glaubitz, der Herr von Schnallenstein,

entkam, wurde aber im Dezember 1428 in der Hussiten-

schlacht am Roten Berge bei Glatz tödlich ver-

wundet und starb in Glatz, wo man ihm eine

Gedächtniskapelle errichtete.

Gleichzeitig mit der Burg wurden auch Rosenthal

und Seitendorf zerstört. Was dem Schwerte der

Hussiten entging, raffte die im Jahre 1430

herrschende Pest hinweg. Die handschriftliche

Chronik eines Habelschwerdter Bürgers berichtet,

daß Rosenthal und Seitendorf durch Krieg und Pest

verheert wurden und lange Zeit „wüste“ gelegen

hätten.

Die Nachfahren der von Glaubitz zogen sich nach

Niederschlesien und Sachsen zurück und die Herr-

schaft Mittelwalde – Schnallenstein fiel an den

Lehnsherren, den Kaiser, zurück. Durch Kauf oder

 

 

Verpfändung wechselten mehrmals verschiedene

Besitzer in den nachfolgenden Jahrzehnten.

Im Jahre 1538 wird ein Hans von Tschirnhaus

als Besitzer der Herrschaft Schnallenstein

genannt. Er machte sich durch Gewalttätigkeiten

verhaßt und brachte mehrere seiner Untergebenen

ins Gefängnis, einige starben sogar. Er verlor

auch das Vertrauen seines Landesherren, die

Domäne Schnallenstein wurde ihm entzogen.

Die beiden Söhne, David und Michael, behielten

Mittelwalde.

 

Eine alte Sage erzählt vom "Wilden Ritter Jahn

von Mittelwalde" – (es muß sich um den oben-

genannten Hans von Tschirnhaus gehandelt haben).

Der wilde Ritter Jahn wollte gern wieder die

Burg Schnallenstein aufbauen und ritt deshalb

des öfteren nach Seitendorf und dem wüsten

Schloß. Das war ein beschwerlicher Weg. Eines

Tages hatte der wilde Jahn schwer gezecht und

ritt erst spät am Abend nach Hause. Wegen seiner

Trunkenheit fiel er im Höllengrund, den er

Überqueren mußte, vom Pferde. Als er nun hilflos

auf der Erde lag, fing er an, ganz schrecklich

zu fluchen. Er rief den Teufel und versprach

ihm seine Seele, wenn er ihm über die Schlucht

eine Brücke baue. Dieser erschien auch gleich und

schloß seinen Pakt mit dem Ritter. Der Teufel

versprach, in drei Tagen eine Brücke zu bauen,

verlangte aber, dabei von keinem Hahnenschrei

gestört zu werden. Der wilde Jahn versprach es

und schickte am folgenden Tage seine Leute aus,

in Seitendorf und Umgegend alle Hähne zu töten.

Ein altes Mütterchen aber, das in der Feldmühle

 

 

_25_

 

 

am Fuße der Schnallenstein wohnte, konnte ihren

Hahn rechtzeitig in einer dunklen Kammer verbergen,

so daß er am Leben blieb. Nach drei Tagen, um

Mitternacht, ging ein heftiges Gewitter nieder.

Nach mehreren gewaltigen Donnerschlägen kam der

Teufel mit drei mächtigen Steinen an und wollte

mit dem Bau der Brücke beginnen. Auf einmal begann

in der Feldmühle der Hahn zu krähen. Der Teufel

erschrak und ließ die Steine am Höllenfluß fallen,

genau an der Stelle, wo die alte Straße über das

Wasser führt. Dort liegen sie noch heute – die

Teufelssteine.

 

Was bedeuten die drei großen, senkrecht in das

Ufer des Höllenwassers eingelassenen Steine?


Was bedeutet die Inschrift:

 

Grafik

 

 

 

 

 

 

 

 

 

die auf dem einen der Steine eingegraben ist?

Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich

um Grenzsteine. Noch um 1900 trafen an dieser

Stelle die Grenzen von drei Grundstücken zusammen

(Exner/ Rosenthal, Stein/ Seitendorf und das

Schloßgebiet).

 

_26_

 

 

 

 

II. Neubesiedlung im 16. Jahrhundert

 

 

Hundert Jahre schweigt die Geschichte über unsere

Heimat. Im Jahre 1537 werden Oberlangenau und

Rosenthal erwähnt. Die nächsten Nachrichten

lassen Rosenthal und Seitendorf schon als geordnete

Gemeinden erkennen, denn im Jahre 1554 verkauft

Valten Wendler sein Freirichtergut in Seitendorf

an Mathias Urban. Seitendorf bestand im Jahre 1560

aus 21 Höfen und gehörte in kirchlicher Beziehung

zu Oberlangenau, dessen Pfarrer von jedem der

21 Besitzer jährlich 18 Heller erhielt. Der

Pfarrer war protestantisch und verheiratet. Er

wurde später (1624) abgesetzt. Die ersten Ein-

tragungen im Seitendorfer Kirchenbuch: Im Jahre

1624 wurde dem Merten Franke „am Schnallenstein"

ein Sohn geboren. Die Ortsbezeichnung "am

Schnallenstein" findet sich bis 1654.

Ein Sohn des im Jahre 1654 gestorbenen Georg

Bernhart heißt im Oktober 1680 Michael Bernhart

"am Feierobend", später wird er "der Niedere"

genannt. Der erwähnte Merten Franke scheint

königlicher Förster gewesen zu sein und hat auf

der ersten Besitzung unterhalb der Schnallenstein

gewohnt (jetzt Pohl’s Besitzung – Pohl, ursprüng-

lich zugehörig zum Vorwerk der Schnallenstein,

jetzt das Stumpf’sche Gut in Rosenthal). Merten

Franke ist später Schulmeister in Lichtenwalde,

aber öfters Trauzeuge und Pate in Seitendorf.

Das Nachbardorf Peucker ist älter als Seitendorf,

gehörte aber zuerst zu Lichtenwalde. Eine Urkunde

aus dem Jahre 1564 sagt aus, daß der ehrsame

 

 

-27-

 

 

Peter Engelhardt, Vogt zu Habelschwerdt, auf

Befehl des kaiserlichen Amtes der Grafschaft Glatz

mit den Richtern von Verlorenwasser, Lichtenwalde

und Seitendorf „einen richtigen Vertrag gehalten

wegen ihren strittigen Grenzen, sie richtig zu

machen …. und mit Mund und Hand angelobet, was

oben bemeldter Vogt samt seinen Zugethanen zwischen

ihnen erkennen wird.“ Offenbar handelt es sich

hier um die Festsetzung der Grenzen zwischen

Lichtenwalde und Peucker.

 

Der Habelschwerter Chronist berichtet von drei

Verbrechen, die zwischen 1564 und 1600 in

Seitendorf geschehen sind und zeigt auf, wie

das damalige Strafrecht aussah. Im Jahre 1564

wurde in Habelschwerdt eine Frauensperson aus

Seitendorf lebendig begraben, weil sie ihr

neugeborenes Kind getötet und den Schweinen

vorgeworfen hatte. 1574 wurde Adam Hannig aus

Verlorenwasser in Habelschwerdt geköpft, weil

er sich mit des Richters Tochter aus Seitendorf,

mit der er Geschwisterkind (Vetter) war,

vergangen hatte. Das Mädchen wurde gestäupt,

d. h. an den Pranger gestellt, evtl. auch ge-

schlagen. Zwei Jahre später mißhandelte der

Vater dieses Mädchens, der Freirichter Mathias

Urban, den Pfänder von Glatz in Niederlangenau

am Stege dem Gericht gegenüber derart, daß der

Verwundete nach 3 Wochen starb. Der Freirichter

mußte 50 Schock Strafgelder zahlen. Wahrscheinlich

geriet Urban durch diese Strafe in Schulden und

verkaufte deswegen sein Freirichtergut. Um 1590

wird Peter Fritsche als Besitzer des Seitendorfer

Freirichtergutes genannt, der es aber schon im

 

 

_ 28 _

 

 

 

März 1600 für 1400 Schock an seinen Sohn Hans

verkaufte. Das Seitendorfer Freirichtergut

gehörte bis zum Jahre 1839 zu den größten Gütern

in der Grafschaft, besonders nachdem es durch

Ankauf von kaiserlichem Waldboden im Jahre 1616

bedeutend an Fläche gewonnen hatte.

 

 

III. Die Freirichter

 

Die Freirichter versahen ihr Amt in den Dörfern

und besaßen ihre Privilegien. Im 16. und 17. Jahr-

hundert spielten sie eine gewichtige Rolle. Sie

übten die niedere Gerichtsbarkeit aus: Beurkun-

dungen von Landkäufen, Testamenten, Verträgen,

Verwaltungsangelegenheiten und Aburteilungen

kleiner Straftaten. Als Vorsitzende der Dorfgerichte,

diese bestanden aus den Schöffen, übten sie die

Gerichtsbarkeit aus. Die Freirichtergüter waren

frei von allen Lasten und Verpflichtungen gegen-

über dem Grundherren, damit die Richter frei und

unparteiisch ihres Amtes walten konnten. Sie

besaßen das Brau- und Schankrecht und die niedere

Jagd- (Füchse und Hasen) und Fischereigerechtig-

keit. Auch standen ihnen mindestens fünf Hand-

werker, wie Schmied, Schuster, Fleischer, Schneider,

Bäcker und einige Untertanen für die Feldarbeit

und auf dem Hofe zur Verfügung.




-29-

 

 

 

 

IV. Seitendorf – Kontroversen mit dem Kaiser
in Wien und den Grundherren in Böhmen

 

 

Der große Wildreichtum in den Wäldern der Herr-

schaft Schnallenstein reizte die benachbarten

böhmischen Grundherren, ihre Jagden bis in dieses

Gebiet auszudehnen. Diese Übergriffe führten zu

einem Prozeß, der 40 Jahre dauerte. Der Schieds-

spruch des Prager Landgerichtes befand am

10. August 1586, daß die Erlitz der ganzen Länge

nach, vom heutigen Kaiserswalde bis zur Mündung

des "Rothen Flosses" (Rotflössel) die Grenze

zwischen Böhmen und der Grafschaft Glatz halten

sollte. Die Kosten des Prozesses hatte Nikolaus

Bubna von Senftenberg zu tragen, 75.000 Schock.

Im September 1587 fand diese Begrenzung statt,

zu der sich „viel Volk" aus der Umgegend einfand,

so berichtet der Habelschwerdter Chronist.

 

Im späteren Marienthal lag das alte kaiserliche

Jagdgehöft Worlitz, in dem nach den üblichen

Jagden die kaiserliche Jagdgesellschaft einzu-

kehren pflegte. Der dort wohnende kaiserliche

Oberwaldmeister Leonhard Veldhammer erhielt

unter Kaiser Rudolf II den Auftrag, Dörfer an

der Erlitz anzulegen, so entstanden Marienthal

und Freiwalde. Für seine Verdienste durfte er

sich ein Freirichtergut einrichten, außerdem

erhielt er auf Lebenszeit die Zinsen von den

beiden angelegten Dörfern. Veldhammer vergrößerte

auch die Feldmark von Seitendorf und richtete

mehrere Stückmannstellen ein. Auch verkaufte er

im Jahre 1582 dem Stadtvogt von Habelschwerdt,

 

-30-

 

 

 

 

Peter Engelhardt, ein 7 Schnüre breites und

8 Schnüre langes Waldgrundstück im Höllengrund,

gelegen zwischen Seitendorf und Rosenthal.

(Diese Waldparzelle wird heute noch "Engelhardt"

genannt). Gleichzeitig verkaufte er dem Vogt

noch die Ruine Schnallenstein mit dem umliegenden

Land, ca. 21 Morgen und die Schloßmühle (Feldmühle).

1583 starb Leonhard Veldhammer. Bald nach seinem

Tode stellte sich heraus, daß Veldhammer seine

Befugnisse überschritten und eigenmächtig gehandelt

hatte. Auch Peter Engelhardt wurde 1585 seines

Amtes als Stadtvogt enthoben; der Chronist nennt

ihn einen Bösewicht. Als nämlich Peter Engelhardt

die Konfirmation über den Kauf des "Wüsten Schlosses"

und der Mühle in den Händen hatte, verkaufte er

alles dem Freirichter Hans Fritsche von Seitendorf.

 

V. Seitendorf als Gemeinde


Die Gemeinden der oberen Grafschaft waren als

sogenannte Waldhufendörfer angelegt. Die Bewohner

waren freie Bauern, Stückleute, Feld- und Auen-

gärtner und nur dem deutschen Kaiser untertan,

waren keinem anderen Grundherren verpflichtet, ihm,

bzw. über den König von Böhmen, hatten sie einen

halbjährlichen Zins zu entrichten. Wie schon

berichtet, oblag dem Freirichter und den Schöffen

die Verwaltung der Gemeinde. War kein Freirichter

im Dorf vorhanden, wurde ein Scholze oder Schult-

heiß gewählt. Die Dörfer mußten Fuhren und Hand-

Robotten für "Gemein" leisten. Marienthal hatte

 

-31-

 

 

 

 

Holz zu scheitern und zu flößen, Seitendorf

mußte mit Geld und Naturalien entgelten, gab

jährlich zu Georgi 3 Schock, 34 Kreuzer, 2 Heller

Schnittergroschen, 18 Zinshühner, 10 Scheffel

Zinshafer und scheiterte 293 Klaftern Holz.

Gezahlt wurde an das königliche Rentamt in

Glatz. Der Freirichter hatte für die Brau-

gerechtigkeit einen jährlichen Zins von 36

Groschen, den Groschen zu 7 Hellern gerechnet,

zu zahlen, ansonsten war er frei.

 

 

 

VI. Der Dreißigjährige Krieg (1618 – 1648)

 

 

Nach alten Berichten waren die Bewohner der

oberen Grafschaft seit Mitte des 16. Jahr-

hunderts eifrige Anhänger der lutherischen

Lehre. Aus diesem Grunde schlossen sie sich

1618 den aufständischen Böhmen und dem von ihnen

gewählten König, dem Kurfürsten Friedrich von

der Pfalz, an. Vor allem waren es die Frei-

richter, welche die Bevölkerung für den soge-

nannten "Winterkönig" gewannen. Zu Michaeli 1618

kamen 1.000 Mann nach Habelschwerdt unter der

Führung des Markgrafen von Jägerndorf, der ein

Anhänger des Winterkönigs war. Im Oktober kamen

dann nach einigem Zögern des Landeshauptmanns

von Schlesien schlesische Truppen zur Verstärkung.

Sie zogen von Habelschwerdt über Lichtenwalde

und Peucker zur Bärnwalder Brücke *), wo sie

zu den Truppen des Grafen Thurn stießen. Nach dem

unglücklichen Ausgang der Schlacht am Weißen

Berge bei Prag am 8. November 1620 unterwarfen

sich die Böhmen wieder dem Kaiser Ferdinand,

 

 

*) Über die Bärnwalder Brücke wird noch berichtet

 

-32-

 

 

 

 

aber die Grafschaft Glatz, Schlesien und

Mähren blieben dem Pfalzgrafen treu. Die Graf-

schafter befürchteten nun das Einrücken der

kaiserlichen Truppen, die sich in Senftenberg

in Böhmen unter Wallenstein sammelten. Deshalb

besetzten die Habelschwerdter die Grenzübergänge

bei Steinbach und Marienthal. Doch der Einmarsch

der kaiserlichen und der mit ihnen Verbündeten

kurfürstlich-sächsischen Truppen erfolgte bei

Wünschelburg. Habelschwerdt wurde bald von den

sächsischen Truppen besetzt. Die Grafschafter

Bauern schlossen sich unter der Führung des

Freirichters Hans Wolf aus Oberlangenau zu einem

Freikorps zusammen, konnten aber den vielen

mörderischen Übergriffen der kaiserlichen Söldner

nicht lange standhalten. Der Markgraf von Jägern-

dorf zog sich zurück und überließ die Bauern

ihrem Schicksal. Diese führten einen verzweifelten

Kampf und wurden am 5. Juni 1622 vollständig

geschlagen, allein an diesem Tage sind in Nieder-

langenau mehr als 200 Bauern umgekommen. Der

Rest suchte Zuflucht in den Wäldern. Es kam auch

zu einem erbitterten Kampf in der Kirche zu

Oberlangenau. Polnische Hilfstruppen – eine andere

Version sagt, es seien Kosaken gewesen – setzten

die Verfolgung der Bauern bis Peucker fort.

Im Oktober 1622 wurde Graf Thurn gezwungen, Glatz

den kaiserlichen Truppen zu übergeben. Damit war

der Aufstand in der Grafschaft unterdrückt, der mit

viel Begeisterung begonnen hatte und in großem

Elend endete. Unsere Vorfahren haben damals um den

Erhalt und Schutz der Heimat einen blutigen Kampf

 

 

_ 33 _

 

 

 

 

gekämpft; er hatte mit Religionskrieg kaum

noch etwas zu tun.

 

Sofort nach der Unterwerfung der Grafschaft Glatz

begann Kaiser Ferdinand mit der gewaltsamen

Gegenreformation. Alle protestantischen Prediger

und Schullehrer wurden entlassen oder gar ver-

trieben. Die Freirichter erhielten harte Strafen,

verloren ihre Privilegien, ihre Güter gingen

ganz oder zum Teil verloren. Der Seitendorfer

Freirichter Hans Fritsche starb noch vor der

Urteilsverkündung im Jahre 1624. Seine Erben

mußten 266 Schock bezahlen, nachdem das Gut auf

1600 Schock geschätzt worden war. (Die Witwe

des Rosenthaler Freirichters starb in Lichten-

walde in größter Armut, ihr Nachlaß reichte

nicht aus für den Sarg und das Begräbnis).

Die Chronisten berichten noch über viele Überfälle

und Unterdrückungen durch vagabundierende Truppen

und Heerhaufen während der Dauer des Dreißig-

jährigen Krieges. Im Jahre 1628 wurde in Seiten-

dorf ein Soldatenweib erschlagen und am 11. Mai 1633

ein Michael Franke aus Seitendorf bei der Feldmühle

von Soldaten erstochen, die hier im Winterquartier

lagen.

 

Im Jahre 1631 kam eine Kommission in die obere

Grafschaft, um die Gemeinden neu zu ordnen. In

Seitendorf wurden 1 Freirichtergut, 19 Bauern,

1 Feld- und 10 Auengärtner, 1 Mehl- und 1 Brett-

mühle verzeichnet.

Die Einwohnerzahl wurde 1633 durch die ausbrechende

Pest stark vermindert. Diese Epidemie brach in

 

 

-34-

 

 

 

 

Seitendorf aus, wo sie auch die meisten Opfer

forderte. Ganze Bauernhöfe starben aus; die

Toten, 81 an der Zahl, sollen nicht auf dem Fried-

hof, sondern an den Stellen beerdigt worden sein,

wo später die Kapellen errichtet worden sind.

 

Die Bedrängnis durch Truppendurchzüge der Wallen-

steinschen Armee und verschiedener anderer Heer-

haufen hielt in der Grafschaft noch bis nach dem

Westfälischen Frieden an. 1641 lag ein schwedisches

Regiment in Marienthal.Die Schweden haben in

Marienthal und Umgegend schrecklich gehaust

und viele Grausamkeiten verübt. Kaum waren die

Schweden abgezogen, wurde die hiesige Gegend

von den Truppen des kaiserlichen Feldherren

Montecuculi heimgesucht. Montecuculi schlug sein

Hauptquartier auf dem Freirichtergut in Marienthal

auf. Seine Soldaten lagerten in den umliegenden

Dörfern; . . . . . . " da ist das Land abermals ausge-

plündert worden", so wird berichtet. Im April 1648

lagerten "die Montecuculis" zum 2. Mal in der

Gegend. Sie raubten die Rosenthaler Kirche aus,

und weil sie bei den ausgeplünderten Bauern

nichts mehr fanden, schlugen sie ihnen die Fenster

und Öfen ein.

 

Der Westfälische Friede brachte noch keine Ruhe.

Die in die Heimat zurückziehenden Soldaten

verübten Grausamkeiten und Verbrechen, von denen

einzelne noch überliefert sind. Im Oktober 1649

hatten die in Rosenthal liegenden Reiter erfahren,

 

_ 35 _

 

 

 

 

daß mehrere Personen nach Seitendorf zur Kirmes

gegangen waren. Sie lauerten ihnen auf und waren

eben dabei, sie auszuplündern, als andere

Personen zu Hilfe kamen; "einer von diesen hat

ein Rohr, scheußt einen Reiter Todt".

Im Dezember desselben Jahres erschlug ein

Trompeter des Regimentes Piccolomini den

Schmid Michael Göbel zu Rosenthal, weil dieser

um die Bezahlung der Schulden gemahnt hatte.

Als endlich Ruhe im Lande eingekehrt war, wurden

den Freirichtern, die "Anno Sechzehnhundert sechs

und zwanzig … ihre per Rebellion dem kaiser-

lichen Fiskus dazumal anheim gefallenen Richter-

güter gegen Erlegung einer gewissen Geldstraf …..

aus sonderbaren kaiserlichen und königlichen

Gnaden wiederum eingeräumet…".

 

In dem Majestätsbrief von Kaiser Ferdinand IV

an den Freirichter Heinrich Fritsche aus Seiten-

dorf heißt es weiter: "Wegen der Bereuung ihrer

Mißhandlung, ausgestandener ziemlicher Straf

und seithero angenommener heiligen allgemeinen

und allein seligmachenden katholischen Religion,

beinebens auf ihre eingelegte Bitte, auch in

Betrachtung ihrer bei seithero vorgegangenen

Kriegs-Zeiten ausgestandenen Beschwerlichkeiten…"

verlieh der Kaiser am 7. Mai 1652 den Freirichtern

alle Gerechtigkeiten und Freiheiten wieder, die

sie vor dem Abfall besessen hatten: Freies

Brau- Urbar, Kretscham, Schank, Bäckerei,

Fleischerei, Hasen- und Fuchsjagden, Vogelstellwerk

Fischerei, die berechtigten Handwerker und Unter-

tanen, soweit diese Berechtigungen jeder Besitzer

durch authentische Partikulatur-Urkunden nach-

weisen konnte. Die frühere Standesmäßigkeit wurde


-36-

 

 

 

 

ihnen nicht mehr zugestanden.

 

 

Um diese Zeit berichtet der Habelschwerdter Chronist

von mehreren Unglücksfällen. Unter Seitendorf: Am

Pfingstsonnabend des Jahres 1638 brannte vor

Tagesanbruch Georg Rupprecht ab, sein dreijähriges

Kind kam in den Flammen um. Im Mai 1660 brannte

wiederum ein Haus ab und im Dezember 1676 wurde

Nikolaus Prause in der Schloßmühle vom Wasserrade

erdrückt. Im September 1694 ertrank ein Kind im

Dorfwasser.

 

Im Jahre 1683 bahnten sich für unsere Vorfahren

neue Schwierigkeiten an. Die Türken standen vor

Wien. Der Kampf gegen ihr westliches Vordringen

kostete große Opfer, vor allem viel Geld.

Deshalb wollte der Kaiser einen Teil der Graf-

schaft dem Grafen Althann verkaufen. Es bestand

aber eine alte Abmachung, daß die Grafschaft

Glatz "in den Händen des Königs von Böhmen

verbleibet". Im Vertrauen auf ihr altes Recht

sandten die betroffenen Grafschafter eine Ab-

ordnung an die Hofkanzlei in Wien und reichten

eine Bittschrift ein. Die Abordnung wurde sehr

unfreundlich behandelt und bekam den Befehl,

sofort wieder zurückzukehren und 100.000 Floren

(Gulden) zu sammeln und dem Kaiser diese

"vorschissen". Die Abgesandten erklärten sich

für das schwere Opfer bereit und baten, daß

diese Summe nach und nach von den Steuern abge-

rechnet werde. Als sie aber zurückkehrten,

sperrte man sie ein. Trotz allen Protestes war

ihr Bittgang umsonst. Am 28. Dezember 1684

wurden im Kreis Habelschwerdt und in der Umgegend

 

-37-

 

 

von Landeck 29 Dörfer mit allen Privilegien

an Michael Wenzel Graf von Althann auf Mittel-

walde für 207.073 Gulden verkauft. Nach seinem

Tode im Jahre 1690 erhielt sein Sohn Michael

Wenzel II die Dörfer der Herrschaft Schnallen-

stein und vereinigte sie wieder mit Mittelwalde.

Nun entbrannte ein neuer Streit mit den neuen

Untertanen. Der Graf verlangte übermäßige Robot-

leistungen. So mußten die Bauern zur Acker-Robot

mit zwei Pferden nach Mittelwalde. Die meisten

Bauern hatten aber nur ein Pferd oder Ochsen-

gespann. Nach altem Recht war nur für die Gemeinde

und die Verwaltung in Glatz nach Bedarf Hand-

Robot zu leisten. Jeder Bauer hatte im Jahr

78 Tage und die Häusler die Hälfte an Gemeinde-

arbeit zu leisten. Der Graf beansprucht sie für

sich und verlangte, die nicht benötigte Robot

mit Geld zu bezahlen, bis zu 50 Thaler oder

entsprechende Haft. Als sich die Bauern weigerten,

drohte er mit Geldstrafe. Da diese nicht be-

zahlten, ließ er 22 Personen 17 Tage lang in

einen kalten Keller einsperren. Auch die Frei-

richter gerieten mit dem Grafen in Streit.

Den meisten hatte er die Braugerechtigkeit

genommen, einigen wurde sogar die Brennerei-

einrichtung zerstört. Auch die Handwerker der

Freirichter wurden vom Grafen beansprucht

und die Freirichter wurden ebenfalls zu allen

Umlagen herangezogen. Strafsachen mußten der

herrschaftlichen Obergerichtsbarkeit übergeben

werden.Graf Althann ließ aber keine Untersuchung

vornehmen, wenn nicht die Freirichter die ent-

stehenden Kosten im voraus bezahlten.

 

_38_

 

 

 

 

So entgingen oft "Diebe und Schelme" ihrer

Bestrafung. Wenn ein Freirichter die verhängte

Geldstrafe nicht bezahlte, ließ ihn der Graf

ins Gefängnis Werfen "zu Schelmen und Malefiz-

personen" bis er die Strafe bezahlt hatte.

Auch Kauf- und Schreibgebühren wurden stark

erhöht. Wegen dieser Übergriffe des Grafen

wurden mehrere Beschwerdebriefe nach Wien ge-

schickt, aber sie blieben ohne Erfolg. 1712

wurde der Streit zugunsten des Grafen bei-

gelegt, die Betroffenen mußten alle Straf-

gelder und Schulden bezahlen.

 

 

-39-

 

 

 

VII a) Kirchliches Seitendorf gehörte um 1560 als Kirchengemeinde

 

 

zu Oberlangenau. Der Pfarrer hieß Matthaeus Grimm

und trat für die protestantische Lehre ein.

Es wird berichtet, daß 1568 in Seitendorf eine

hölzerne Kirche stand … 1613 wird Seitendorf

als Filiale von Rosenthal genannt, der derzeitige

Pfarrer war Martin Heidenreich. Als die

lutherischen Prediger im Jahre 1624 vertrieben

wurden, kamen Rosenthal und Seitendorf zur

Pfarrei Ebersdorf.

 

Auf eindringliche Bitten der Bewohner beim kaiserlichen Amt und der

geistlichen Behörde…

„daß die kranken Leute in den weitentlegenen

Dorfschaften nit allein ohn Beichte und Kommunion

in ihren Sünden, dann auch die neugeborenen

Kinder ohne heilige Tauf, so zum Öfteren geschieth,

dahin sterben …" wurde 1665 die Pfarrei

Rosenthal mit der Filiale Seitendorf dem

Pfarrer Franz Kreuziger übertragen.

 

Die von den lutherischen Einwohnern im Jahre 1568

erbaute Holzkirche in Seitendorf wurde 1664

erweitert. Am Ende des 17. Jahrhunderts war sie

aber so baufällig geworden, daß sie die Gemeinde

niederreißen ließ und in den Jahren 1693 / 1694

die noch heute bestehende, massive Kirche erbauen

ließ. Die neue Kirche bekam aber nur einen Dach-

reiter. Vom Kirchenvermögen wurden ungefähr

500 Gulden für den Bau verwendet. Als der Dach-

reiter im Laufe der Zeit schadhaft geworden war,

beschloß die Gemeinde im Jahr 1785, einen massiven

Turm am Haupteingang der Kirche zu errichten, wozu

man der Kirchenkasse 400 Gulden entnahm. Diese Summe

 

 

 

 

reichte nicht aus, obwohl der herrschaft-

liche Wirtschaftsinspektor Hauck 100 Gulden

und die Patronin Aloisia Gräfin von Althann

das benötigte Bauholz schenkte, mußte mit dem

Bau bis zum Jahre 1788 aufgehört werden.

Schließlich erlaubte das Dekanatsamt weitere

145 Gulden vom Kirchenvermögen zur Vollendung

des Baues. Weil damit aber der Turm nur bis zur

Dachhöhe aufgeführt werden konnte, ließ die

Gemeinde, die damals 415 Personen zählte,

von denen 103 zum Freirichtergut gehörten,

den Turm auf ihre Kosten vollenden. Der Turm

war mit Zwiebel, Durchsicht und Helm versehen.

Leider schlug Anfang 1831 der Blitz in den

Kirchturm, zerschmetterte den Helm und warf

Knopf, Spindel und Wetterfahne hinab. Im Jahre

1834 wurde die jetzige weniger schöne Bedachung

des Turmes mit einem Kostenaufwand von 70

Thalern hergestellt *).

 

Wann die erste hölzerne Kirche in Rosenthal

erbaut wurde, ist nicht bekannt. Pfarrer Rauch

berichtet in seiner Pfarrchronik, daß 1613

und 1631 bauliche Veränderungen an ihr vorge-

nommen wurden. In den Jahren 1660/61 wurde

ein neues Gotteshaus errichtet, und 1671 konnte

das Pfarrhaus erbaut werden. –

 

Im Zusammenhang mit dem Aufschwung, den die

Grafschaft unter der preußischen Verwaltung nahm,

steht die Erbauung der jetzigen Pfarrkirche.


*) Nach alten Kirchenrechnungen, Einlage im

Turmkopf von Rosenthal und Seitendorf

 

-41-

 

 

 

 

Die Zahl der wachsenden Bevölkerung konnte die

alte, um 1660 erweiterte Kirche an Sonn- und

Feiertagen nicht mehr fassen. Die verbesserten

Vermögensverhältnisse erlaubten nun den Bau der

neuen Kirche im Jahre 1755. Das Prager Konsisto-

rium gab die Erlaubnis 15.000 Gulden vom

Kirchenvermögen für den Bau zu verwenden. Der

wohlhabende Leinwandkaufmann Volkmer übernahm

sämtliche Kosten der Maurerarbeiten, die Patronin

Aloisia von Althann lieferte außer einem Betrag

von 100 Gulden 200 Stämme Bauholz und 10 Schock

Bretter. Das Fundament der Kirche bereitete große

Schwierigkeiten, da man wegen der Sandschicht

und des Grundwassers 10 – 13 Ellen tief graben

mußte (1 Elle = 70 – 80 cm). Die Grundmauern

mußten zum Teil auf ein Pfahlrost von Eichen-

stämmen gebaut werden. Doch alle Rosenthaler

waren mit größtem Arbeitseifer dabei und die

Gemeinde Seitendorf half nach Kräften mit,

so die Pfarrchronik.

 

Der Pfarrer hatte seinen Unterhalt von der

Pfarrwidmut und dem Dezem, den die Kirchkinder

zu entrichten hatten; er betrug bisweilen

62 Scheffel, halb Korn, halb Hafer. Das war ein

geringes Einkommen, waren doch noch 2 Kapläne

wegen des großen Kirchspiels in Rosenthal

stationiert. Um 1720 schreibt der damalige

Pfarrer von Rosenthal: "Viel Accidentia muß

ich schenken, wenn sie mit weinenden Augen ihre

Armut beklagen, anderen ein, zwei oder noch

mehrere Jahre borgen, denn die Leut sind derge-

stalt verarmt, daß sie großen Hunger leiden".

 

 

– 42 –

 

 

 

 

GRAFIK

 

 

Filialkirche St. Michael mit Innenansicht

 

 

 

 

Vll. b) Küster und Schule

 

 

Unseren Vorfahren muß nachgesagt werden, daß

sie trotz der Ärmsten Verhältnisse keine Kosten

scheuten, ihrer Jugend einen für die damaligen

Zeiten genügenden Unterricht zu verschaffen. Da

die großen Schneeverwehungen im Winter eine Ver-

bindung zwischen den Gemeinden oft unmöglich

machten, wurden überall eigene Schulen einge-

richtet. Die Hauptschulen waren Rosenthal und

Marienthal, deren Lehrer auch küsterdienste zu

verrichten hatten. Zum Rosenthaler Küsterverband

gehörten noch Seitendorf und Peucker.

 

Der erste katholische Schulmeister und Kirchen-

schreiber von Rosenthal, somit auch von Seiten-

dorf, war David Fechtner von 1624 – 1660

(Kirchenbuch). Das Einkommen des Lehrers bestand

in dem Schulgeld, das jedes Kind zahlen mußte.

Als Küster hatte er keine festen Einkünfte

„außer 2 Umpgängen am Neuen Jahre und Grün-

donnerstag, die etwa 8 – 10 Floren betragen".

(l Floren = l Gulden).

 

Vom Wetterläuten erhielt er "jährlich 80 gar ‚

geringe Garben, Korn- und Hafergarben". Deputat-

holz bekam er nicht und von 2 kleinen Grase-

garten konnte er kaum eine Kuh halten. Da der

Rosenthaler Lehrer gleichzeitig Küster der

Filiale Seitendorf war, zu der auch Peucker

gehörte, bezog er von diesen beiden Dörfern

die Stolagebühren und Accidentien. Die Wetter-

garben erhielten die dortigen Schulhalter oder

Glöckner.

 

 

– 44 –

 

 

 

 

Ehe die Herrschaft Schnallenstein in Privat-

besitz überging, bezog der Lehrer noch eine

Gebühr für das Kaufschreiben an den dafür

bestimmten Schreibtagen, "die aber die Herren

Offiziere (d. h. die herrschaftlichen Beamten)

an sich gezogen".

 

In alten Schulakten ist zu lesen, daß die Schul-

meister "sich recht mühselig ernähren, bisweilen

haben sie kein Bissen Brot, noch viel weniger

Geld im Hause". Die Gemeinden waren durch den

Dreißigjährigen Krieg so verarmt, daß sie nichts

zur Aufbesserung der Lehrergehälter tun konnten,

und von seiten der Grundherrschaft geschah

auch nichts.

 

Die Schulverhältnisse blieben in dieser Art bis

zum Ende des 18. Jahrhunderts bestehen. Eine

Änderung trat erst ein, als im Jahre 1784

in Seitendorf anstelle des Schulhalters ein

ordentlicher Lehrer angestellt wurde. Die Schule

wurde ebenfalls küsterei, doch in den Genuß

der Küsterbezüge kam der Lehrer von Seitendorf

erst im Jahre 1804. Das Gehalt des Schulmeisters

betrug in Seitendorf damals 35 Thaler, 12 Silber-

groschen. Als Gemeindeschreiber erhielt er

5 Thaler.

 

In Peucker war eine Notschule errichtet worden.

Vom Jahre 1806 an mußten die Kinder während

der Sommermonate nach Seitendorf kommen,

während zur Winterszeit der Lehrer aus Seitendorf

wöchentlich zweimal in Peucker Unterricht

erteilen mußte. Dafür erhielt er von jedem Kind

 

 

 

 

wüchentlich 6 Pf. Schulgeld. Im Jahre 1837

wurde Peucker von Seitendorf abgezweigt und

kam längere Zeit zum Schulverband Stuhlseifen.

 

1843 wurde in Seitendorf eine neue Schule,

die jetzt noch besteht, erbaut. Da das Schul-

haus gleichzeitig Küsterwohnung war, mußte

Peucker den 7. Teil der Baukosten tragen. Das

alte Schulhaus ging in Privatbesitz über

(Strecke, Ernst).

 

Zum Schluß mögen noch die Pfarrer von Rosenthal

genannt werden, die ja auch die Seitendorfer

Pfarrkinder durch die Jahrhunderte hindurch

betreut haben. Ihre Aufgabe ist sicher keine

leichte gewesen, hatten sie doch vielfältige

Nöte, wie Kriegszeiten, Seuchen, Umwelt-

katastrophen und Armut mit ihren Pfarrkindern,

unseren Vorfahren, zu tragen und zu teilen.

Durch alle diese Krisenzeiten war ein tief-

gläubiges Gottesvolk herangewachsen. Die

vielen Kapellen, Wegkreuze, Dreifaltigkeits-

und Muttergottes-Standbilder, nicht zu ver-

gessen das unseres lieben Brückenheiligen

St. Johann von Nepomuk, legen ein beredtes

Zeugnis ab von der tiefen Frömmigkeit der

ehemaligen Bewohner unserer lieben unvergeß-

lichen Heimat.

 

 

 

-46-


 

BILDER

 

"Reinholda Kapellelle mit Linde

 

(Kapelle und Linde sind restloß verschwunden)

 

 

Überreste von Jung’s Kapelle (Foto 1978)

 

 

 

 

Verzeichnis der Pfarrer von Rosenthal:

 

?

1318

Nikolaus Neumann

 

1338

1360

Petrus

 

1360

?

Nikolaus Bervuici

 

?

1613

N… W… ?

protestantisch

1613

1623

Martin Heidenreich

protestantisch

1624

1632

Georg Denkel

Pfarrer von Ebersdorf

1632

1643

Andreas Rosenburger

Pfarrer von Ebersdorf

1643

1665

Franz Sigmund Hubrig

Pfarrer von Ebersdorf

1665

1666

Adam Franz Kreuziger

 

1666

1672

David August Heinke

 

1672

1709

Johann Franz Brockel

 

1709

1733

Franz Bernhard Ilgner

 

1733

1749

Johann Georg Seiffert

 

1749

1758

Anton Ernst Kernhofer

 

1758

?

Knappe

 

?

1783

Anton Hoffmann

 

1783

1793

Joseph Heider

 

1793

1798

Johann Schindler

 

1798

1809

Josef Rostel

 

1809

1820

Heinrich Grond

 

1820

1842

Franz Xaver Rauch

 

1842

1874

Johannes Spittel

 

1874

1887

Hermann Müller

 

1888

1899

Franz Dittert

 

1899

1940

Franz Xaver Pietsch

 

1941

1946

Georg Goebel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

VlII. Geschichte unserer Gemeinde zur Zeit

Friedrich des Großen



Die Zeit der Schlesischen Kriege

(1. 1740-42, 2. 1744-45, 3. 1756-63)

 

Nach dem Tode Kaiser Karl V im Jahre 1740 erhob

Friedrich der Große Anspruch auf die Fürsten-

und Herzogtümer Schlesiens. Kaiserin Maria

Theresia wies diesen zurück, und es kam zu den

drei Schlesischen Kriegen. Die Grafschaft Glatz

wurde zum Durchzugsgebiet der beiden streitenden

Mächte, da die Hauptstraße von Wien durch Böhmen

über Mittelwalde und Glatz nach Schlesien führt.

Das brachte es mit sich, daß die anliegend

Orte an den Nebenstraßen schwer unter den wechseln-

den Einquartierungen zu leiden hatten.

 

Im 1. Schlesischen Krieg lagen fast ausschließlich

Österreichische und ungarische Truppen in der

oberen Grafschaft. So wird berichtet, daß dem

Dorf Marienthal (lt. alter Gemeinderechnungen)

im 1. Schlesischen Krieg durch die Einquartierung

der Österreicher Unkosten von 470 Gulden entstanden

Im 2. Schlesischen Krieg kam es noch schlimmer.

Im Winter 1744/45 mußten 1.663 Gulden aufge-

bracht werden, wovon der Freirichter den siebenten

Teil zu tragen hatte, außerdem klagt der Frei-

richter Rupprecht (Rosenthaler Pfarrarchiv über

die Panduren und Slovenier, "die sich mehr des

Stehlen und Rauben bedienten als der Waffen".

Seine Verluste während des 2. Schlesischen Krieges

gibt der Freirichter mit folgenden Worten an:

"… sieben Hauptplünderungen und den Verlust von

6.000 Gulden an Wert". Auch starb seine Frau

"infolge viel und schweren Kriegstrubeln, ausge-

 

 

 

standenen Kummer und Leibesschaden". Es ist mit

Sicherheit anzunehmen, daß es den Bewohnern der

benachbarten Ortschaften nicht besser ergangen ist.

 

Trotzdem müssen die Freirichter mit den Öster-

reichern sympathisiert haben, denn unter den

Freirichtern der Grafschaft Glatz befindet sich

nur der von Seitendorf, der im Jahre 1745 von

Friedrich d. Gr. das silberne Ehrenzeichen für

"bewiesene Treue" erhielt.

Nach dem Friedensschluß von Dresden versuchte

der König seinen neuen Untertanen die Wunden

zu heilen, die der Krieg geschlagen hatte. Durch

weise Verordnungen_kam die verarmte Bevölkerung

zu etwas Wohlstand. Doch was in elfjähriger

mühsamer Arbeit wieder geschaffen worden war,

fiel dem im Jahre 1756 beginnenden 3. Schlesischen

Krieg zum größten Teil wieder zum Opfer.

Im Jahre 1757 mußte die Herrschaft Schnallenstein

690 Balken und 18.500 Schanzpfähle zur Befestigung

von Glatz liefern. In den Dörfern mußten stets

4 gute Kühe oder Schnittochsen bereitgehalten

werden, falls Mangel in der Festung einträte.

Wegen der vielen Vorspanndienste konnten die

Bauern nur mangelhaft das Feld bestellen. Die

Getreidehändler trieben Wucher, den der König

aber unterband, indem er in Glatz die Magazine

öffnen ließ.

 

Im August 1757 wurden in den Dörfern der Herrschaft

Schnallenstein die Rekruten eingezogen. Die meisten

 

-50-

 

 

aber entzogen sich durch Flucht der Einberufung.

Die Militärbehörde drohte den Scholzen und Schöffen

mit Festungshaft und Karrenarbeit, wenn sie

die Rekruten nicht in kürzester Zeit einlieferten.

War ein Deserteur wohlhabend, wurde sein Vermögen

eingezogen und der Invalidenkasse *) Überwiesen.

Das schlimmste Jahr muß 1762 gewesen sein, als

Panduren und das mit den Österreichern Verbündete

russische Korps unter dem General-Leutnant Graf

Czernitschef in der Grafschaft Glatz Winterquartier

bezogen hatten. Lehrer Latzel aus Marienthal

beschreibt jene Unglückstage **) mit folgenden

Worten: "Wie es dazumal in dieser Gegend zuge-

gangen, ist fast unbeschreiblich, da bald von

dieser, bald von jener Partei Soldaten eintrafen

und jeder große Forderungen machte. Es gab sehr

viele unter dem Namen Soldaten, räuberisches

Gesindel, welche die Leute erbärmlich quälten".

Der Freirichter suchte deshalb das kaiserliche

Hauptquartier auf und konnte einen Schutzbrief

erhalten (Salve Guardia)" … und da hat es

etwas nachgelassen …

 

Der Krieg brachte eine Preissteigerung aller

landwirtschaftlichen Erzeugnisse mit sich. So

kostete während des Krieges 1 Viertel Korn

durchschnittlich 2 Gulden. Lehrer Latzel schreibt:

„Über alles ist während diesem Kriege sehr

schlechte Münzsorte eingeschlichen, und das

gute Geld hat sich verloren, da man für 36

Silbergroschen solchen Geldes nur einen Gulden

kaiserliches Geld bekommen …".

 

*) Amtsjournal

**) Einlage im Marienthaler Kirchturmknopf

 

 

 

 

Pfarrer Rauch hat aus dieser schweren Zeit das

Schicksal des Leinwandhändlers Franz Bernhard

aus Seitendorf festgehalten. Während des Sieben-

jährigen Krieges leistete der damals auf der

jetzt Pohl’schen Stückmannsstelle wohnende

Leinwandhändler Franz Bernhard den preußischen

Heerführern wichtige Dienste. Seine Neider

berichteten dies den Österreichern, als diese

sich wieder der Festung Glatz bemächtigt hatten

und überlieferten ihn als preußischen Spion.

Bernhard wurde nach Ungarn gebracht und hat

dort in jahrelanger Gefangenschaft gelebt.

 

Nach dem Hubertusburger Frieden 1763 kehrte

Bernhard wieder in die Heimat zurück. Als Ent-

schädigung für die in der Gefangenschaft er-

littenen Unbilden wurde er im Jahre 1764 zum

Königlich Preußischen Kommerzienrevisor der

Grafschaft Glatz.ernannt. Bernhard, der seinen

Wohnsitz nach Rosenthal verlegte, wurde im

Bayerischen Erbfolgekrieg (1778/79) noch

öfters von den Österreichern gesucht. Es gelang

ihnen nicht, ihn wieder gefangen zu nehmen,

da er sich immer, wenn ihm Gefahr drohte,

in einem Verbindungsschornstein verbergen

konnte.

Bernhard wurde im Jahre 1782 von einem schweren

Schicksalsschlag getroffen, der seinen blühenden

Leinwandhandel völlig ruinierte. Ein Hochwasser

führte ihm einige Tausend Schock Leinwand von

seinen Bleichen. In seiner Not bat er die

Breslauer Kriegs- und Domänenkammer um ein unver-

zinsliches Darlehen von 2.000 Thalern – doch man

 

-52-


 

 

 

 

konnte ihm nicht "einen so ansehnlichen Vorschuß

erteilen". Man hatte seine guten Dienste vergessen

Während des Bayerischen Erbfolgekrieges 1778/1779

lagen an der Süd- und Westgrenze der Graftschaft,

von Grulich bis Kronstadt, große Österreichische

Heeresabteilungen. Die Dörfer an der Erlitz

hatten sehr unter ihren Übergriffen zu leiden,

obwohl die Grenzbrücken gut bewacht waren.

 

Eine der wichtigsten Grenzbrücken scheint die

bei Peucker über die Erlitz führende Bärnwalder

Brücke zu sein. Erwähnenswert ist noch die Unter-

haltung dieser Brücke, an der sich viele Ge-

meinden beteiligen mußten. Nachdem die alte Holz-

brücke baufällig geworden war, wurde die noch be-

stehende Brücke im Jahre 1730 mit einem Kosten-

aufwand von 270 Floren, 24 Kreuzer, errichtet.

Von den betroffenen Gemeinden mußten folgende

Kosten getragen werden:

 

 

Gemeinde Stuhlseifen

12

Floren

28

Kreuzer

 

5

Heller

Gemeinde Peucker

10

Floren

6

Kreuzer

 

1/2

Heller

Gemeinde Lichtenwalde

40

Floren

24

Kreuzer

2

1/2

Heller

Gemeinde Verlorenwasser

27

Floren

55

Kreuzer

1

1/2

Heller

Gemeinde Seitendorf

21

Floren

22

Kreuzer

4

1/2

Heller

 

 

Den Rest muüten die Freirichter der Gemeinden je

nach ihrem Besitztum bezahlen.

 

Seitendorf hatte von März – Dezember 1778 *) eine

starke Österreichische Einquartierung, die der

Gemeinde eine Ausgabe von 626 Thalern verursachte,

"die aber noch nicht hat können ausgeglichen oder

 

*) Bayerischer Erbfolgekrieg

 

 

 

 

 

 

 

 

 

-53-

 

 

 

einander vergütigt werden, derweil die Leute

durch verflossenen Herbst und Winter wegen der

größen Geldabgaben und starken Lieferungen an

die K.K. Truppen, wie auch an der erlittenen

Einquartierung in so große Armut geraten, …

daß viele ihre Wirtschaften aufgaben und ver-

kaufen wollten". *) Einige Österreicher ver-

suchten auch Erpressungen. In einem Hof im

Oberdorf sind noch die Säbelhiebe an einer

alten Haustür sichtbar, weil der Besitzer nicht

gutwillig öffnete. Da die Bande, es sollen

3 Soldaten und 1 Schuster aus Bärnwald gewesen

sein, den kleinen Sohn des Bauern nicht finden

konnten, mit dem sie von dem Bauern ein Löse-

geld erpressen wollten, (man hatte das Kind

im Backofen versteckt), zogen sie mit dem letzten

Geld und den Habseligkeiten der aufgebrochenen

Lade (Truhe) ab. Dem Erzählen nach ist der

Anführer in Königgrätz hingerichtet worden. Aus

Dankbarkeit, daß dem Kind nichts geschehen war,

ließ sein Vater auf dem Weg zum Spitzigen Berge

(über’s Hoch, Wölfelsdorf nach Maria Schnee)

einen Bildstock errichten **).

 

Nach dem Frieden in Teschen im Mai 1779 erhielten

die Dörfer der Grafschaft Glatz wegen der Verluste

durch den Erbfolgekrieg vom König ein Gnaden-

geschenk von 7.396 Reichsthalern. wovon den

 

*) Seitendorfer Gemeinde-Archiv

**) Der Vater war der Ururgroßvater der Verfasserin

 

 

_54_

 

 

 

 

Dörfern der Herrschaft Schnallenstein 1.319

Thaler und 28 Silbergroschen zufielen *).

 

 

Wirtschaftlicher Aufschwung unter der Regierung

Friedrich II (der Große)

Da nun unsere Vorfahren zu Preußen gehörten,

traten für sie andere Verhältnisse ein, an die

sie sich nur schwer gewöhnen konnten. Die meisten

Dörfer waren nun Grenzorte geworden und empfanden

als solche die Trennung von ihrem ehemaligen

Mutterlande und Herrscherhaus in Wien stärker,

als die weiter landeinwärts gelegenen Gemeinden.

Die Zollschranken der neuen Regierung waren ihnen

verhaßt, trennten sie doch die Bewohner von ihren

Verwandten und Bekannten drüben in Böhmen. Auch die

geschäftlichen Beziehungen wurden aufgehoben,

denn es konnte kein Holz mehr nach Senftenberg

und Kuttenberg geflößt werden. Doch bald erfreute

man sich eines wachsenden Wohlstandes. Der Holz-

reichtum der großen Wälder bekam einen neuen

Absatz. Die Flößer wurden Holzfuhrleute und

brachten im Winter viele Klafter Holz zu den

Bleichplätzen der Leinwandhändler nach Rosenthal

und Mittelwalde. In den höher gelegenen Dörfern

unserer Heimat wurde schon seit der Besiedelung

Flachs angebaut und die Leinwandweberei als

Hausindustrie betrieben.

Gleich nach dem 1. Schlesischen Krieg erließ

Friedrich d. Gr. ein Gesetz: Die Leinwand- und

 

*) Amtsjournal im Rosenthaler Pfarr-Archiv

 

– 55-

 

 

 

 

Schleierordnung. Diese Maßnahme brachte

einen ungeheueren Aufschwung der Leinwand-

weberei und des Leinwandhandels.

 

Der Flachsanbau wurde von neuem gefördert.

Früher mußte die selbstgewebte Leinwand als

Abgabe an das Königliche Rentamt nach Glatz

gebracht werden und war meistens von weniger

guter Qualität. Durch die Leinwandordnung

wurden einheitliche Maße festgesetzt. Es

wurden Spinnstuben errichtet, die die jungen

Leute besuchen mußten. Das gesponnene Garn

durfte nur eine bestimmte gleichmäßige Dicke

haben und die gewebte Leinwand ein bestimmtes

Maß in der Länge und Breite. Zur Kontrolle

der Weber wurde in jedem Dorf ein vereidigter

Leinwandbeschauer angestellt. War ein Stück

fertig gewebt, mußte es zum Beschauer gebracht

werden. Hatte es die vorgeschriebene Länge

und Breite und war frei von Webfehlern,

wurde es an beiden Enden gestempelt, wofür

eine kleine Gebühr zu zahlen war. Nun konnte

die Leinwand an den Leinwandhändler Verkauft

werden, der das Bleichen durchführte und an-

schließend seinen Handel betrieb. Die Weber

arbeiteten auf eigene Rechnung, waren also

keine Lohnweber.

 

Bald zeichnete sich die Schlesische Leinwand

durch gleichmäßiges, feines Gewebe aus und

wurde ein begehrter Welthandelsartikel.

Die Leinwandhändler konnten nur noch mit Mühe

ihre Aufträge erledigen. Wollte ein Weber das

Land verlassen, wurde ihm mit Strafe (Festungs-

 

 

_ 56 _

 

 

 

 

arbeit) gedroht. Fehlende Buntweber holte der

König sogar aus dem Ausland herein und versprach

ihnen zehn Jahre Befreiung von allen Öffentlichen

Lasten.

 

Über die Ausdehnung des Leinwandhandels gibt

es einige Aufzeichnungen im Rosenthaler Pfarr-

und Marienthaler Gemeindearchiv. Im Jahre 1753

wurden auf den Rosenthaler Bleichen 1850 Schock

Leinwand gebleicht und im Jahre 1756 hier auf

139 Webstühlen gewebt. In Marienthal scheint die

Blütezeit der Weber im Jahre 1774 gewesen zu sein,

damals wurde auf 93 Webstühlen gearbeitet. Auf

den Rosenthaler Bleichen wurden 1777 ungefähr

4.900 Schock Garn und Leinwand gebleicht. Um 1780

fällt die Zahl der Weber ab. In Marienthal arbeiten

im Jahre 1785 nur noch 40, deren Leinwand (796

Schock) einen Wert von 4.734 Thalern und 8 Silber-

groschen ausmachte. Von Seitendorf findet sich

diesbezüglich keine Aufzeichnung. Es ist aber mit

Sicherheit anzunehmen, daß die Leinwandweberei

in unserem Dorf in jenen Jahren vergleichbare

Ausmaße hatte. Die vielen Dörrhäuser, die in

Seitendorf standen, gehen auf diese Zeit zurück

und weisen auf eine intensive Verarbeitung des

Flachses hin.

 

Das Zentrum der Leinwandindustrie innerhalb der

Herrschaft Schnallenstein lag in Rosenthal. Hier

wohnten die Garnsammler, Bleicher und Leinwand-

händler – älteren Leuten sind ihre Namen noch

bekannt. Die Firmen Bernhart, Volkmer, Höcker,

Stumpf und Lux hatten Weltruf. Die fünf größten

 

 

– 57 –

 

 

Bleichen lagen in Nieder-Rosenthal, zwei davon

auf dem Stumpf’schen Gute. Jede dieser Bleichen

brauchte in der stärksten Betriebszeit jährlich

ungefähr 1.600 Klafter Holz. lm Schnallensteiner

Revier war das Holz damals billig, die Klafter

1 Thaler, in den königlichen Forsten 26 Silber-

groschen. So hatten die herrschaftlichen Forsten

neuen Absatz gefunden, denn die Holzflößerei

war endgültig vorbei, wie schon berichtet.

 

Durch das Aufblühen der Leinwandindustrie kam

allgemeiner Wohlstand in dem Gebiet der Herr-

schaft Schnallenstein auf. Pfarrer Rauch (1820 –

1842) beschreibt diese Zeit mit folgenden Worten:

"Alte Leute wissen nicht genug jene glücklichen

Zeiten zu preisen und nicht auszusprechen, was

für eine Tätigkeit, für ein Überfluß und welch

froher Lebensgenuß in allen Familien und

Häusern geherrscht hat. Es war ein Verkehr,

ein Leben wie in der Stadt. Die Bauern fuhren

den Winter über viele tausend Klafter Holz

zu den Bleichen ~ der kleine Mann hatte nicht

nötig, das von der Herrschaft freigegebene

Raff- und Leseholz zu sammeln. Bei seinen

Geldmitteln zog er es vor, von der Herrschaft

sich das nötige Brennholz anzukaufen – während

die weiblichen Familienmitglieder unter Gesang

und Frohsinn den beliebten und stark gesuchten

Handelsartikel durch Spinnen und Weben fabrizier-

ten. War der Sonnabend angebrochen und das Stück

versilbert, so kehrte der vergnügte Weber zuerst

beim Bäcker ein, sich zu laben in Maß und Ehren

 

_ 53 _

 

 

 

 

mit einer Semmel und einem Trunk Branntwein.

Aber mehr als seine eigene Stärkung lag ihm am

Herzen, für den kommenden Sonn- und Feiertag,

den lieben Ruhetag, den Seinen daheim ein

fröhliches Labsal zu bereiten. Deshalb kaufte

er einige Mäßel Weizenmehl und sprach noch beim

Fleischer vor – der Rosenthaler Fleischer

schlachtete in jenen Zeiten alle Wochen 2 Ochsen

die konsumiert wurden – und ließ auch den Brauer

nicht unbesucht. Seine ihn unterstützenden

Familienmitglieder sollten am Sonntag zum Lohne

für Fleiß und Mühe nicht mit Wasser, sondern mit

Bier sich laben. Wenn es faktisch ein goldenes

oder Silbernes Zeitalter für die hiesige ober-

ländische Gegend gegeben hat, so ist es der

Zeitraum von 1753 ~ 1805".

 

Trotz aller Vorteile der Leinwandordnung ver-

suchten die Weber und Leinwandhändler, sie

zu umgehen. Sie sahen dieses Gesetz als Eingriff

in ihre Freiheit an und konnten nur durch An-

drohung schwerer Strafen und durch Zerschneiden

der schlechten Gewebe zur Herstellung der Lein-

wand mit den vorgeschriebenen Maßen und guter

Qualität gezwungen werden. Schuld daran waren

auch die Leinwandbeschauer, die ihr Amt auch

nicht ganz redlich versahen. Aus Rücksicht auf

Verwandte und Freunde stempelten sie oft die

Leinwand, ohne sie nachgemessen oder auf Fehler

untersucht hatten. Einige Weber schafften sich

sogar falsche Stempel an, um die Gebühren zu

umgehen und ihre fehlerhafte Ware ohne Kontrolle

 

 

-59-

 

 

 

 

auf den Markt zu bringen. Auch die Geschäfts-

gebaren der Leinwandhändler waren nicht immer

einwandfrei. Bei flottem Geschäftsgang holten

sie oft selbst die Stücke bei den Webern ab,

ehe sie beschaut und gestempelt waren. War die

Nachfrage gering, drückten sie die Preise, wurden

sie mit den Webern nicht einig, machten sie mit

Rotstift Zeichen auf die Leinwand, damit der

nächste Kaufmann auch keinen höheren Preis

bezahlte. Dieses Treiben wurde 1776 bei Strafe

verboten.

 

Mit dem geschilderten Wohlstand zog aber auch

ein Verfall der guten Sitten und das Streben

nach Luxus in unsere Heimat ein. Der Marien-

thaler Freirichter Rupprecht beschreibt das

Treiben seiner Zeitgenossen so: "Die Zeiten

waren gottlos und hoffärtig, denn es geht

jetzt im Schwunge die täglich zunehmende

Falschheit, Hurerei und Buhlerei, Lügen und

Betrügen, so daß sich wahrhaft niemand wundern

sollte, wenn große Strafen sich heran nahten.

Die Hoffart und Kleiderpracht steht anjetzo

in einer solchen Zunahme, daß, wo der Vater in

einer Leimet bekleidet, anjetzo der Sohn in

einem feinen, auch noch dazu in einem ausländischen

Tuche mit vergoldeten Knöpfen besetzten Kleide

hergeht, und, wo die Mutter annoch in einer

gemeinen Kleidung gehet, so geht die Tochter

von unten in Pantoffeln, anstatt der schlechten

Schuhe, in Hamburger fein gefärbten Strümpfen,

mit schön, feinen, von sauberer Arbeit Gürteln,

 

-60-

 

 

 

 

hernach in einem raschenen oder sonst

ausländischen Zeuge gezwister Rock, goldene

und silberne Schnüre um das sogenannte Mieder,

um den Hals habende feine Korallen oder Bernstein,

den Pelz oder Wams von Rasch oder Zeug mit

feinen, seidenen Bändern besteckt, so daß kein

Mensch mehr sagen kann, was Bürger, Herr oder

Handwerker oder gar Bauer und gemeiner Stand sei".

 

Friedrich d. Große hatte große Schwierigkeiten

mit der Einführung des Kartoffelanbaus. Schon

im April des Jahres 1756 empfahl der Glatzer

Landrat den Anbau *), aber ohne Erfolg. Neun

Jahre später, im Februar 1765 wurde vorgeschrieben,

daß jeder Bauer eine der Größe der Wirtschaft

entsprechende Menge anbauen mußte. Es hat noch

Jahrzehnte gedauert, ehe man mit der unbekannten

und aufgezwungenen Knolle zu einem lohnenden Anbau

kam. Mit der Zeit stellte sich heraus, daß gerade

in den höhergelegenen Gebirgsdörfern mit den

leichten, durchlässigen Bäden ein sehr guter

Ertrag erzielt wurde und die Kartoffel sich dann

sogar zu einem Hauptnahrungsmittel entwickelte.

Auch die Schafzucht wurde unter Friedrich d. Gr.

eingeführt, gewann aber keine wesentliche Bedeutung.

Nur auf den Freirichtergütern wurden größere

Schafherden gehalten, was auch in Seitendorf

zutraf. Der Schafstall befand sich auf dem jetzigen

Gehäft von Boese, Richard, unweit des Gehöftes befand

sich der "Schafteich", in welchem die Tiere vor

 

 

*) Amtsjournal ‚

 

-61-

 

 

der Schafschur gebadet wurden. Die gewonnene Wolle

fand meistens Verwendung im eigenen Haushalt.

Ein "Stein" *) Wolle wurde während des Sieben-

jährigen Krieges durchschnittlich mit 7 Gulden

bezahlt. Auch wurde etwas Hopfen angebaut, der

den Bedarf der ansässigen Brauerei deckte.

Die Haupteinnahmequelle für unser Dorf blieb

seitdem der Flachs, aber auch der Getreideanbau

wurde intensiviert. Es wurde Korn, Gerste, Hafer,

Erbsen, Wicken und etwas Weizen angebaut. Die

Felder wurden mit Stallmist und Kalk gedüngt.

Kalk holte man vom Kalkofen in Melling, später

von den Öfen in Rosenthal und Herzogswalde.

Trotz des wachsenden Wohlstandes herrschte eine

gewisse Spannung zwischen unseren Vorfahren und

der neuen Regierung, hervorgerufen dadurch, daß

der französische General Fouque Gouverneur

der Grafschaft Glatz war und ein "strenges

Regiment" führte und öfters gegen die katholische

Kirche und ihre Priester vorging (Märtyrertod

Pater Faulhabers, Glatz).

Wie schon erwähnt, wurde wenige Jahre vor dem

Übergang der Grafschaft Glatz in preußischen

Besitz die Herrschaft Schnallenstein an einen

Grafen von Althann verkauft. Als im Jahre 1737

Wenzel Michael II Graf von Althann starb, fiel

die Herrschaft Schnallenstein lt. Ehevertrag als

"Witwen- und Hauseigentum" an seine Gattin Aloisia

geb. von Dietrichstein. Die neue Besitzerin lebte

in Brünn und soll nur zweimal unsere Gegend besucht

 

*) festgefügter Ballen

 

 

 

_ 52 _

 

 

 

 

haben, hat aber "vortrefflich" für ihre

eigenen Interessen, wie für das Wohl ihrer

neuen Untertanen Sorge getragen. Die Gräfin

kaufte in Seitendorf das zweite Bauerngut

oberhalb der Kirche (Eltner Richard) zur

Errichtung einer Gerichts- und Amtskanzlei

und stellte für die Herrschaft Schnallenstein

einen eigenen Justitiarius an. (Noch vorhandene

alte Kaufverträge tragen seine Unterschrift

und die der Gräfin von Althann, geb. Dietrich-

stein zu Brünn).

Die Waldungen unterstanden einem jungen Bauern-

sohn aus Seitendorf namens Hauck, der es vom

einfachen "Waldbereuter" zum herrschaftlichen

Amtsverwalter und später zum Wirtschafts-

Direktor brachte. Dieser reiste zweimal jährlich

nach Brünn, um der Gräfin Bericht zu erstatten

und die Renten abzuführen, wobei er immer die

Weisung erhalten haben soll, die Untertanen

nicht zu unterdrücken. Öfters gab ihm die

Gräfin einen Teil der Renten zur Verteilung

an die Armen der Herrschaft zurück. Leider

befolgte der Amtsverwalter Josef Hauck nicht

immer die Befehle seiner Herrin und ging oft

rücksichtslos vor. Er trug sich mit dem Gedanken,

eine herrschaftliche Brauerei und Brennerei in

Rosenthal zu errichten, da diese Regalien nur

von den Freirichtern gegen einen Zins an die

Herrschaft betrieben wurden. Doch konnte

dieser Plan erst nach dem Siebenjährigen Krieg

ausgeführt werden. Schon bei der Grundstücks-

beschaffung ging der Direktor Hauck rücksichtslos

gegen kleine Auengärtner vor, so daß er sich

 

 

_63_

 

 

 

 

eine schwere Rüge vom Landrat in Glatz ein-

handelte. Diese hinderte ihn nicht, seinen

Plan zu verwirklichen. Er erlaubte sich bald

darauf einen neuen Eingriff in fremde Rechte

und setzte sich durch die Zerstörung der Ruine

Schnallenstein ein trauriges Denkmal. Zu dem

Bau der Rosenthaler Brauerei ließ er die

alten Burgmauern abtragen, ohne den Seitendorfer

Freirichter zu fragen, dem nach altem Recht

die Burgruine gehörte. Dieser konnte durch

eine Eingabe an den Landrat in Glatz glücklicher-

weise verhindern, daß die Mauern gänzlich abge-

tragen wurden.

 

Der Bau des Brauhauses brachte noch weiteren

Ärger. Die Dörfer der Herrschaft weigerten sich,

die notwendigen Hand- und Spanndienste zu leisten,

wurden aber nach einem Rechtsstreit zur Robot

verpflichtet. Das neue Brauhaus brachte den

Freirichtern und ihren Brauereien große Nach-

teile. Sie mußten nach und nach das Bierbrauen

aufgeben. Mit dem Ausschank des in der herr-

schaftlichen Brauerei hergestellten Bieres

wurde am 1. Januar 1770 begonnen.

 

Der Preis betrug:

 

für

1

Ganzes Faß

8

Gulden

30

Kreuzer

Heller

für

1

Eimer

2

Gulden

7

Kreuzer

3

Heller

für

1/8

Eimer

Gulden

16

Kreuzer

Heller

 

 

Die Gastwirte durften das Quart Bier nicht teurer als 1 Kreuzer, 3 Heller verkaufen.

 

 

– BILD –

 

Burgruine Schnallenstein (1978)

 

 

Aloisia von Althann starb zu Brünn im

Jahre 1783 im Alter von 83 Jahren, allgemein

betrauert von ihren Untertanen. Die Herrschaft

Schnallenstein fiel als Erbe an die Enkelin

der Gräfin, Wilhelmine Reichsgräfin von

Starhemberg, von der sie jedoch schon im

folgenden Jahr an den Major Michael von

Stillfried auf Neurode für 145.000 Gulden

verkauft wurde. Wegen seiner Schulden ver-

äußerte dieser eine ganze Anzahl von Wald-

parzellen und verschiedene Gerechtigkeiten.

Nach der Übernahme der Herrschaft begann er,

auch die Rechte der Grundherren festzustellen.

Das brachte einen jahrelangen Streit mit den

Gemeinden, den sogenannten Urbarial-Streit.

Durch die Reihe der Jahre war es möglich

geworden, daß die 11 Freirichter und die Unter-

tanen der Herrschaft Schnallenstein sich

verschiedene Gerechtigkeiten angeeignet oder

Leistungen verschwiegen hatten, auch ging es

wieder einmal um die umstrittenen Robot-

leistungen. Es kam zu Unruhen und Prozessen.

Um diese ferner zu verhüten, erließ Friedrich

der Große im Dezember 1784 eine Verordnung,

daß in Schlesien und der Grafschaft Glatz

die sogenannten ungemessenen Dienste der Unter-

tanen in gemessene umgewandelt werden mußten.

Nach jahrelangen Verhandlungen erhielt das

neue Urbarium die königliche Bestätigung am

19. Januar 1800. Nach diesem Urbarium leisteten

die Gemeinden keine Naturaldienste mehr, zahlten

aber dafür außer dem schon bestehenden Robot-

und Flößholzgeld, je nach der Bespannung,eine

_ 66 _

 

 

 

jährliche Rente an den Grundherren. Als neue

Abgabe kam noch das sogenannte Hausgenoßgeld

hinzu in Höhe von 2 Gulden, 7 Kreuzer, 3 Heller

pro Jahr, auch die Auszügler mußte es bezahlen.

Die Freirichter konnten sich teilweise etwas –

besser durchsetzen. Dem Seitendorfer Freirichter

wurde sogar die hohe Wildbahn auf dem zu seinem

Gut gehörenden Engelhardt-Stück eingeräumt.


Michael von Stillfried erlebte den Ausgang des

von ihm begonnenen Streites nicht, er starb

im August 1796. Nach seinem Tode kam die Herr-

schaft Schnallenstein an seinen Sohn Friedrich

von Stillfried auf Hausdorf. Wegen seiner Ver-

schuldung verkaufte er die Herrschaft Schnallen-

stein im Juni 1800 an den hessischen Obrist-

Lieutenant Wilhelm Christian van der Busch an

der Lahn in der Grafschaft Mansfeld für 205.000

Thaler.


Im August desselben Jahres kam der neue Besitzer

nach Rosenthal. Er widmete seine ganze Aufmerk-

samkeit dem neuen Besitz und dem Wohle seiner

Untertanen. Er ließ das ganze Gebiet der Herr-

schaft mit neuen Grenzsteinen markieren, trat

aber keinem Nachbarn zu nahe und war in jeder

Beziehung sehr gerecht. Die Dorfstraße ließ er

auf eigene Kosten ausbessern, seine Bedienten

mußten dabei helfen. Damit den Dorfbewohnern bei

plötzlichen Erkrankungen und Unglücksfällen schnelle

Hilfe gebracht werden konnte, ließ er einen jungen

Mann von seinem Arzt als Krankenpfleger ausbilden


_ 57 _

 

 

–Bilder–

 

Grabplatte im Seiteneingang der Kirche

 

Name und Jahreszahl sind nicht eingemeißelt, auch nicht überliefert


Gmeindesiegel und Unterschriften unter einem Kaufvertrag

dem Jahre 1780. Das Original zeigt in der Mitte des

Siegels den hl. Michael, der Rand des Siegels trägt

Inschrift: Gemeind Seitendorff – Grafschaft Glatz

I

 

 

und schenkte ihm Bücher und Geld für Arznei-

mittel und Aderlaß-Werkzeuge. Obwohl er noch

viele Pläne hatte, verließ er im Dezember 1802

Rosenthal und kam nicht wieder. Ganz unvermutet

verkaufte Herr van der Busch im Dezember 1803

durch seinen Bevollmächtigten die Herrschaft

Schnallenstein für 206.000 Thaler an

Anton Alexander Graf von Magnis auf Eckersdorf.

Warum Herr van der Busch um das geringe Plus

von 1.000 Thalern verkaufte, ist ein Geheimnis

geblieben. Sein Weggang wurde jedenfalls sehr

bedauert.


_ 69 _

 

 

 

IX. Unsere Heimat zur Zeit der preußisch-

napoleonischen Kriege (1806-07 /1813-15)


Kurz nach der Jahrhundertwende brachen erneut

schwere Zeiten für die Bewohner unserer Heimat

an.
Erwähnt seien aber noch die neunziger Jahre des

18. Jahrhunderts, die durch ganz abnorme

Witterungsverhältnisse den Leuten im Gedächtnis

blieben. Der Stückmann Ignaz Winge aus Freiwalde

hat ein Tagebuch geführt, dessen Eintragungen

1793 beginnen und 1826 schließen *). Als Bauer

schreibt er natürlich vom Wetter und der Ernte,

aber es finden sich noch einige interessante

Notizen. Im Jahre 1793 fiel am 24. Mai noch Schnee,

dagegen war der Winter ausnahmsweise mild, so daß

die Leute bis zum 20. Febr. 1794 barfuß gehen

konnten. Es folgten ein zeitiges, warmes Frühjahr

und ein heißer Sommer. Schon am 26. Mai gab es reife

Erdbeeren. Zu derselben Zeit blühte das Korn,

an Mariä Heimsuchung **) konnte man schon reife Birnen

essen, am 18. Juli mit dem Roggenschnitt und am

24. Juli mit der Haferernte beginnen.

Der nächste Winter 1794/95 war äußerst streng

und lang, noch am 14. Mai 1795 lag der Schnee in

Freiwalde 1/2 Elle tief. Der Winter 1795/96

war wieder so mild, daß die Bauern im Dezember

und Januar noch Korn säen konnten, das sich

sehr gut entwickelte. "Anno 1798 am Neuen Jahr

ist ein so hoher Schnee gewesen, daß die Leute

mit großer Not haben das Gesinde holen können.



*) nach Pfarrer Rauch

**) 2. Juli




-70-

 

 

 

 

Der Schnee hat die Häuser eingedrückt,

und es sind in diesem Jahre viele Leute

erfroren". Ähnlich war der Winter 1799/1800,

in dem "die Leute in den Stuben halb erfroren

sind". Auch machten sich die Folgen des Krieges

mit Frankreich bemerkbar – "bei diesem kalten

Winter ist nichts zu verdienen gewesen und

alles sehr teuer".

Mit dem Jahre 1804 begann die unglücklichste

Zeitperiode des 19. Jahrhunderts. Eine große

Mißernte ließ die Getreidepreise fortwährend

ansteigen. Schon zu Mariä Geburt (8. September)

kostete der Scheffel Korn oder Weizen 8 – 10

Gulden, zu Martini bereits 13 Gulden, für einen

Scheffel Hafer mußte man 5- 6 Gulden bezahlen.

Es folgte ein langer strenger Winter, von

Allerheiligen 1804 bis Anfang Mai 1805 lag

tiefer Schnee. Es fehlte in unserer waldreichen

Gegend an Brennmaterial, weil wegen des tiefen

Schnees kein Holz aus dem Wald geholt werden

konnte. Ungünstige Witterungsverhältnisse

machten die Hoffnung auf eine neue bessere Ernte

zunichte. Frühjahr und Sommer waren naß und kalt;

unser Tagebuchschreiber säte am 2. Juni den letzten

Hafer, "da ist ein so kalter Wind gegangen, daß

man die besten Handschuh hat anhaben müssen".

An Bärnwalder Fahrt (15. August) war das Korn

noch grün, es konnte erst im September mit der

Roggenernte begonnen werden. Im Juni galt der

Scheffel Korn 24-26 Gulden, der Scheffel Gerste

20 Gulden. Der früh beginnende Winter vernichtete

noch viel von der Ernte – "am 4. Oktober haben wir


_ 71 _

 

 

 

 

in dem gefrorenen Schnee Hafer gehauen und haben

die ledernen Pelze angehabt und noch im völligen

Hauen genuge gefroren weil es schrecklich wehte“.

Um noch größere Not zu vermeiden, wurde die

Ausfuhr von Lebensmitteln nach dem von der

Hungersnot noch weit mehr heimgesuchten Böhmen

verboten und die Grenze mit Militär besetzt.

In Senftenberg in Böhmen bezahlte man für

einen Scheffel Korn oder Weizen 30-32 Gulden.

Dort war die Not so groß, daß viele Leute

verhungerten oder mit Weib und Kind als Bettler

in die Fremde zogen. Auch herrschte Typhus in

Böhmen.

Um das Elend zu mindern, ließ König Friedrich

Wilhelm III die Magazine öffnen und Getreide

zu mäßigen Preisen an die notleidenden Gemeinden

verkaufen, den Scheffel Korn für 5 Gulden,

20 Kreuzer. Der Bäcker mußte davon Armenbrot

backen, welches der Gemeindescholze dann an die

bedürftigsten Personen verteilte.


Durch den Frieden zu Preßburg im Dezember 1805

war der Frieden zwischen Preußen und Frankreich

nur aufgeschoben worden. Friedrich Wilhelm III

sah sich 1806 gezwungen,Napoleon den Krieg zu

erklären. Weit vom Kriegsschauplatz entfernt,

hörten die Bewohner unserer Heimat zunächst nur

von den entsetzlichen Niederlagen des preußischen

Heeres. Erst im Sommer 1807 kam es zu feindlichen

Übergriffen in der oberen Grafschaft. Zuvor,

im Februar, hatte der General-Gouverneur von

Schlesien, Fürst von Pleß, der Glatz verteidigen

sollte, in unsere Gegend 2 Regimenter einquartieren


_72_

 

 

 

 

lassen, die aber bald wieder aufgelößst

werden mußten, weil ein großer Lebensmittel-

mangel herrschte. Graf von Götzen löste den

unfähigen Fürsten von Pleß ab und sammelte

unter persönlichen Opfern eine neue Armee,

die fast ausschließlich aus Grafschafter

Männern bestand. Bei der mit großer Eile

betriebenen Bildung der Regimenter konnte

die Bewaffnung und Ausrüstung keine einheit-

liche sein. "Die Soldaten hatten lange und

kurze, dicke und dünne Gewehre, grüne, blaue

und braune Montierung, daß es oft lächerlich

ausfiel“. Trotzdem hat Graf von Götzen mit diesen

schlecht ausgebildeten, aber tapferen Truppen

dem Feind sehr zu schaffen gemacht. Doch das

Mißgeschick Preußens konnten auch sie nicht

abwenden. Alle schlesischen Festungen fielen,

nur Kosel in Oberschlesien und die Festungen

Glatz und Silberberg blieben in preußischen

Händen. Doch das hinderte die Franzosen nicht

daran, Streifzüge bis nach Mittelwalde und Um-

gegend zu machen und die verarmte Bevölkerung

zu erpressen.


Zur Tilgung der im Tilsiter Frieden festgesetzten

Kriegsentschädigung von 154 Millionen Francs

mußte die kleine Gemeinde Freiwalde 332 Thaler

Kriegssteuer zahlen. Auch für Seitendorf wird

eine ähnlich hohe Summe zu zahlen gewesen sein.


Nach dem Friedensschluß räumte zwar der Feind

die Gegend,dafür wurden aber 2 Kompanien der



_ 73 _

 

Preußen in Mittelwalde und Rosenthal ein-

quartiert, die Verpflegung hatten die benach-

barten Gemeinden mitzutragen. Die Einquartierung

dauerte 17 Wochen, die Folge waren wieder enorm

hohe Getreidepreise.

Die schweren Verluste, die der Krieg mit sich

brachte, wären zu verschmerzen gewesen und

unsere Gegend hätte sich wie nach dem Sieben-

jährigen Krieg wieder empor gearbeitet, wenn

nicht die streng durchgeführte Kontinentalsperre

den gesamten Leinwandhandel vollständig zunichte

gemacht hätte. Die Landleute mußten wieder

zurück zu dem weniger gewinnbringenden Getreide-

bau und hatten bei geringerem Einkommen größere-

Steuerlasten zu tragen. Außerdem erfolgte noch

ein Kurssturz der Münze, die nur noch 2/3 des

Nennwertes hatte.

Die Jahre 1811/12 brachten wegen sehr trockener

Sommer wieder Mißernten. Die Bauern waren ge-

zwungen, fast die Hälfte des Rindviehbestandes

billig zu verkaufen, was zur Folge hatte, daß

in den nächsten Jahren ein großer Mangel an

Schlachtvieh eintrat und die Preise erneut in

die Hähe trieb. Krankheiten,wie Ruhr und Typhus,

traten auf und forderten mehrere Opfer.


Am Feldzug Napoleons nach Rußland 1812 nahmen

auch Soldaten aus unserer Heimat teil. Im Januar

1813 wurden alle Reservisten nach Glatz einbe-

rufen. Am 17. März erließ König Friedrich

Wilhelm III in Breslau den denkwürdigen Aufruf:

"An mein Volk"!

Daraufhin kam es zur Bildung von Freischaren.


-74-

 

 

 

 

Am 14. April wurden in der oberen Grafschaft

160 Männer zwischen 17 und 40 Jahren ausgehoben.

Sie wurden in Mittelwalde, Rosenthal und Ebers-

dorf einexerziert und Ende Mai der Landwehr in

Glatz zugestellt. Als sich Österreich mit Preußen,

England und Rußland im August 1813 Verbündete,

begann der Vormarsch der Preußen und Russen über

Mittelwalde und Reinerz. Der Einmarsch nach

Österreich dauerte eine ganze Woche. Außer dem

Unterhalt der Truppen mußten unsere Bauern Vieh

und große Mengen an Getreide, Heu und Stroh an

die Festung Glatz liefern. Auch mußten sie

mit den Pferden Vorspann leisten. Manche Bauern

kamen über 8 Wochen lang mit ihren Pferden

nicht nach Hause.


Pfarrer Grond (1809 – 1820) aus Rosenthal berichtet:

"Wie traurig es zur Ernte und Herbstaussaat aussah,

kann sich niemand vorstellen. Alte Leute und

Weibspersonen, die noch einige Kräfte hatten,
mußten tätig sein. Dazu kam der Kurssturz. Wer

noch etwas besaß, mußte es zubüßen, die anderen

mußten Schulden machen, um die Abgaben zu be-

gleichen. Alles flehte zu Gott, daß er den Feind

demütige und der langersehnte Friede kommen möge.

Endlich wendete sich das Glück und der verruchte

Napoleon wurde geschlagen und nach Elba verbannt.

Die Monarchen hielten einen Kongreß in Wien und

es schien, als sollte die Welt ewig Frieden haben“.

Am Pfingstfeste 1814 wurde in allen Kirchen ein~

feierliches "Te Deum" gehalten, um Gott für den

Sieg der Verbündeten und die Einsetzung des ‚

 

 

-75-


 

Papstes in seine früheren Rechte zu danken.


Weiter berichtet der Chronist über das Geschehen

im Jahre 1815: „Während der Wiener Kongreß

tagte und man dort durch Bälle, Komödien und

Gastereien die kostbare Zeit vertrödelte, ist

Napoleon mit großer Betrügerei von der Insel

weggefahren und hat ein neues Feuer angezündet".

Doch Gott erhörte das Flehen der gedrückten

Menschheit, der Feind wurde geschlagen und

Napoleon für immer unschädlich gemacht. lm

Dezember 1815 kehrten die Soldaten in die

Heimat zurück. Für die Gefallenen wurde in

allen Kirchen ein feierlicher Trauergottesdienst

abgehalten.

 

 

Endlich waren Frieden und Ruhe eingekehrt, und

die Bevölkerung konnte sich langsam von den

Folgen der Befreiungskriege erholen. Doch Wohl-

stand konnte sich nur in ganz bescheidenem Maße

einstellen. Die Leinwandindustrie erholte sich

nicht mehr. In unserem Dorf betrieben nur noch

wenige Weber oder Weberinnen ihr Handwerk und

das auch nur zeitweise. Man fing an, mit Baumwoll-

garnen zu weben, meistens für den Eigenbedarf und

für Verwandte und Bekannte.

 

 

1831 und 1832 waren Unglücksjahre. Im Frühjahr 1831

bekamen die meisten Leute einen bösartigen Husten,

der sie krank und elend machte. Im Sommer brach

die Cholera aus. Wie schlimm und gefürchtet dieser

Epidemie war, zeigt, daß die Österreicher sogar die


-76-

 

 

 

Grenze besetzten, um ein Einschleppen der Seuche

zu verhindern. In Seitendorf ist erfreulicher-

weise kein Todesfall vorgekommen. Die Toten-

Matrikel berichtet, daß in diesem Jahr auch die

Bienen keinen Honig sammelten und starben. Das

Obst wurde total von Mehltau befallen und der

Flachs von Erdflöhen gefressen. Anfang Juli 1831

schlug der Blitz in den Kirchturm und beschädigte

ihn schwer. Im Dezember 1832 wütete ein furcht-

barer Sturm, er deckte die Dächer ab und

richtete in den Wäldern ungeheueren Schaden an.

 

 

Den Nachbarorten gegenüber zeigten sich die

Seitendorfer hilfsbereit. Als im März 1836 in

Schönfeld Kirche und Pfarrhaus abgebrannt waren

und die Schönfelder von ihren Filialgemeinden

keine Glocke geborgt bekamen, half die Gemeinde

Seitendorf aus. So kam die im Jahre 1792

vom Bauer und Gemeindeältesten Eltner der Seiten-

dorfer Kirche geschenkte Glocke auf ein Jahr

nach Schönfeld.

 

 

Im Jahre 1838 erhielt die Herrschaft Schnallenstein

eine neue Grundherrin. Wilhelm Graf von Magnis

verkaufte die Herrschaft an die Prinzessin

Marianne der Niederlande, Gemahlin des Prinzen

Albrecht von Preußen. Der Kaufpreis betrug

265.000 Thaler. Am 1.Dezember 1838 ließ sich die

Prinzessin feierlich mit Glockengeläut, Musik und

Böllerschüssen einführen. Zur Begrüßung hatte sich

eine große Menschenmenge eingefunden, darunter

die Geistlichen, die Lehrer, die Freirichter und

 

 

-77-

 

 

 

Scholzen der 14 zur Herrschaft gehörigen Dörfer.

Pfarrer Rauch aus Rosenthal hielt die Begrüßungs-

ansprache.

 

 

Die neue Herrin kümmerte sich sehr um die Armen.

wenn sie sich in der Gegend aufhielt, besuchte

sie stets die Schulen. Armen Schulkindern be-

schaffte sie Schiefertafeln und Lesebücher.

Unsere Großeltern konnten sich noch an ihre

Besuche in der Schule erinnern.

 

 

-78-

 

 

 

 

 

X. Seitendorf während der 2. Hälfte des

19.Jahrhunderts und der 1. Hälfte

des 20. Jahrhunderts
__________________________________


Nach den Befreiungskriegen setzten sich nach und

nach die Stein’schen Reformen durch, und die

Preußische Landgemeindeordnung trat in Kraft.

Durch sie verloren die Freirichter ihr Amt und

ihre Privilegie, was zwangsläufig dazu führte,

daß die Freirichtergüter ausschließlich bis auf

kleine Restgüter verkauft wurden. In Seitendorf

vollzog sich dieser Prozess fast dramatisch,

handelte es sich doch um das größte Freirichter-

gut in der Umgebung. In den Jahren zwischen

1845 – 1853 wechselten auf der Freirichterei

fünfmal die Besitzer. Der letzte von ihnen,

Ernst Titz, verkaufte sie dann vollständig.

 

 

Eine ganz wesentliche Veränderung erfuhr unser

Dorf, als im Jahre 1853 das Freirichtergut

vollständig zerstückelt und verkauft wurde.

In viele kleine Parzellen aufgeteilt, kamen

diese nach und nach zum Verkauf. Die Käufer

waren in erster Linie die ehemaligen Untertanen

des Freirichters, Handwerker und Arbeiter, die

sich nun selbständig machen konnten. Soweit

bekannt, stammen die kleineren landwirtschaft-

lichen Anwesen, die sogenannten Stellenbe-

sitzungen, fast ausschließlich aus dem ehe-

maligen Freirichtergut. Auch die Flurkarte zeigt

es eindeutig, denn die Felder der Stellenbesitzer

schließen sich unmittelbar an die Felder des

Restgutes "die Brauerei" an und ziehen sich über

den ganzen Dreitannenberg und den "Rückersberg"

 

 

-79-

 

 

 

bis hin zum "Fuchswinkel". Die kleineren

Besitzungen im Oberdorf stammen ebenfalls aus

der "Freirichterei". Auch konnten einige Bauern

anliegende Parzellen erwerben (’s Gittla, ’s Erbe *))

Vor allem nutzte die Prinzessin der Niederlande

die Gelegenheit, die Ruine Schnallenstein mit

dem umliegenden Schloßgrundstück und das

Engelhardtstück hinzuzukaufen. Sicher hat

sie diesen Erwerb mit Freuden getätigt, war doch

die Burg Schnallenstein zugleich Ursprung und

Symbol ihrer neuerworbenen Herrschaft.

 

 

Mit der neuen Landgemeindeordnung hob sich auch

das gutsherrliche Patrimonalgericht auf, Kauf-

verträge und dergleichen unterlagen nicht mehr

der Beglaubigung durch die Gutsherrschaft. Die

Dörfer der Herrschaft Schnallenstein wurden im

Jahre 1849 dem Amtsgericht in Habelschwerdt und

Mittelwalde unterstellt. Für Seitendorf war das

Amtsgericht in Habelschwerdt zuständig (der Kreis

Habelschwerdt bestand seit 1818).

 

 

Nach der obengenannten Landgemeindeordnung wählten

die Gemeindemitglieder die Gemeindevertretung.

Diese wählte wiederum den Gemeindevorstand,

bestehend aus 3 – 4 Schöffen und dem Gemeinde-

Vorsteher (anfangs noch als Scholze bezeichnet,

in Anlehnung an die alte Tradition). Alle Ver-

waltungssachen mußten, um rechtsgültig zu werden,

von der Gemeindevertretung und vom Gemeindevor-

stand genehmigt bzw. bewilligt sein. Polizei-

*

*) das Gütl, das Erbe



-80-

 

 

BILD

 

Ansicht von Seitendorf: Sicht vom Oberdorf

 

BILD

 

 

Sicht vom Niederdorf

 

 

 

 

verwaltungsangelegenheiten wurden vom Amts-

Vorsteher des Bezirkes wahrgenommen. Seitendorf

gehörte zum Amtsbezirk Rosenthal. Zu einem

Amtsbezirk waren mehrere Gemeinden zusammen-

gefaßt, und es gab einen Polizeiposten

(Wachtmeister). Über die Selbstverwaltung der

Gemeinden, die ehrenamtlich geschah, führte der

jeweilige Landrat des Kreises die Aufsicht.

Diese Verwaltungsform ist bis zur Vertreibung

bzw. bis Kriegsende 1945 beibehalten worden.

Während der Nazizeit wurde der Gemeindevor-

steher mit dem Titel "Bürgermeister" benannt,

der früher nur den Stadtoberhäuptern zustand.

Es ist aber manchem Bürgermeister in den Jahren

nach 1933 schwergefallen, mehr Befehlsempfänger

des Landrats und der Staatsregierung zu sein,

als erster Vertreter seiner Gemeinde.

Wie die "Partei" mitunter vorging, bekam auch

unsere Gemeinde, insbesondere einer ihrer Bürger

zu spüren. Durch einflußreiche Leute der Partei

in der Kreisverwaltung konnte im Jahre 1938/39

eine Nachbargemeinde den Anteil des Schnallen-

steiner Forstes, den sog. Oberwald, ungefähr

100 ha, an sich ziehen. Das brachte unserer

kleinen Gemeinde eine beachtliche Einbuße an

Gemeindesteuer. Gegen diese Ungerechtigkeit

setzte sich ein Gemeindevorstandsmitglied,

das sich in der Rechtslage gut auskannte, ein.

Als der Einspruch Erfolg zu haben schien, wurde

das Verfahren kurzerhand abgewürgt. Auf dem

Hof des Bauern erschien die Gestapo, drohte ihm

mit KZ-Haft und verhängte über ihn als Gemeinde-

 

 

 

-82-

 

 

 

 

vorstandsmitglied "Abstimmungsverbot . Man

gebot ihm, bei allen Beschlüssen der Gemeinde-

vertretung, keine eigene Meinung zu äußern

und sich immer der Mehrheit anzuschließen,

den Gemeindevorstand aber auf keinen Fall zu

verlassen und über die Angelegenheit strengstes

Stillschweigen zu wahren.

Auf diese Weise ließen sich in der Nazizeit

unbequeme Dinge leicht erledigen.


Doch jetzt wieder zurück ins 19. Jahrhundert.

Der Weberaufstand 1844 und das Revolutions-

jahr 1848 berührten unsere Heimat nur im Norden

der Grafschaft Glatz. Die ausschließlich

bäuerliche Bevölkerung war von diesen Problemen

nicht so sehr betroffen.

 

 

Auch die Kriege 1864 und 1866 haben das Dorf-

geschehen wenig berührt. Wohl zog die Kron-

prinzliche Armee durch das Neißetal über den

Paß von Mittelwalde in Richtung Königgrätz und

brachte den anliegenden Gemeinden für kurze

Zeit einige Unannehmlichkeiten. Ein Bauer aus

Seitendorf hatte das Pech, mit dem Pferdefuhr-

werk unterwegs zu sein, um aus Melling Kalk

zu holen. Er wurde eine Woche lang festgehalten

und mußte für die Soldaten Tornister fahren

(lt. mündlicher Überlieferung).

Der Krieg 1870/71 forderte aus unserer Gemeinde

3 Todesopfer. Eine Gedenktafel in unserer Kirche

erinnerte an die 3 Gefallenen.

 

 

-83-

 

 

 

 

Ein schwerer Herbststurm im Jahre 1868

verwüßstete die privaten, wie die herrschaft-

lichen Forsten. Alte Leute erzählten von dem

"großen Windbruch".

 

 

Mit den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahr-

hunderts begann das Industriezeitalter, was

auch in unserer Heimat seinen Eingang fand.

Die Eisenbahnlinie und eine Reihe von Straßen

wurden gebaut. Im Oktober 1875 fuhr die

erste Eisenbahn durch das Neißetal über Glatz,

Habelschwerdt und Mittelwalde, dort grenz-

überschreitend nach Brünn und Wien. Ebersdorf

wurde unsere nächste Bahnstation. Anfang der

90iger Jahre begann man mit dem Bau unserer

Dorfstraße, der ungefähr 2 Jahre dauerte.

Die Straße ist 4,5 km lang und führt von der

Kreisstraße am Ortseingang von Rosenthal mitten

durch Seitendorf hindurch, dort, wo früher der

Weg durch die Dorfau ging. Sie endete auf

einer Höhe des Dreitannenberges, Seitendorfer

Höh‘ bzw. Peucker Höh‘ genannt. ‚

 

 

Der Bau der Straße wurde von den Bewohnern

einhellig begrüßt und wirkte sich auch sehr

segensreich aus. Die neue Verkehrsader verband

nun das Dorf mit den früher so beschwerlich zu

erreichenden Dörfern im Neißetal, der Stadt

Mittelwalde und der Kreisstadt Habelschwerdt.

Dem damaligen Gemeindevorsteher Franz Bernhart

(der aale Vorsteher), wurde für seine Bemühungen

um den Straßenbau von seinen Gemeindemitgliedern

 

 

-84-

 

 

 

 

höchstes Lob ausgesprochen.

 

 

Die Seitendorfer Höhe (740 m ü//Meeresspiegel)

ist ein strategisch und topographisch wichtiger

Punkt. Von dort aus geht der Weg weiter nach

Peucker, auch die 1938 fertiggestellte Sudeten-

straße mündet in unsere Dorfstraße ein, die

dadurch zu einer Teilstrecke der Sudetenstraße

wird und die Verbindung zur Kreis- und Land-

straße herstellt. Außerdem überquert die Höhe

eine alte Handelsstraße, die Büttnerstraße,

die weit ins Glatzer Land hineinfährt. Auch

soll noch erwähnt werden, daß es sich bei dieser

Anhöhe um eine Wasserscheide handelt. Die Brünn-

lein, die am nordwestlichen Hang entspringen,

fließen in die Erlitz und somit in die Elbe,

die Brünnlein am südlichen Hand nehmen ihren Weg

zur Glatzer Neiße, also in die Oder.

 

 

– 85-

 

 

 

XI. Die Lehrer von Seitendorf

 

 

Im Jahre 1784 wurde die erste Lehrerstelle in

Seitendorf eingerichtet. Ab 1804 war sie mit

dem Küsterdienst verbunden.

Der erste Lehrer von Seitendorf hieß wahrschein-

lich Kaspar Lux. Das erste Schulhaus war das

Haus Nr. 68 (Ernst Strecke). Lehrer Franz Kober

hat noch im alten Schulhaus unterrichtet. Der

Bau des neuen Schulgebäudes fällt auf das Jahr

1843.

Verzeichnis der Lehrer

 

Kaspar

Lux

Jahre der Lehrertätigkeit nicht bekannt

 

 

Franz

Kober

Um 1840

?

?

Kastner

?

 

?

Pohl

?

1886

?

Volkmer

1886

1890

August

Gottschlich

1890

1900

?

Rother

1900

1904

Hugo

Fraeger

1904

1939

Herbert

Langer

1939

1940

?

Wonderschütz

1940

(aushilfsweise)

Maria

Hohmann

 

1945

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

XII. Gemeinde, Kirche und Schule in der Zeit vor

dem 1. Weltkrieg bis nach dem 2. Weltkrieg

bzw. bis zur Vertreibung.
________________________________________

 

Die Zusammensetzung der Gemeindeverwaltung ist

bereits erläutert worden. Hier sollen noch die

Gemeindevorsteher genannt werden, die etwa ab

1880 – 1945 die Geschicke der Gemeinde lenkten:


Um

 

1858

Franz Boese, Scholze (nach altem Schirftstück)

1880

1900

Franz Bernhart (der aale Vorsteher, verdient um den Straßenbau)

1900

1910/12

Robert Boese

1912

1924

Heinrich Franke (auch bekannt als Viehdoktor)

1924

1933

Alfred Bernhart

1933

1945

Franz Stein

1945

 

Franz Gebhardt, kurze Zeit als Stellvertreter
Josef Gottwald, kurze Zeit eingesetzt v.d. Russen
Ernst Prause, kurze Zeit bis zur poln. Verwaltung

 

 

Im Jahre 1906 erwarb die Gemeinde Seitendorf ein18 ha

großes Waldgrundstück als Gemeindewald. Eigentum der

Gemeinde war noch ein kleines Einfamilienhaus im

Niederdorf. Das Schulgrundstück umfaßte ca. 1 ha.

Schule und Kirche waren früher eng miteinander verbunden.

Der Schulmeister war Lehrer und Organist in einer

Person und versah noch den Küsterdienst. Das Amt des

Schulinspektors übte der amtierende Pfarrer der Pfarr-

gemeinde aus. Nach dem 1. Weltkrieg trat eine Änderung

im Schulwesen ein. Es wurde eine weltliche Schulauf-

sichtsbehörde geschaffen unter Leitung eines Kreis-

schulrates. Ein Schulvorstand vertrat gemeinsam mit

dem Lehrer die Belange der Schule vor der Gemeinde.

 

 

 

-87-

 

 

 

 

Die Verwaltung der Kirche bestand aus einem

Kirchenvorstand. 2 "Kirchväter" betreuten

ehrenamtlich Gotteshaus und Sakristei.Kirche

und Schule standen unter dem Patronat der

jeweiligen Grundherrschaft. Für Seitendorf

waren dies im letzten Jahrhundert Prinzessin

der Niederlande, dann ihr Sohn Prinz Albrecht

von Preußen, später Prinz Heinrich von

Preußen mit Sitz in Kamenz, daher kurz die

"Kamenzer Herrschaft" genannt. Nach dem

1. Weltkrieg ging im Zuge der Fürstenenteignung

das Patronat auf den Preußischen Staat über,

zumal auch alle Forsten der Herrschaft

Schnallenstein in den Besitz des Staates

übergingen.

 

 

In und nach den sogen. Gründerjahren entwickelte

sich auch in unserem kleinen Dorf das Genossen-

schaftswesen. Um das Jahr 1906 wurde die

Spar- und Darlehnskasse als GmbH gegründet.

Diese bemühte sich unter anderem, den Landwirten

beim Einkauf von Saatgut und Düngemitteln zu

günstigen Preisen behilflich zu sein.

Von Bedeutung für unsere Bauern war auch die

Landwirtschaftliche Bezugs- und Absatzgenossen-

schaft GmbH Mittelwalde und Umgegend mit einer

kleinen Niederlassung in Ebersdorf. Die Gründung

fällt ebenfalls in diese Zeit. Sie betrieb einen

regen landwirtschaftlichen Produktenhandel.

Viele Landwirte verkauften dort das überschßssige

Getreide und kauften je nach Bedarf Futtermittel

und Saatgetreide ein.

 

 

-88-

 

 

 

 

Um sich in einer ganz bestimmten Notlage zu

schützen, schufen die Seitendorfer Landwirte

im Jahre 1908 eine Interessen- bzw. Notgemein-

schaft, die Notschlachtvereinigung. Der Name

besagt ihren Zweck. Für die kleinen und

mittleren Landwirte war es eine große Hilfe,

wenn sie bei Unglück unter dem Viehbestand

aus dem Fond dieser Vereinigung einen Not-

groschen bekamen. Der Tierzuchtverein Glatz

und Umgegend befaßte sich hauptsächlich mit

der Verbesserung und Hebung der Rinderzucht.

Man war bemüht, gutes Milchvieh heranzuzüchten.

In Seitendorf standen in der Regel zwei

gekörte Zuchtbullen zur Verfügung. Auch wurde

etwas Schweinezucht betrieben. Einige Bauern

zogen auch Fohlen heran. Schafe und Ziegen

wurden in kleinerem Maße gezüchtet. Kleinvieh,

wie Gänse, Hühner und Enten, waren fast wie

selbstverständlich in jedem bäuerlichen

Anwesen vorhanden.

 

 

1. August 1914 – Ausbruch des 1. Weltkrieges.

Eine ganze Reihe junger Männer mußten „Mit

Gott für König und Vaterland" ins Feld ziehen.

Nach vierjährigem blutigem Ringen nahm der

1. Weltkrieg im November 1918 ein bitteres

Ende. 11 Seitendorfer Männer, Väter und Söhne,

kehrten nicht mehr heim. Sie waren auf den

vielen Kriegsschauplätzen im Osten und Westen

gefallen oder vermißt. Revolution und Friedens-

vertrag von Versailles schlossen dieses

traurige Kapitel. Gottseidank löste sich die


-89-

 

 

 

 

dräuende Wolke auf, die damals über unserer

lieben Grafschaft stand – sie wurde nicht

der neugegründeten Tschecho-Slowakei zuge-

schlagen, wie es die Siegermächte angestrebt

hatten.

 

Die sog. Goldenen Zwanziger Jahre waren

für unser Dorf alles andere als golden. Es

herrschte Zwangswirtschaft und der Verfall

des Geldes nahm von Tag zu Tag überhand,

so mancher verlor seinen letzten Notgroschen.

Trotzdem besann man sich, daß es weiter-

gehen mußte. Schon 1921 gründeten mehrere

beherzte Seitendorfer die Elektrizitäts-

genossenschaft. In den beiden folgenden Jahren

wurde das Stromnetz unseres Dorfes voll-

ständig ausgebaut und an das Elektrizitäts-

werk Mittelsteine angeschlossen. Gern nahm

man Abschied von den Petroleum-, Gas- und

Spirituslampen und bald wurden Dreschmaschine

und Butterfaß mit dem Elektromotor betrieben.

 

 

Zum Schutze der Häuser und ihrer Bewohner in

Feuersnot, wurde 1924 die Freiwillige Feuerwehr

ins Leben gerufen. Fast alle jungen Männer

des Dorfes waren bereit, den freiwilligen

Dienst unter dem Motto: "Gott zur Ehre, dem

Nächsten zur Wehr" zu tun. Hier soll unserer

Brandmeister August Steiner und Ernst Prause

gedacht werden, die sich mit viel Zeit und Mühe

der guten Sache gewidmet haben. Da die Feuer-

 

 

-90-

 

 

 

 

spritze und die Löschwerkzeuge behelfsmäßig

im Schulschuppen untergebracht waren, entschloß

sich die Gemeinde 1927, ein Spritzenhaus mit

Steigerturm zu erbauen. August Steiner stellte

dankenswerterweise zu diesem Zwecke ein kleines

Grundstück zur Verfügung.

 

 

Für die Gefallenen des l. Weltkrieges wurde

im Jahre 1926 an der Kirche ein Kriegerehrenmal

errichtet und feierlich eingeweiht. In den

Jahren zuvor war von den glücklich Heimgekehrten

unter der Initiative unseres Lehrers Hugo Fraeger

der Kriegerverein gegründet worden (Kyffhäuser-

bund). 1928 war man in der Lage, eine Vereins-

fahne anzuschaffen. Mit einem feierlichen

Festakt wurde die Fahne am 24.6.1928 geweiht und

ihrer Bestimmung übergeben. An der Fahnenweihe

nahmen auch die Vereine sämtlicher Nachbardörfer

teil, anschließend wurde tüchtig gefeiert.

Für unser Dorf war es ein großes Fest, die

Älteren unter uns können sich daran noch lebhaft

erinnern.

 

 

Das Jahr l929 begann mit einem außergewöhnlich

harten Winter. An Fastnacht, dem 12. Februar,

wurden 40 Grad Kälte gemessen. Es gab viele

Frostschäden, die meisten jungen Obstbäume

gingen ein.

Die Weltwirtschaftskrise machte sich bemerkbar.

und nahm auch für die Landwirte recht bedrohliche

Formen an. Wohl gab es für sie keine Arbeits-

losigkeit, aber sie mußten Vieh, Getreide und

Flachs zu Schleuderpreisen verkaufen. Es ist

 

 

-91-

 

 

 

 

Kriegerverein – Fahnenweihe am 24.6.1928

 

 

– BILD –

 

 

        BILD –

         

Gemeindevorstand 1924-1933

 

 

 

 

 

vorgekommen, daß Bauern ihr Getreide wieder

mit nach Hause genommen haben, weil der Müller

oder der Getreidehändler nicht zahlen konnte

oder nur einen ganz geringen Preis geben wollte.

Auch der Flachsanbau brachte nichts mehr ein,

was die Seitendorfer Bauern besonders betraf,

waren doch in unserem Dorfe die „Flachskönige“

zu Hause, was ihnen in den bessergestellten

Nachbardörfern einige Anerkennung und in "guten

Zeiten" ein klein wenig Neid einbrachte. Trotz

der schlechten wirtschaftlichen Lage hielt

man sich über Wasser. Entschuldungs- oder

Umschuldungsverfahren, die damals oft vorge-

nommen werden mußten, waren kaum zu verzeichnen.

Lediglich das ehemalige Restgut der Freirichterei,

"die Brauerei" (Land- und Gastwirtschaft),

geriet damals im Abstand von wenigen Jahren

gleich zweimal in Zwangsversteigerung. Das war

aber weniger der allgemeinen schlechten Wirt-

schaftslage zuzuschreiben, sondern dem Unver-

mögen des jeweiligen Besitzers. Nach einem Brand

im Januar 1934 kaufte Bauer Friedrich Simon die

Land- und Gastwirtschaft aus der Zwangsver-

steigerung und baute den Gasthof wieder auf. –

Nach jahrelangem Parteienstreit kamen 1933 die

Nationalsozialisten an die Macht. Doch die

Wenigsten ahnten, daß alles in einer Katastrophe

enden würde.

 

 

Am 22., 23. und 25. Mai 1935 gingen über unserem

Dorf schwere Gewitter nieder und richteten großen

 

 

-94-

 

 

 

 

Schaden an der jungen Saat und den Wegen an.

Reichsarbeitsdienst wurde eingesetzt und

half, die Schäden zu beheben.

 

 

In den Jahren 1936 – 1938 wurde die Sudeten-

straße gebaut. Das Teilstück, welches von

der Seitendorfer Höh‘ am Heidelberg entlang

bis zur Brandbaude führte, wurde auf der

einen Seite im Anschluß an unsere Dorfstraße

begonnen. Bereits im Herbst 1936 wurde auf

August Steiner’s Grundstück, unmittelbar

neben dem Gehöft, ein Barackenlager einge-

richtet. Die Baracken dienten den Arbeitern

einer Baufirma als Unterkunft, die zu dem

Straßenbau herbeigeholt wurden. Es begann

eine unruhige Zeit, denn täglich fuhren

die Lastwagen mit Steinen und Baumaterialien

durch unser sonst so stilles Dorf. Im September

1938 wurde die Sudetenstraße dem Verkehr über-

geben.

 

 

Genau eine Woche später versetzte der Einmarsch

der Deutschen in die Tschecho-Slowakei unser

Dorf in große Sorge und Aufregung. Mehrere

junge Männer wurden für kurze Zeit an die

deutsch-tschechische Grenze beordert. Sudeten-

deutsche Bauern aus den Nachbargemeinden jenseits

der Grenze brachten eine größere Herde Rindvieh

in unser Dorf getrieben, in der Annahme, einen

Teil ihres Viehs in Sicherheit bringen zu

müssen. Um das Vieh zu versorgen, wurden die

Tiere für einige Wochen auf die landwirtschaft-

lichen Betriebe verteilt.

 

 

-95-

 

 

 

 

Am 28. Januar 1938 bot sich ein noch nie

dagewesenes Naturschauspiel, was alle Gemüter

sehr bewegte. Am abendlichen klaren Winter-

himmel zeigte sich ein weithin leuchtendes

Nordlicht. Ende August des gleichen Jahres

wurde nach tagelangen Regenfällen unsere

Heimt von einer Hochwasserkatastrophe heim-

gesucht. Für unser Dorf lief sie noch glimpf-

lich ab, denn die Ernte war zum größten Teil

eingebracht. Dagegen waren die Bewohner des

Neißetals schwer betroffen. Die Neiße trat

weit über die Ufer, und die anliegenden Bauern

mußten zum Teil das Vieh in Sicherheit bringen

Die reißenden Fluten brachten Treibholz mit

sich und rissen Brücken weg oder beschädigten

sie schwer.

 

Ältere Leute betrachteten damals diese beiden

Naturereignisse als schlimme Vorzeichen. Ob

solche Dinge Glück oder Unglück bedeuten oder

ankündigen, wird nie ganz beantwortet werden.

Leider sollten die schlechten Propheten

Recht behalten.

 

 

Am 1. September 1939 brach der 2. Weltkrieg

aus, der soviel unendliches Leid über die

Menschen brachte. Auch in unserem Dorf wurden

in den ersten Wochen und Monaten alle wehr-

fähigen Männer eingezogen. Nicht nur alle jungen

Männer, sondern auch die mittleren Alters,

wurden nach und nach einberufen. Hatte der sog.

Blitzkrieg gegen Polen und Frankreich die

Hoffnung, daß alles bald zu Ende sein würde,

 

 

-96-

 

 

 

genährt, sah man sich schwer getäuscht, als

am 21.6.1941 der Rußlandfeldzug begann. Alle

Hoffnung schlug in bange Sorge um. Zudem folgten

zwei entsetzlich kalte und schneereiche Winter.

Der schlimmste war der Winter 1941/42, der

unseren Soldaten an der Ostfront unvorstellbare

Strapazen bei 45-50° Kälte abverlangte.

Die ersten Nachrichten vom Heldentod des Sohnes

oder Gatten lösten große Bestürzung und Trauer

aus. Bald trafen die Todesnachrichten in immer

kürzer werdenden Abständen in den Familien ein.

Am Ende des Krieges hatte fast jede dritte

Familie einen Gefallenen zu beklagten, manche

Eltern sogar zwei oder drei Söhne. Es war ein

grausamer, unendlich hoher Blutzoll, der von

unseren Eltern und Frauen durch diesen sinn-

losen Krieg gefordert wurde. Der 2. Weltkrieg

von 1939 – 1945 hat 27 Männern unserer kleinen

Gemeinde das Leben gekostet, gefallen oder

verschollen auf den Schlachtfeldern Europas

oder auf See.

 

 

Es muß auch erwähnt werden, wie schwer es viele

Frauen hatten. Weil der Mann an der Front stand,

mußte die Frau oft jahrelang die Landwirtschaft

allein führen. Das bedeutete, oft schwere

Männerarbeit zu leisten und nebenbei die Kinder

zu erziehen, immer mit der bangen Sorge im

Herzen, ob der Mann auch glücklich wiederkommt.

Zwar waren Kriegsgefangene, zuerst Ukrainer,

dann Franzosen, später Russen zur Arbeit eingesetzt,

aber sie waren mehr oder weniger Hilfskräfte,

die manchmal von Landwirtschaft wenig oder gar

keine Ahnung hatten. Ihr Lager befand sich auf

 

 

-97-

 

 

 

dem Saal der "Brauerei".

 

 

Im Sommer 1944 kamen einige evakuierte Frauen

mit kleinen Kindern aus Breslau und Berlin

in unser Dorf. Der Krieg ging dem bitteren Ende

entgegen, die russischen Truppen näherten sich

der schlesischen Grenze. Die ersten Trecks

aus Ostpreußen zogen gegen Westen, das

Flüchtlingselend nahm seinen Anfang. Es folgten

die Donauschwaben. Ende Januar 1945 kamen Deutsche

aus der Batschka in unsere Gemeinde. Am 21. Jan.

wurde Breslau zur Festung erklärt. Alle Stadt-

und Landgemeinden im Vorfeld von Breslau wurden

nun systematisch evakuiert und nahmen ihre

Zuflucht in der Grafschaft Glatz. Seitendorf bekam

Anfang Februar die Gemeinde Hermsdorf aus dem

Kreis Strehlen zugeteilt. Von einem Tag zum

anderen mußten in unserem kleinen Dorf an die

sechs- bis siebenhundert Menschen untergebracht

werden. Jedes Zimmer und jede Kammer wurden

mehrfach belegt. Angesichts dieser großen

Not rückten alle Dorfbewohner willig zusammen

in der bangen Hoffnung, daß ihnen nicht noch

das gleiche Schicksal widerfahren möge. Zum

Glück war der Winter ziemlich mild und das

Frühjahr stellte sich beizeiten ein.

 

 

Es kam der 9. Mai, der Tag der Kapitulation.

Die Menschen atmeten auf, doch Freude konnte

sich nicht einstellen, denn mit großer Furcht

und Angst wurde der Einzug der Russen erwartet.

Für unsere Heimat begann nun die schwerste Zeit,

war sie doch bis zuletzt von direkten Kriegs-

 

 

-98-

 

einwirkungen und Bombardierungen verschont

geblieben. Am 9. Mai strömte stundenlang ein

fast unübersehbarer Zug von Menschen und

Fahrzeugen durch Seitendorf, viele deutsche

Soldaten, die hofften, noch den Westen zu

erreichen, zivile Strafgefangene und Hunderte

von Flüchtlingen aus Oberschlesien, die ihren

Weg über Mähren und Mittelwalde genommen

hatten. Die Spitze des Zuges stieß bald

auf die Russen, die dann am Nachmittag des

10. Mai, es war das Fest Christi Himmelfahrt,

in unser Dorf einmarschierten. Zu allem

Unglück ging zur gleichen Zeit ein Teil von

Richard Eltner’s Gehöft in Flammen auf. Das

zog natürlich die Aufmerksamkeit der Russen

auf sich, denn sie vermuteten, daß versteckte

Munition in die Luft gegangen wäre. Zum Glück

konnte der Brand gelöscht und die Russen

überzeugt werden, daß spielende Kinder das

Feuer verursacht hatten. Was sich in der

folgenden Nacht und in den nächsten Tagen und

Nächten abgespielt hat, läßt sich nicht be-

schreiben. Das Dorf war vollgestopft von

russischem Militär, auf den Feldern grasten

Hunderte von Pferden, die das gerade im

Schossen begriffene junge Korn abfraßen. Die

Gehöfte und Häuser waren innen und außen

belegt, man sprach von einem ganzen Polk

(Regiment bzw. Division). Alles mögliche wurde

requiriert, hauptsächlich Pferde, Schweine,

Kleinvieh, Butter, Eier, Milch usw. Das

Schlimmste aber waren die nächtlichen überfälle

und Plünderungen. Um brutalen Prügeleien oder

 

 

-99-

 

 

 

 

Vergewaltigungen zu entgehen, erfanden die

Frauen in ihrer Not die unmöglichsten Schlupf-

winkel und Zufluchtsstätten. Ende Mai wurde das

russische Militär zum größten Teil abgezogen,

aber in den Gemeinden und der Kreisstadt

blieben "Kommandaturen" beibehalten. Zum Glück

wurden die überfälle der Russen seltener, doch

die Angst saß allen für immer in den Gliedern.

Nachzutragen ist noch, daß die Flüchtlinge

aus Hermsdorf, Kreis Strehlen, am 3. Tage nach

der Besetzung durch die Russen den Befehl

erhielten, in ihr Heimatdorf zurückzukehren.

Auf dem Gehöft von Robert Gebhardt war eine

Sammelstelle für deutsche Kriegsgefangene ein-

gerichtet. Die russischen Soldaten durch-

kämmten alle umliegenden Wälder und fanden

noch viele ehemalige deutsche Soldaten, die

gehofft hatten, sich im Schutze der Wälder

nach dem Westen durchschlagen zu können. Sie

alle und einige Seitendorfer junge Männer,

die sich schon in Sicherheit wähnten, mußten

ebenfalls am 12. Mai 1945 den schweren Weg in

die russische Kriegsgefangenschaft antreten.

(Sie fanden nach 3 Jahren ihre Angehörigen

im Westen wieder).

 

 

Kaum waren die Russen abgezogen, spielte sich

im angrenzenden Sudetengau eine Tragödie ab.

In den ersten Junitagen 1945 fanden in den

Nachbargemeinden über der ehemaligen Reichsgrenze

grauenvolle Massaker statt. Fanatische Tschechen

übten blutige Rache an den Sudetendeutschen.

 

 

– 100 –

 

 

 

 

Die mit dem Leben davon kamen, alte Männer

und Frauen sowie Frauen mit kleinen Kindern,

wurden kurzerhand über die Grenze abgeschoben.

Eine ganze Anzahl von ihnen fand in unserem Dorf

eine vorläufige Bleibe. Noch waren wir in der

Lage, diesen schuldlos Vertriebenen ein Dach

über dem Kopf zu bieten. Aber das sollte sich

schnell ändern. Ende Juni 1945 tauchten die

ersten Polen auf. Da keine Verwaltung, kein Rund-

funk und keine Zeitung existierte und keine Post

durchkam, waren wir vom Weltgeschehen gänzlich

abgeschlossen. Nur hier und da tauchten

Gerüchte auf, die Amerikaner würden uns schon

befreien bzw. uns helfen – welch eine Utopie –

wir hatten keine Ahnung, daß wir längst abge-

schrieben waren.

 

 

Die ersten Polen, die ins Dorf kamen, waren Männer.

Mit dem Gewehr auf der Schulter verschafften sie

sich dort Quartier, wo es ihnen am günstigsten

erschien und holten später ihre Familien nach.

Ein anderer Typ waren die cleveren Geschäfte-

macher, die die deutsche Sprache beherrschten.

Sie nahmen Kleinvieh und Lebensmittel für wert-

loses Geld mit, suchten und fanden Fahrräder

und verschwanden für kurze Zeit, um ihre Ware

auf dem Schwarzmarkt in den Städten umzusetzen.

Dann erschienen sie wieder und konnten auf diese

Weise eine zeitlang ihre Geschäfte machen. Im

Laufe des Oktobers bezogen die Polen "ihr Winter-

quartier ". Fast täglich kamen neue Polen ins Dorf.

Jede kleine Landwirtschaft wurde von einer polnischen

Familie belegt, die größeren Betriebe mußten

– 101-

 

 

 

 

2 Familien aufnehmen. So kam es, daß manchmal

8, 10 oder gar 12 Polen auf einem Hof einzogen

und ihn in Besitz nahmen. Was allein die Ver-

sorgung der vielen Menschen bedeutet, kann

sich ein Außenstehender kaum vorstellen. Auch

entzogen die Polen dem Hof soviel Getreide

wie nur möglich, um Schwarzhandel zu betreiben

oder Schnaps zu brennen. Viele Bauern hatten

nach einigen Monaten kein Getreide mehr, um

das nötige Brot backen zu können. Für die

Deutschen gab es nicht das Geringste zu kaufen,

kein Gramm Zucker oder Salz, 1 Streichholz

war eine Kostbarkeit.

 

 

Im Oktober 1945 etablierte sich ein polnischer

Bürgermeister im Ort. Nach einigen Wochen landete

er im Gefängnis, weil er mit seinen Spießgesellen

mehrere Stück Vieh verschoben hatte. Sein

Nachfolger trieb es noch viel schlimmer und

kam 3 Monate später ebenfalls ins Gefängnis.

Ihre Nachfolger waren nicht besser, aber

vorsichtiger. Die selbsternannte Miliz war

Tag und Nacht unterwegs, um die deutschen

Bewohner zu maßregeln oder zu traktieren. Alle

Deutschen hatten eine weiße Armbinde zu tragen,

sogar im Stall und bei der Feldarbeit. Die

schlimmsten Quälereien mußten 10 Männer aus

Seitendorf in der berüchtigten "Gürth-Villa"

in Habelschwerdt über sich ergehen lassen.

Die Miliz holte sie in der Nacht des 23. Nov. 1945

aus den Betten und schaffte sie nach Habelschwerdt,

wo sie 5 Tage festgehalten wurden. In dieser Zeit

schlug man sie mehrmals am Tage mit Stöcken und

 

 

– 102 –

 

 

 

 

Eisenstangen. Der Gastwirt Ernst Weigang

trug sogar einen Knochenbruch davon. Ein Grund

für die Repressalien an den Deutschen fand

sich leicht und wurde auf raffinierte Weise

herbeigeführt. Meistens unterschob die Miliz

den Deutschen bei "Haussuchungen"- es handelte

sich immer um Plünderungen – irgendwelche alte

Waffen und überführte sie dann als "Partisanen".

Eine andere Methode bekamen Gastwirt Weigang

und Fleischermeister Jestel zu spüren, sie

wurden mit Waffengewalt gezwungen, Schwarz-

schlachtungen durchzuführen, um anschließend der

Schwarzschlachtung überführt zu werden. Solche

und ähnliche Dinge waren an der Tagesordnung.

Höfe über 200 Morgen waren im Sommer 1945

schon verstaatlicht worden. Auf die Höfe von

Hauck und Boese setzten sich sogen. Administra-

toren. Von Landwirtschaft verstanden sie so gut

wie nichts, umso besser aber, ihren eigenen

Vorteil herauszuholen. Sie führten ein richtiges

Lotterleben. Die deutschen Besitzer aber wurden

mit ihren Familien in der schlimmsten Weise

unterdrückt. Ende November 1945 mußten sie

als Erste ihren Hof und das Dorf verlassen.

Man schaffte die Familien Hauck und Boese mit

ihren kleinen Kindern, noch nicht einmal mit

dem Allernötigsten versehen, nach Neundorf.

Dort mußten sie, notdürftig untergebracht,

unter den widrigsten Umständen bis zu ihrer

Vertreibung im März 1946 den Winter verbringen.

 

 

Weihnachten 1945 – das Fest wurde unter

 

 

– 103 –

 

 

 

 

bedrückenden Umständen begangen. Die Christ-

messe war untersagt, ein Tannenbaum unter 150

Zloty Geldstrafe verboten. Sylvester und

Neujahrstag bedrückten die Menschen fast noch

mehr. Was wird das Jahr 1946 bringen? Wir

lebten in größter Ungewißheit.

 

 

März 1946 – die Nachricht über die ersten

Vertriebenentransporte ging durch das Dorf.

Am 26. März war es soweit. Die ersten Familien

hatten die Heimat zu verlassen. Unter ihnen

waren die meisten Sudetendeutsche, aber auch

eine Reihe Seitendorfer Familien, welche die

Polen am ehesten weghaben wollten. So einfach

war das. Zwei Familien wurden regelrecht heraus-

gejagt; sie hatten kaum 1 Stunde Zeit, um für

sich und die kleinen Kinder die letzten Hab-

seligkeiten zu packen. Es war grausam.

 

 

Das Frühjahr kam. Die noch verbliebenen Bauern

bestellten notdürftig das Land: Hier und da

hatte man versucht, wenigstens das nötige

Saatgut zu schmuggeln. Der Viehbestand

reduzierte sich immer mehr. In kurzen Abständen

mußten mehrmals Milchkühe abgeliefert werden.

Die Kälber schlachteten die Polen für ihren

Bedarf. Deutsche konnten sich glücklich schätzen,

wenn für sie einmal etwas abfiel. In der Regel

hatten sie nur zu arbeiten.

 

 

Indessen gingen die Ausweisungen weiter. Die Polen

unseres Dorfes hatten gut kalkuliert und ließen

 

 

– 104 –

 

 

 

 

erst die Ernte einbringen. Dann war der zweite

Transport fällig. Bis auf wenige Familien mußten

die meisten Seitendorfer am 31. August 1946

ihre Heimat verlassen. Die erste Station war

das Barackenlager am Bahnhof in Mittelwalde.

 

 

Sonntag, 1. September – hielt unser hochver-

ehrter Pfarrer, Geistl. Rat Goebel, auf dem

Bahnsteig in Mittelwalde einen Abschieds-

Gottesdienst. Vertrauensvoll legten alle ihr

Schicksal in Gottes Hand. An dieser Stelle soll

noch in besonderer Weise unseres Pfarrers und

Seelsorgers gedacht werden. Wie kein Zweiter

hat er sich in dieser schweren Zeit für seine

Pfarrkinder eingesetzt. So mancher Familie

hat er in seelischer wie leiblicher Not unter

Einsatz seines Lebens geholfen.

 

 

Nach einer letzten entwürdigenden Kontrolle

(Leibesvisitation) ging der Transport am 2. Sept.

1946 ab gegen Westen. Die Schicksalsfahrt ging zu

unserem Glück über Kohlfurt in die britische Zone.

Durchgangsstationen waren die Lager Marienthal

bei Helmstedt das Auffangslager Wipperfürth,

wo unsere Registrierung erfolgte und Troisdorf.

Im Lager Troisdorf wurden die Seitendorfer

auf verschiedene Gemeinden des Siegkreises

verteilt. Der erste Transport der Seitendorfer

am 26. März war ebenfalls in die britische Zone

geleitet worden. Sie fanden ihre Bleibe in

der Gegend um Braunschweig und in Ostfriesland.

Ungleich schwerer traf es die letzten zehn

Familien aus Seitendorf. Wenige Tage später

 

 

        105 –

 

 

 

wurden auch sie ausgewiesen und landeten

bedauerlicherweise nach mehreren Wochen Auf-

enthalt im Lager in der russisch besetzten Zone,

in der Gegend von Leipzig und Wurzen. Damit

war die Vertreibung unserer Heimatgemeinde

beendet und ihr Schicksal besiegelt. Sie hat

aufgehört, zu bestehen, nachdem sie ihren

Bewohnern und deren Vorfahren über 6 Jahrhunderte

lang die Heimat gewesen ist. Nun hat man sie

daraus Vertrieben und in alle Winde verstreut.

 

 

 

– BILD –

XII a) Die Gefallenen und Vermißten

der beiden Weltkriege

 

 

 

 

BILD

 

Kriegerehrenmal 1914 – 18 (Foto 1984)

 

 

109

 

 

Die Gefallenen und Vermißten des 1. Weltkrieges

der Gemeinde Seitendorf


Die Inschrift auf dem Kriegerehrenmal und die

Namen der Gefallenen und Vermißten:


Im Weltkrieg 1914 / 18

starben den Heldentod

in dieser Gemeinde


Klemens Mandel

 

1914

Josef Illichmann

 

1915

Franz Hörnig

 

1916

Robert Kliegel

 

1917

Josef Weigang

 

1918

Friedrich Franke

 

1918

Klemens Gebhardt

 

1918

Hermann Beck

verm. 29. 9.

1918

Robert Klenner

gef. 12.10.

1918

Hermann Goldmann

gest. 26.12.

1918

Josef Franke

gef. 29. 5.

1916

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

– 109 –

 

 

 

 

 

Den Gefallenen des zweiten Weltkrieges:




Ihr sollt nicht vergessen sein –


Ihr, die Ihr liegt in fremder Erde, stumm –

Ihr zogt hinaus, nicht wissend – wie und warum.

Der Tod war der Lohn im Norden und Süden,

in West und Ost.

Verbrannte Erde trank überall gierig Euer Blut –

kein Trost,

weder Rettung noch Heimkehr – einsam, allein.

Wie könnte das jemals vergessen sein! –

Und die Ihr ließet zurück – sind stumm

von Trauer – fragen sich noch immer:

„Warum, warum?"

 

 

– 110 –

 

 

 

 

Die Gefallenen und Vermißten des 2. Weltkrieges

1938 – 1945 aus unserer Gemeinde


Wendler, Josef

geb.

1920

gef.

29.9.1941

Otto, Alfred

geb.

1903

gef.

4.1942

Boese, Robert

geb.

1921

gef.

2.1942

Hein, Klemens

geb.

1916

gef.

1942

Scholz, Albert

geb.

1920

gef.

20.7.1942

Grond, Hermann

geb.

1919

gef.

1942

Knauer, Otto

geb.

1908

gef.

6.8.1942

Grond, Bruno

geb.

1923

gef.

9.1942

Bernhart, Max

geb.

1922

gef.

4.10.1942

Hein, August

geb.

1905

gef.

15.11.1942

Hoffmann, Richard

geb.

1919

gef.

1.1943

Franke, Robert

geb.

1911

gef.

13.5.1943

Eltner, Severin

geb.

1913

gef.

23.7.1943

Bernhart, Linus

geb.

1924

gef.

15.10.1943

Berhart, Bruno

geb.

1910

gef.

27.12.1943

Steiner, Friedrich

geb.

1911

gef.

17.3.1944

Langer, Herbert

geb.

1906

gef.

4.4.1944

Hofmann, August

geb.

1917

gef.

26.7.1944

Boese, Hermann

geb.

1908

vermißt

1944

Strecke, Bruno

geb.

1909

vermißt

1944

Spanel, Ernst

geb.

1923

vermißt

1944

Peucker, Alfred

geb.

1898

vermißt

1945

Locker, Klemens

geb.

1915

gef.

7.11.1944

Stein, Alfons

geb.

1910

gef.

1944

Strecke, Alfons

geb.

1914

gef.

29.1.1945

Prause, Alois

geb.

1924

gef.

17.3.1945

Hoffmann, Josef

geb.

1917

gef.

30.4.1945

 

 

 

– 111 –

Mein stilles Dorf

Mein stilles Dorf, – am Bergeshang

ins Grün der Wiesen hingebreitet, –

ein Traum um deine Dächer gleitet,

gewebt aus Duft und Vogelsang.

 

Es trägt zur fernen Welt hinaus

dein Silberfluß die tausend Quellen

und zeigt im Spiegelbild der Wellen

in vertrauter Reihe Haus an Haus.

 

Und schreit‘ ich durch den lieben Ort,

dann ist es mir, als ob ich fände

der Heimat Sinn im Druck der Hände –

in einem Gruß, – in einem Wort.

 

Wenn dann vom Turm die Glocke klingt,

geht überreicher Herrgottssegen

auf allen Gäßchen – allen Wegen,

der bis ins ärmste Stübchen dringt.

 

In tiefster Seele aufgewacht,

bleibt so dein Bild mit mir verbunden.

Und hätt‘ ich zu dir heimgefunden –

das wär‘ es, was mich glücklich macht!

 

Gustav Marx

 

 

 

 

 

– 112 –

XII b)Hausnummern, Häuser und Grundstücke unseres Dorfes

 

 

 

Nr.

Name des Besitzers

Größe

 

Vorbesitzer

1

Müller, Erwin; Kaufmann
Ferienhausbesitzer

0,50

ha

Albert Bernhart,
Schuster

2

Bernhart, Alfred I,
Bauer

31,75

ha

Franz Bernhart /
Thaddäus Bernhart

3

Bernhart, Franz I,
Bauer

31,00

ha

Franz Bernhart /
Isidor Bernhart

4

Boese, Richard
Bauer

53,89

ha

Siegfried Boese /
Franz Boese

6

Dr. Bandmann, Georg, Land-
gerichtsdirektor, Ferienhaus

0,25

ha

Pietsch

7

Gebhardt, Robert,
Bauer

25,94

ha

Alois Gebhardt /
Anton Krause

8

Scholz, Albert,
Handelsmann

2,50

ha

 

10

Strecke, Ernst jun.
Stellenbesitzer

7,50

ha

Franz Rupprecht /
Böttcher

11

Grond, Josef
Stellenbesitzer

4,25

ha

 

12

Hauck, Franz I
Bauer

53,00

ha

Franz Hauck /
Gustaf Hauck

13

Locker, Robert
Stellenbesitzer

3,88

ha

Locker sen.

14

Steiner, August,
Bauer

32,50

ha

Prause /
David Eltner

15

Steiner, August
(Koberhaus)

0,25

ha

Prause /
David Eltner

16

Hantke, Walter
Hausbesitzer

0,25

ha

Johann Winge,
Tischler

17

Franke, August I
Bauer

36,65

ha

Franke, Heinrich

18

Hauck, Franz II
Bauer

29,00

ha

Ernst Hauck /
Edmund Hauck

19

Goldmann, Wilhelm
Schneider / Hausbesitzer

0,25

ha

Katzer

20

Frau Lesak
Hausbesitzerin

0,25

ha

 

20a

Geschwister Eltner
Hausbesitzer

ha

Scholz

21

Vogel, Robert
Stellenbesitzer

3,50

ha

Franz Vogel

22

Hauck, Franz III
Stellenbesitzer

5,97

ha

Josef Hauck /
Lux

23

Hoffmann, Anna
Stellenbesitzer

3,25

ha

Hoffmann

24

Boese, Robert
(Auszugshaus)

 

 

Freirichter

25

Boese, Ernst
Bauer

23,00

ha

Robert Boese
Freirichterei

26

Simon, Friedrich
(Brauerei), Bauer

17,59

ha

Franz Boese /
Ernst Boese

27

Franke, August II
(Schmiede), Stellenbesitzer

4,25

ha

Friedrich Franke
Kunze

28

Gebhardt, Robert (Alois)
Hausbesitzer

0,25

ha

 

29

Boese, Hermann
Stellenbesitzer

8,00

ha

Hermann Boese

30

Weigang, Ernst
Gasthaus, Landwirt

11,50

ha

Josef Weigang

30a

Frank, Augst I
(Haus)

kl. Garten

 

 

31

Eltner, Richard
Bauer

17,81

ha

Ernst Eltner

32

(Weigang) Pächter
Tschimmel, August

18,00

ha

August Weigang

33

Schule

Garten

 

 

34

Prause, Josef
Bauer

9,00

ha

 

35

Teuber, Franz
Stellenbesitzer

3,25

ha

Ernst Lux

36

Grond, Gustav
Stellenbesitzer

3,50

ha

 

37

Strecke, Anna
Hausbesitzer

1,00

ha

Maria Heyer

38

Prause, Michael
Hausbesitzer

0,10

ha

 

39

Prause, Ernst
Bauer

20,43

ha

Robert Strecke

40

Weigang, Ernst
Scheune

 

 

Beck / Lux

41

Strecke, Robert
Auszügler

2,50

ha

Klemens Bernhart

42

Stein, August
(Auszugshaus)

1,50

ha

 

43

Stein, Franz
Bauer

48,50

ha

Franz Stein /
Anton Stein

45

Pohl, Alfred
Bauer / Mühle

16,00

ha

Paul Pohl

48

Gemeindehaus

 

 

 

50

Hein, Josef
Tischler

0,10

ha

Leopold Hein

51

Jestel, Josef
Fleischerei

3,00

ha

Ernst Klar

52

Teuber, Franz
Stellenbesitzer

3,75

ha

Josef Bernhart /
Klemens Bernhart

53

Heidrich, Bruno
Stellenbesitzer

5,25

ha

Exner

54

Otto, Alfred
Stellenbesitzer

2,75

ha

Josef Bernhart /
Alois Bernhart

55

Urban, Hildegard

kl. Garten
a. H.

ha

Berta Eltner /
Beschorner

56

Jung, Max
Bauer

31,00

ha

Hermann Beck /
Franz Beck

57

Beck, Schmiede

 

 

 

58

Bernhart, Ernst
Bauer

24,00

ha

Franz Bernhart /
Leo Bernhart

59

Stein, Alfons
Bauer

31,00

ha

Franz Gebhardt /
Franz Gebhardt

60

Simon, Friedrich
Bauer

21,00

ha

Franz Mandel

61

Bernhart, Paul
Bauer

17,23

ha

Ernst Berhart /
Pautsch

62

Bernhart, Josef
Bauer

25,46

ha

Reinhold Bernhart /
Ernst Bernhart

63

Spanel, Franz
(Hoffmann-Haus)

 

ha

Hoffmann

64

Spanel, Franz
Bauer

14,75

ha

Franz Spanel

65

Kolbe, Friedrich
Stellenbesitzer

7,00

ha

Kolbe /
Strecke

66

Peucker, Alfred
Stellenbesitzer

2,50

ha

August Klar

67

Otto, Josef
Stellenbesitzer

3,50

ha

David Rupprecht

68

Strecke, Ernst sen.
Stellenbesitzer

6,00

ha

Strecke /
altes Schulhaus

69

Wendler (Fuchswinkel)
Bauer

11,00

ha

Kliegel /
Strecke

70

v. Arnim, Hans-Joachim
(Heinsch)

Haus und
Garten

ha

Gustav Grond /
Heinsch

71

Urban, Paul

5,83

ha

Eltner

72

Bernhart, Alfred II
Stellenbesitzer

6,75

ha

 

73

Eltner, Berta und
Hedwig

Haus und
Garten

 

Brauerei Boese –
Freirichterei

?

Groeger
(Schusterbaude)

Haus und
Garten

 

Heyer /
Müller

Schulfelder

ca. 1

ha

 

Gemeindewald

18,00

ha

Strecke /
Eltner

Geisler-Teuberberg

ca. 1

ha

Fraeger /
Thaddäus Tauber

 

 

 

– 117 –


Der Besitzstand der Einwohner von Seitendorf

 

 

Die Zahl der Einwohner von Seitendorf betrug in

den letzten Jahrzehnten zwischen 315 – 330.

Sie lebten fast ausschließlich von der Landwirt-

schaft.

In der Steuererheberolle der Gemeinde wurden die

Einwohner als Bauern und Stückleute, als Stellen-

besitzer und als Haus- und Feldgärtner geführt.

Arbeiterfamilien gab es nur eine oder zwei, je

nach der gegebenen wirtschaftlichen Lage.

 

Folgende Aufstellung zeigt, in welche landwirt-

schaftlichen, handwerklichen und kaufmännischen

Betriebe sich unser Dorf aufteilte. Im Großen und

Ganzen ergänzten sich die einzelnen Zweige in

ihren Dienstleistungen recht gut, so daß von

auswärts keine allzu großen Leistungen erforder-

lich waren.

 

1. Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe

Bauern und Stückleute 10 – 50 ha und mehr = 25

Stellenbesitzer 1 – 10 ha = 26

Haus- und Feldgärtner unter 1 ha = 17

 

2. Handwerker und Kaufleute

 

1 Schmied, 1 Maurer, 2 Tischler, 2 Schuhmacher, Stellmacher

1 Schneider, 1 Fleischer, 1 Viehhändler, 2 Gast-

wirte, 2 Kolonialwarenhändler, 1 Handelsmann für

Obst, Gemüse (Butter und Eier). Brot und Back-

waren, soweit sie nicht selbst hergestellt wurden,

brachte ein Bäcker aus dem Nachbarort ins Dorf.

 

 

– 118 –

XIII. Seitendorf – unsere Heimat



a) Eine Wanderung durch das Dorf


Dort, wo der Habelschwerdter Kamm langsam

in den Paß von Mittelwalde übergeht, liegt

ein etwas verstecktes kleines Seitental.

In diesem Tal, zwischen dem Nordabhang des

Schwarzen Berges und dem Südhang des Drei-

tannenberges – gegen Westen als schützender

Abschluß die Steinkoppe – liegt ein kleines

Dorf, eingebettet in Wiesen, Felder und Wald –

Seitendorf. Das Dorf ist eine kleine Land-

gemeinde des Kreises Habelschwerdt,

854 ha groß.

 

Mitten durch das Dorf plätschert, mal leise

murmelnd, mal lebhaft und munter, der kleine

Dorfbach mit seinem kühlen, frischen Wasser.

Die Straße nimmt ihren Anfang bei Stumpf’s

Gut in Rosenthal. Dort biegt sie von der Kreis-

straße ab, steigt langsam an und führt unter

schattigen Bäumen bis "unter den Berg".

Bald kommt eine scharfe Rechtskurve, und die

Straße steigt stärker an. Links unten im

Gebüsch liegt das Gemäuer der alten Feldmühle.

Unmittelbar daneben führt steilabfallend der

Kirchsteig nach Rosenthal über den Dorfbach,

der sich kurz zuvor mit dem Höllenwasser ver-

einigt hat. Hier ist das Wasser schon beträcht-

lich angeschwollen und gefährdet mitunter das

hölzerne Kirchsteigbrückchen. Am Eingang des

Dorfes grüßt rechts die Pohl-Mühle am rauschenden

Mühlbach und links in stiller Waldeinsamkeit

 

die alte Burgruine der Schnallenstein. Etwas

weiter an der Straße rechts liegt Pohl’s

Steinbruch. Viele Ladungen dieses Granitgesteins

haben so manchem Straßenbau gedient. Die Straße

führt weiter "ei a Felsen" hoch, die "schwarze

Drehe" und die Teichdrehe an Pohl’s Mühlteich

werden genommen. Nach einigen hundert Schritten

noch eine Kurve, dann beginnt das eigentliche

Dorf. Links unten,an der eben beschriebenen Weg-

strecke, fließt der Dorfbach dahin, an dessen

Ufern im Frühling die Schneeglöckchen in ein-

maliger Pracht erblühen. Dem aufmerksamen

Beobachter entgehen auch nicht die seltenen,

so lieblich rosablühenden Zweige des Seidel-

bastes.

Rechts und links des Dorfbaches

und der Straße liegen nun die kleineren Anwesen,

etwas zurück die Bauerngehöfte. Am ersten

Gehöft (Steingut) geht rechts der Weg ab auf

die "hohe Seite" und mündet in einen alten Dorf-

weg, der bei mehreren Gehöften und den drei

Kapellen auf der ganzen "hohen Seite" entlang-

führt und bei Weigang’s Gasthof "Zum Dreitannen-

berg" wieder auf die Straße stößt, aber auch

bis zum Gasthof "Zur Brauerei" weiterführt

und in den "Hofeweg" einmündet. Der Hofeweg ist

ein alter öffentlicher Weg, der über den

Dreitannenberg, am Lusthaus vorbei, das ist

eine ehemalige Schutzhütte des G.G.V. (Glatzer

Gebirgsverein), nach dem "Fuchswinkel" und Peucker

verläuft. Der Fuchswinkel ist eine Kolonie mit

einem kleinen bis mittleren bäuerlichen Anwesen


– 120 –

 

(Kliegel-Wendler, vormals Strecke), an der

Gemarkungsgrenze von Peucker gelegen. Auf der

halben Wegstrecke, zwischen Seitendorfer Höh‘

und Fuchswinkel, steht ein hohes, eindrucksvolles

Holzkreuz (Hauck’s Kreuz). An dieser Stelle

haben sich vor vielen Jahren zwei Brüder aus

Peucker, die sich im Nebel und Schneesturm

verirrt hatten, von einander getrennt. Der eine

ist glücklich nach Hause gekommen, der andere

ist in Oberlangenau in einen Teich gestürzt und

ertrunken. Der Überlebende hat dann an diesem

Scheidewege das Kreuz errichtet.

 

Wieder zurück auf den Dreitannenberg: Er ist

739 m hoch, nicht bewaldet, Wege und Felder auf

dem Gipfel liegen fast eben. Auf diesem Plateau

genießt man einen herrlichen, fast die ganze

Grafschaft umfassenden Rundblick. Nach Süden

geht der Blick noch weit über Grulich (Sudetengau)

hinaus. Schon im Jahre 1856 hat Professor

Josef Schall dem Dreitannenberg vier interessante

Zeichnungen gewidmet, die sehr genau den Rund-

blick wiedergeben. Diese Zeichnungen sind in den

Glatzer Heimatbüchern, Band 4, "Vom Schneeberg

zur Hohen Eule", Marx-Verlag, Leimen /Heidelberg,

wiederzufinden. Der aufmerksame Betrachter wird

viele Stunden auf der Höhe des Dreitannenberges

verweilen müssen, wenn er von diesem einmaligen

Standort aus anhand dieser Zeichnungen das Bild

der Heimat in sich aufnehmen will. Wenige hundert

Meter von diesem Punkt zurück steht ein steinernes

Wegkreuz (Eltners Kreuz). An dieser Wegkreuzung

zweigen die Wege nach Lichtenwalde und Oberlangenau

 

– 121 –

 

ab. Schräg zu diesen Wegen läuft noch ein alter

Schmugglerpfad durch das Gebüsch, der geheimnis-

umwitterte Diebsteig. Der Diebsteig macht ungefähr

die Gemarkungsgrenze zwischen Seitendorf und

Lichtenwalde aus. Der Weg nach Oberlangenau

geht durch den Mückengrund über die Kolonie

Herrensweil. –

 

Wieder zurück ins "Niederdorf": Die Straße steigt

weiter an, nach dem Kilometerstein 2 passieren

wir Jestel’s Brücke, rechts Jestel’s Fleischerei,

linker Hand liegt die Schuster-Baude, ein kleines

Logierhaus – vormals die Heyer-Mühle, eine alte

Sägemühle. Nach einigen hundert Schritten kommt

die Schule in Sicht. Links der Straße erhebt sich

auf einer felsigen Anhöhe die Filialkirche

St. Michael, umgeben vom „Kerchblanka“ (Friedhofs-

mauer, wie sie vielen Wehrkirchen eigen ist).

Rings um die Kirche finden die Toten der Gemeinde

ihre letzte Ruhestätte – mitten im Dorf –

und doch ein Ort des Friedens und der Ruhe,

abgeschirmt vom Lärm des Alltags durch die Fried-

hofsmauer und nur zu betreten über eine sauber

angelegte Steintreppe. An ihrem Fuß steht das

"Kirchenkreuz", gestiftet 1880 vom damaligen

"Kirchvater", dem Bauern Franz Bernhart

(Reinhold – Josef Bernhart). Die Seitendorfer

Kirche war auch bis 1939 die Begräbniskirche

der Gemeinde Peucker – ihre Toten wurden seit

Jahrhunderten auf dem Seitendorfer Gottesacker

beerdigt, und alljährlich am Peucker-Kirmesmontag,

wurde hier in der Kirche für die Verstorbenen

 

– 122 –

ein feierliches Requiem gehalten, wie es

allen Kirchgemeinden üblich war.

 

Zwischen dem Haupteingang der Kirche und

Nebeneingang an der Nordseite befindet sich

das Kriegerehrenmal für die elf Gefallene

und Vermißten des ersten Weltkrieges. Das

Kircheninnere ist schlicht und einfach, aber

gepflegt und anheimelnd, eine Kirche, so recht

nach dem Herzen der Dorfbewohner. Die Kirche

ist dem hl. Michael geweiht, sein Bild ziert

den Hochaltar und stellt den Kampf mit Luzifer

dar. Die beiden Seitenaltäre sind der hl. Barbara

und der hl. Mutter Anna geweiht. An dem Anna-

altar befindet sich noch ein kleiner Glasschrein

mit dem "Prager Jesukind". Eine "Schmerzhafte

Mutter Gottes" und 14 Kreuzwegstationen schmücken

ringsum das Kirchenschiff, welches gut 130

Personen faßt, nicht mitgerechnet die Sitzplätze

oben auf dem "Chor". Eine kleine Orgel dient

zur Verschönerung und Gestaltung des sonntäg-

lichen Gottesdienstes, der Maiandachten,

Hagelfeiern und dergleichen.

 

Das Geläut bestand aus drei Glocken, die alle

ihre eigene Geschichte haben. Die große Glocke

hing seit 1603 im Turm. Nachdem sie über 300 Jahre

von dort das Lob Gottes verkündet hatte, wurde sie

zusammen mit der zweiten Glocke, die ebenfalls
alt und wertvoll war, im 2. Weltkrieg demontiert und

abtransportiert. Gottseidank sind die

beiden Glocken dem Schicksal des Einschmelzens

entgangen, sie fanden sich nach dem Krieg auf einem

Glockenfriedhof wieder. Nach langer Irrfahrt

 

hängen sie nun in einer Kirche von Münster und

in einer Kirche der Diözese Rottenburg. Die

dritte Glocke, die kleinste, war dem 1. Welt-

krieg schon zum Opfer gefallen, aber im Jahre

1934 wieder ersetzt worden, war allerdings

nicht mehr aus dem guten alten Material.

Ähnlich ist mit der Orgel verfahren worden. Die

ursprünglich aus Zinn gefertigten Pfeifen

wurden schon im 1. Weltkrieg durch solche aus

minderwertigem Material ersetzt, wodurch die

Orgel klanglich beeinträchtigt wurde.

 

Oberhalb der Kirche und der Schule wird es

gemächlich. Die Straße verläuft einige hundert

Schritte fast eben, beginnt aber hinter "Schusters

Drehe" wieder anzusteigen. Bei Eltner’s Kolonial-

warengeschäft stößt ein Weg auf die Straße,

eine Abzweigung des alten Dorf- und Hofeweges,

der dort über die „Johannesbrücke" das Dorfwasser

überquert. Auf dieser alten Brücke steht unser

Brückenheiliger St. Johannes von Nepomuk. Zu

seinem liebevoll geschmückten Standbild, wie zu

den drei Kapellen, zogen wohl seit Jahrhunderten

die Bitt- und Fronleichnamsprozessionen.

An der Straße erscheint bei Franke der Kilometer-

stein 3. Nach leichter, aber anhaltender Steigung

ist nach weiteren 1 1/2 km die Seitendorfer Höh‘

erreicht, wo die Straße in den Weg nach Peucker

und in die Sudetenstraße einmündet. Am Kilometer-

stein 4 war das letzte Gehöft erreicht. Kurz

vorher, hinter einer starken Rechtskurve, über-

quert die Straße über Boese’s Brücke den Dorfbach,

einige Schritte weiter den alten Dorfweg, der nun

bis in den letzten Zipfel des Oberdorfes führt und

 

– 124 –

 

 

Kircheninnere heute:

 

(Foto von 1978)

(Foto von 1984)

 

Postkarte

Bild

 

 

An der Ruine Schnallenstein

(Touristen mit Zwei Seitendorfer Schulbuben als "Reiseführer")

 

 

 

auf dem Hegerstück, dem "Gittla" und der

Büttnerstraße endet. Hier oben, am Ende des

alten Dorfweges, genießt man noch einmal die

herrlichste Aussicht. Zu unseren Füßen liegt

Seitendorf, davor ausgebreitet das liebliche

Neißetal mit vielen großen und kleinen Dörfern,

ihren Feldfluren und Büschen, gegenüber das

Glatzer Schneegebirge mit dem Spitzigen Berg

und "Maria Schnee", dem großen und kleinen

Schneeberg, den Klappersteinen und den Grulicher

Bergen. Es fällt schwer, sich von diesem Anblick

loszureißen.

Nun wieder ein Sprung ins Niederdorf, denn es

muß noch ein alter Dorfweg beschrieben werden,

der vor dem Straßenbau die wichtigste Ver-

bindung herstellte. Der Weg beginnt gleich

hinter der Pohl-Mühle und führt ander Ruine

Schnallenstein vorbei. Nach einer starken Kurve

und steilem Anstieg durchläuft er ein Waldstück,

um dann über das Feld weiterzuführen. Kurz nach

dem Verlassen des Waldes kommt der Weg an

Stein’s Kreuz vorbei. Es lohnt sich, etwas zu

verweilen. Vor uns steht, zwischen mächtigen Bäumen

eine wunderschöne alte Kreuzigungsgruppe, einge-

friedet mit einem Zaun aus behauenen Steinen.

Eingemeißelt ist die Jahreszahl 1824, die

Inschrift auf dem Sockel lautet:

 

Wenn einst auch unsere Stunde schlägt,

und unser Puls sich kaum noch regt,

wenn Herz und Aug‘ im Sterben bricht,

Herr Jesu, dann verlaß uns nicht!

 

– 127 –

 

 

Der Ortskundige kann noch von hier aus auf

etwas verschlungenen Wegen einen kleinen Ab-

stecher nach den "Salzlöchern“ machen.

Die sog. Salzlächer sind eine regelrechte

Tropfsteinhöhle, die oft von Schulklassen

und interessierten Touristen gern besucht

wurde. In der Tiefe der Höhle befindet sich

ein kleiner unterirdischer See. In unmittel-

barer Nähe der Salzlöcher liegt noch ein

kleiner Marmor-Kalksteinbruch, den es sich

ebenfalls lohnt, anzusehen. Es ist ein schöner

Anblick, wenn die Sonnenstrahlen auf das

glitzernde, geäderte Gestein fallen. Gehen wir

den Weg etwas weiter in Richtung Höllengrund,

gelangen wir zum Höllenwasser und den sagen-

umwobenen "Teufelssteinen".

 

Nach dem Abstecher zurück auf den alten Dorfweg:

Von Stein’s Kreuz aus führt er unmittelbar

hinter sämtlichen Gehöften, die auf der sog.

"Winterseite" (Nordhang des Schwarzen Berges)

liegen, vorbei. Am "Bicha-Strauche" (Buchen-

strauch) bei Steiner August’s Sandloch über-

quert er den öffentlichen Weg nach Marienthal

und Freiwalde. Dieser Weg nimmt seinen Anfang

bei Steiner August’s Gehöft und geht über die

Felder von Steiner und Franke, quer durch die

Waldungen des Schwarzen Berges. Er ist besonders

wichtig für die Holzabfuhr und eine gute Ver-

bindung zu den genannten Nachbardörfern.

 

Wir steigen weiter an in Richtung Schwarzer Berg

Der Weg überquert ungefähr den Gipfel des Berges

 

– 128 –

 

 

und kommt in Obermarienthal aus. Die Ober-

marienthaler benutzten den Weg gelegentlich,

um über Seitendorf den Bahnhof Ebersdorf zu

erreichen.

 

Wieder sind wär am oberen Ende des Dorfes ange-

langt – wieder bietet sich dem Auge eine groß-

artige Aussicht. Unser liebes kleines Dorf liegt

vor uns, im Hintergrund die schützende Gebirgs-

kette der Glatzer Berge, links grußt der

Heidelberg, der hochste Berg des Habelschwerdter

Kammes, herüber. Er kommt uns vor wie ein

Wachter zu unserer Linken. Weiches Gras ladt‘

uns zum Sitzen ein – wir schauen und schauen ….

 

Wer nie von diesen Bergeshöh‘n

die Wälder, fluren hat geseh‘n,

hat nie empfunden – wohl fürwahr,

wie schön doch unsere unsere Heimat war!

 

Bild

Eingang zu den Salzlöchern

 

 

 

 

XIII b) Das Leben in unserem Dorf

 

 

Das Leben der dörflichen Gemeinschaft war

geprägt von dem Ablauf der Jahreszeiten,

der daraus erwachsenden Arbeit der ländlichen

Bevölkerung, welche tief eingebettet war in

das kirchliche Leben. Ohne Gottes Segen und

Beistand war das Leben auf dem Dorf undenkbar.

Das galt auch für das Kommen und Gehen der

Geschlechter, für Geburt, Taufe, Hochzeit

und Tod.

 

Hier soll nun der Versuch gemacht werden, auf-

zuzeigen, wie sich das Leben in unserem kleinen

Grafschafter Bauerndorf vor dem 2. Weltkrieg

im Ablauf des Jahres gestaltete.

 

Der Neujahrstag wurde, wie überall, mit gegen-

seitigen guten Wünschen der Nachbarn und

Bekannten für das Neue Jahr begangen. Der 2. Januar

war der sog. "Sterztag", ab und zu noch Umzugs-

tag der Dienstboten. Der Name "Sterztag" ist

höchstwahrscheinlich davon abgeleitet, weil es

bei dem Gesindeumzug bei Schnee- und Eisglätte

gelegentlich zu Stürzen kam. Der Dreikönigstag

war ein hoher Feiertag und wurde in der Kirche

mit einem festlichen Hochamt begangen. In der

Oktav des Dreikönigsfestes waren die drei

Könige unterwegs. Der Pfarrer ging mit den

Ministranten von Haus zu Haus, segnete die Häuser

und schrieb mit geweihter Kreide die Buchstaben

C – M – B über die Türen der Wohnstuben. Oft lag

tiefer Schnee, so daß Pfarrer und Ministranten

 

– 130 –

 

 

 

die Schneeschuhe benutzen mußten. Auch wurde

in der Oktav das Weihwasser geweiht (Dreikönigs-

wasser).

In der Regel fand am Abend des Dreikönigstages

das Vereinsvergnügen der Freiwilligen Feuerwehr

oder des Kriegervereins mit Tanz und Verlosung

in einem Gasthaus des Dorfes statt, je nachdem,

beim "Schänka" oder "Bräuer". Nach der

geschlossenen Zeit (Advent) wurde diese Veran-

staltung sehr begrüßt und von Jung und Alt gern

besucht.

Faschingsveranstaltungen und andere Tanz-

vergnügen gab es außer der Kirmes und Hochzeits-

kränzchen höchst selten in einem kleinen Dorf.

Das bewog die Jugend, ab und zu einmal auswärts

auszugehen.

 

Sonst war man in der Zeit von Neujahr bis Fast-

nacht noch sehr fleißig – überall wurde das

Getreide gedroschen. Ein jeder freute sich,

wenn endlich ausgedroschen war, denn nun begann

eigentlich die gemütlichste Zeit des Jahres.

Zwischendurch gab es ein- oder zweimal einen

Höhepunkt, "s’Schweinschloachta", mit

"Wellfleisch oan Woarschtfellsel". Meistens war

damit noch "a Rockagang" verbunden.

Im Februar gab es zusätzlich zwei "halbe"

Feiertage, Lichtmeß (2. Febr.) und Valentin (14. Febr.).

An beiden Tagen wurde die Werktagsmesse besucht.

Von Fall zu Fall wurde auch der 3. Febr.,

St. Blasius, gefeiert. Am Valentinstag durfte kein

Pferd angespannt werden, denn St. Valentin ist

neben St. Leonhard der Schutzpatron des Viehes.

 

– 131 –

 

 

Im Februar konnte es manchmal bitter kalt sein.

Eine alte Bauernregel drückt das so aus:

 

Der Januar spricht zum Februar: "Hätt‘ ich die

Gewalt wie du, ließ ich das Kalb erfrieren

in der Kuh!".

 

Doch die Kälte störte gar nicht so sehr,

man zog sich warm an und in der Wohnstube

strahlte der Kachelofen eine wohlige Wärme aus.

Das war nun die richtige Zeit für die "Rockagänger

oan für’s Fadanschleißa". Dabei ging es manchmal

recht lustig zu, nur blasen durfte keiner, sonst

ging die ganze weiße, weiche Herrlichkeit in

die Luft, die doch für die Aussteuerbetten der

Mädchen bestimmt war. Anschließend gab es einen

anständigen Bohnenkaffee und manchmal noch

"Pfännklan" (Berliner Pfannkuchen). Die "Moanns-

beller" machten in der ruhigen Zeit Strohseile,

reparierten das Pferdegeschirr und beschäftigten

sich mit allerlei handwerklichen Reparaturen.

Auch wurde mit dem Schlitten der Mist in Haufen

auf das Feld gefahren und bei gutem Winterwetter

im Wald Holz geschlagen. Auch die Pferde mußten

während der Winterszeit bewegt werden. Bei

schönem Wetter konnte daraus eine herrliche

Schlittenfahrtwerden.

 

Bald kam die Fastenzeit. Damals galt noch jeder

Tag der Fastenzeit als Fasttag. Das Essen war

bescheidener und wer halbwegs abkommen konnte,

besuchte die Werktagsmesse und die Kreuzweg-

andacht oder die Fastenpredigt am Sonntagnachmittag.

In vielen Familien wurde nach dem Abendessen eine

 

– 132 –

 

 

 

 

kurze Andacht mit Betrachtung und der Litanei

vom bitteren Leiden und Sterben Jesu gehalten.

Der Hausvater betete vor. So wurde allen Haus-

bewohnern, den Großen wie den Kleinen, täglich

der Sinn und die Bedeutung der Fastenzeit nahe-

gebracht.

 

Die Tage wurden bald wesentlich länger und am

Morgen lag der Märzennebel dicht über der Erde.

Doch schon stieg trotz empfindlich kalten Nacht-

frösten die Lerche in die Höhe und kündigte

den Frühling an. Gegen Mittag war die Sonne

Herr über den Nebel geworden,und es taute an

allen Ecken. Die ersten Frühlingsboten, die

Schneeglöckchen, wagten sich unter der tauenden

Schneedecke hervor.

Mittfasten, der vierte Fastensonntag – Laetare -,

der "Sommersonntag" war gekommen. Hie und da

zogen die Kinder, mit bunten Bändern geschmückte

Zweige in der Hand, durch’s Dorf. Sie sangen:

Sommer, Sommer, Sommer, ich been a kleener

Pommer usw….. und heimsten dabei "a poor Bema"

und Süßigkeiten ein. Wer nichts gab, bekam es

kräftig zu hören: "Hinnermest, Taubamest, ei

dam Hause kriecht ma nischt". Am 19. März ist

Joseftag, wieder ein halber oder ein ganzer

Feiertag, besonders für alle, die Namenstag hatten.

Jetzt begann für die Kinder eine gute Zeit,

denn zwischen Joseftag und Karwoche brachten

die "Poata a Grinndonerschtich". Wer denkt

da nicht zurück "oa die Striezel, die Pfaffermoanne

oan Hersche, oa die Hatze oan Kerblan aus Zockerzeug,

die Zockertoaler oan Osterhoasa". Schlietafoahrn

oan der Grinndonerschtich – doas woar woll meet

 

doas Schennste aus der Kenderzeit.

Palmsonntag: Die Kinder trugen große Sträuße

von Weidenkätzchen zur Palmenweihe in die

Kirche. Die Karwoche stand ganz im Gedenken

an Jesu Leiden und Tod. Nirgendwo habe ich

das Mitleiden mit unserem Herrn und Heiland

so innig erlebt wie in unserer lieben Heimat,

der Grafschaft Glatz. Am Gründonnerstag zogen

die Ministranten mit ihren Schnarren und

Klappern statt des Angelusläuten um den Platz

vor der Kirche, denn die Glocken reisten ja

in den Kartagen nach Rom. Die Kinder zogen

klappernd von Haus zu Haus und bekamen Brezel,

Beugel und Eier geschenkt. Am Abend fanden sich

die Dorfbewohner in der Kirche zur "Ölberg-

andacht" ein. Karfreitag war ein strenger Feiertag.

Fast alle besuchten den Karfreitagsgottesdienst

und begleiteten nach den Zeremonien unseren

lieben Heiland in verhüllter Monstranz in

das liebevoll hergerichtete "hl. Grab“. Dort

blieb das "Hochwürdigste" bis zur Auferstehunge-

feier am Ostersonnabend-Abend zur stillen An-

betung ausgesetzt. Auch war das "hl. Kreuz“ zur

Verehrung auf den Boden gelegt.

 

Nach der alten Liturgie fand schon der erste

Ostergottesdienst am Ostersonnabendmorgen mit

der Holz-, Feuer- und Taufwasserweihe statt. Die

Bauern nahmen das geweihte Holz mit nach Hause.

Daraus wurden Späne geschnitten und diese zu

kleinen Holzkreuzchen zusammengefügt. Nach

Beendigung der Frühjahrsaussaat ging der Bauer

mit Frau und Kindern "Kreuzlastecka".

 

– 134 –

 

Auf jedes Feld wurden 3 kleine Kreuzchen und

eine geweihte Palme gesteckt. Damit wurde die

junge Saat dem Segen Gottes anvertraut. Am

Ostersonnabend gegen Abend versammelten sich

die Gläubigen zur Auferstehungsfeier. Unter

den Klängen der Glocken und des Osteralleluja‘s

wurde das Allerheiligste aus dem hl. Grab

geholt und in feierlicher Prozession um die

Kirche getragen. Nach der langen Fastenzeit

brauch ein heller Osterjubel aus. Mit in-

brüstigem Herzen wurden die Osterlieder ge-

sungen: "Triumpf, der Tod ist überwunden –

Getröst, getröst, wir sind erlöst, die Hölle

ward zuschanden!". Nach dem sakramentalen

Segen erklang feierlich das „Tedeum laudamus“.

Mit gleicher Freude wurde dann an beiden Oster-

tagen der Gottesdienst begangen. Die Kinder

hatten noch ihre ganz besondere Freude. Am

Vortage hatten sie mit Eifer ihre Osternestchen

aus Heu oder Stroh im Garten unter Sträuchern

und Bäumen gemacht. Dort fanden sie dann am

Ostermorgen die blauen, grünen, roten und

braunen Ostereier. Zum Frühstück gab es selbst-

gebackenes Osterbrot oder Striezel mit viel

Rosinen, was allen ganz herrlich schmeckte.

Die jungen Mädchen aber waren schon in aller

Frühe am Bächlein gewesen, um "Osterwasser" zu

holen, denn davon wurden sie "gesund und schön".

 

Am Weißen Sonntag war der Ehrentag der Kinder,

der Tag ihrer ersten hl. Kommunion. Im Rahmen

eines feierlichen Gottesdienstes, an dem alle

Bewohner des Dorfes teilnahmen, empfingen die

Kinder zum ersten Mal den Leib des Herrn, die

 

– 135 –

 

 

 

Mädchen in weißen Kleidern, ein Myrten-

kränzchen im Haar, die Jungen in dunkelblauen

Anzügen, ein Myrtensträußchen auf der Brust.

In unserer Filialgemeinde wurde der Tag der

Erstkommunion auf den Ostermontag oder Christi

Himmelfahrt verlegt.

 

Die Tage vor Christi Himmelfahrt, die Bittage,

hatten für die bäuerliche Bevölkerung wieder

eine ganz besondere Bedeutung. Weil der Bauer

in seiner Existenz auf Gedeih‘ und Verderb

von der Witterung abhängig war, bat er in

diesen Tagen ganz besonders um das Gedeihen

der Feldfrüchte. Nach dem Bittgottesdienst

zog die Bittprozession unter Beten und Singen

über die Felder zu den Kapellen und Wegkreuzen.

Bei den vier Stationen betete der Priester um

günstige Witterung und Wachstum der Früchte

des Feldes und erteilte seinen Segen.

 

Während der Vorsommerzeit fanden auch im

selben Anliegen die Hagelfeierandachten statt.

Sie wurden an den sechs Sonnabenden vor dem

Fest Johannes des Täufers (24.6.) gehalten.

Trotz vieler Arbeit wurde es eingerichtet,

daß wenigstens ein Familienmitglied zu der

Hagelfeierandacht gehen konnte. Zu St. Johanni

traten einige alte Bräuche auf. Die Pfosten

der Haustüren wurden mit Ahornzweigen geschmückt.

Ob das zu Ehren des hl. Johannes geschah, weil

er in der Wüste Blätter und wilden Honig gegessen

hat, oder ob es die Freude über den Sommeranfang

war, ist nicht bekannt. Am Vorabend von Johanni

 

– 136 –

 

wurden auch die Johannisfeuer abgebrannt,

ein Riesenspaß für die jungen Leute. Es war

auch ganz großartig anzusehen, wenn auf allen

Bergen und Höhen ringsum die Feuer angezündet

wurden. Dieser Brauch hat höchstwahrscheinlich

seinen Ursprung in der heidnischen Feier der

Sommersonnenwende.

 

"Zu Pfengsta senn die Maidlan oam schennsta",

sagte ein altes Sprichwort. Das galt aber nicht

nur für die Mädchen, sondern auch für Pfingsten

selbst, denn Jung und Alt konnte sich an diesen

beiden Festtagen so recht am Wachsen und Blühen

erfreuen. Natürlich wurde das Hochfest des

hl. Geistes auch in der Kirche feierlich begangen

Regnete es am folgenden Sonntag, dem Dreifaltig-

keitsfest, so hieß es: "Es regnet goldene

Tröpfchen". Damit war wohl ein warmer frucht-

barer Gewitterregen gemeint.

 

Das Fronleichnamsfest wurde besonders feierlich

begangen, sowohl am Tage, als auch am Sonntag

darauf. Die Kirche und die vier Stationsaltäre

waren mit Kränzen und Blumen festlich geschmückt.

Nach dem Gottesdienst zog die Fronleichnamsprozession

in schöner Ordnung unter Glockengeläut, den Klängen

der Musik und Gesang durch das mit Birkengrün

geschmückte Dorf zu den vier Altären (Stations-

altären). Vor dem Baldachin, unter dem der

Priester mit dem Allerheiligsten in der Monstranz

daherschritt, streuten weißgekleidete Mädchen

Blumen, die sie die Tage vorher eifrig auf den

Wiesen gepflückt und gesammelt hatten. An allen

Stationen wurde feierlich der Segen erteilt.

 

-137-

 

 

Nach dem Segen, an der letzten Station am

Kirchenkreuz, begleiteten alle das Allerheiligste

unter dem Gesang: "Großer Gott, wir loben Dich“
zurück in die Kirche.

Während der Fronleichnamsoktav fand noch eine

Werktagsmesse mit einer kleinen Segensprozession

in der Kirche statt. lm Anschluß daran erfolgte

die Kräuterweihe. Jede Familie brachte einen

Strauß von Kräutern und Blumen zur Weihe. Der

Strauß wurde zu Hause sorgfältig aufbewahrt.

Wenn ein Tier erkrankte, bekam es davon ins

Futter, oder es wurde Tee gekocht.

 

Nun begann die Heuernte, die den Bauern und

seinen Leuten oft viel Schweiß kostete, denn es

mußte eine ganze Menge an Wiesen-, Brach- und

Kleeheu eingebracht werden. Das war erforderlich,

weil die ländlichen Betriebe stark auf Vieh-

haltung ausgerichtet waren und das Vieh durch

den langen Winter auf reichlich Trockenfutter

angewiesen war. Unmittelbar nach der Heuernte

folgte schon die Getreideernte.

Es wurden Roggen, Gerste, Hafer und etwas Sommer-

Weizen angebaut und geerntet. Alle Hände mußten

mit anpacken. Mähmaschinen waren schon im Einsatz,

aber die Garben mußten meistens noch von Hand

gebunden werden. Besonders mühselig wurde die

Erntearbeit, wenn das Wetter nicht mitspielte.

Dann mußte das gemähte Getreide gewendet werden,

was doppelte oder gar dreifache Arbeit bedeutete.

Zur gleichen Zeit mußte auch die Flachsernte

bewältigt werden. Das Flachsraufen erfolgte mit

der Hand und war wohl die aufwendigste Arbeit.

 

– 138 –

 

Das schaffte der Bauer mit seiner Familie

nicht allein und mußte sich Helfer aus dem

Dorf dazu holen. Manchmal kamen sogar Frauen

aus der angrenzenden Tschechoslowakei bzw.

dem "Sudetengau".

Während der Heu- und Getreideernte gab es außer

St. Anna und Mariä Himmelfahrt keine zusätzlichen

halben Feiertage. Das ergab sich ganz von selbst,

denn wenn das Wetter umzuschlagen drohte, mußte

auch manchmal sonntags geerntet werden. Die

Sonntagsmesse durfte trotzdem nicht versäumt

werden. Nach Möglichkeit aber wurde die Sonntags-

arbeit vermieden, denn die Sonntagsheiligung

wurde immer hochgehalten, eingedenk des Sprich-

wortes: "Wie Dein Sonntag, so Dein Sterbetag!"

 

Während der Erntezeit wurde auch das Feld für

das Wintergetreide bestellt, denn die Herbst-

aussaat mußte schon Ende August bis Mitte September

erfolgen. "Bartholomä, Pauer, feng oa on see!"

(24.8.). Jetzt reiften auch die Äpfel, Birnen

und Pflaumen heran. Die „Zockerberna" waren

schon verkonsumiert, da stand die Kirmes vor

der Tür. Die Kirmes (das Kirchweihfest), in

unserem Dorf wurde sie seit altersher am Sonntag

vor Michaeli (29.9.) gefeiert. Weil die Kirmes

und das Patronatsfest St. Michael so nahe

beieinander lagen, kam es alle sechs oder sieben

Jahre vor, daß beide auf einen Tag fielen.

Das mußte natürlich ganz besonders gefeiert

werden. Getanzt wurde an den Kirmestagen und

Michaeli in beiden Sälen, des montags fand noch

zusätzlich ein Frühschoppen mit Tanz statt.

 

– 139-

Zum Kirmestanz kamen auch viele junge Leute

aus den Nachbardörfern und manches junge Paar

hat sich da für’s Leben zusammengefunden. Die

Kirmes war früher auch eine Art Erntedankfest.

Später wurde der Erntedanktag am ersten Sonntag

im Oktober gefeiert.

 

Die Frau des Hauses, die „Kermesmutter", hatte

zur Kirmes recht umfangreiche Vorbereitungen

zu treffen. Das ganze Haus wurde von oben bis

unten geputzt, und es mußten wohl an die zwanzig

Hefekuchen gebacken werden, Streusel-, Pfeffer-,

Käse-, Apfel- und Pflaumenkuchen, nicht zu ver-

gessen Mohnkuchen. Für diese Menge mußte der

Backofen angeheizt werden. Für die Kirmessuppe

wurde beim Fleischer ein großes Stück Rind-

fleisch geholt und im Haus wurde ein Ziegen-

lämmchen vom Frühjahr geschlachtet, dazu gab

es noch einen ordentlichen Schweinebraten.

 

Nach dem Gottesdienst am Kirmessonntag erschienen

die Kirmesgäste, die Verwandten aus den Nachbar-

dörfern, Onkel, Tanten und Paten. Auch waren

die Eltern der Dienstboten eingeladen. An langer

gedeckter Tafel wurde nun eine reichhaltige

Mahlzeit gehalten. Da gab es zuerst eine gute

Rindfleischsuppe mit selbstgemachten Nudeln,

dann gekochtes Rindfleisch mit Meerrettich-

und Senfsoße, Gurken- und Krautsalat, anschl.

den Kirmesbraten mit "Kließlan" und Sauerkraut

und zum Nachtisch Apfel-, Birnen- und Pflaumen-

kompott. Für den großen Durst war auch vorgesorgt.

Jeder konnte sich nach Herzenslust an dem selbst-

gebrauten, köstlichen Malzbier laben. Nach feier-

 

– 140 –

 

 

 

 

licher Segensandacht am Nachmittag fanden

sich die Kinder beim "Schänka“ vor der Tür „oam

Zockertesche met der Wolfsgoargel" ein
(Wolflsgoargel ist eine Holzkiste mit innerer Spirale.
Ein Würfel von ca. 3×3 cm wurde oben in die Öffnung
gebracht und rollte dann die Schnecke hinunter, bis
der Würfel unten aus einer weiteren Öffnung wieder
hinaus kam.)

Hier wurde mit Begeisterung um Zuckerzeug

gewürfelt, Einsatz 5 und 10 Pfennige. Leider

war das knappe Kirmesgeld schnell zu Ende und

Montag war doch auch noch ein Kirmestag. Ein

Karussell wie in den Nachbardörfern gab es

zum Leidwesen der Kinder in unserem kleinen

Dorf nicht.

 

Am Kirmesmontag fand am Vormittag das traditionelle

Jungfern-Amt und das Requiem für die Verstorbenen

der Gemeinde mit Umgang über den Gottesacker

statt. So wurden auch die Verstorbenen bei der

Feier der Kirchweihe nicht vergessen. Gleich nach

der Kirmes ging es mit frischen Kräften an die

Kartoffelernte. Die Kinder mußten fleißig mit-

helfen. Auch wurde das Vieh auf die Weide ge-

trieben. Das war eine schöne Zeit für die Hüte-

buben und -mädchen, d.h. solange noch schönes

Herbstwetter war. Nach den Kartoffeln kamen die

Futterrüben dran, das Weißkraut wurde vom Feld

geholt und "eingescharbt" und das Wurzelgemüse

in Erde und Sand für den Winter eingelagert.

Die abgeernteten Felder mußten umgepflügt werden.

Da war oft Eile geboten, denn die ersten

Herbststürme mit Regen und Schnee trafen manchmal

recht früh ein.

 

Allerheiligen – Allerseelen. Noch einmal wurden

die Gräber geschmückt und mit Requiem und hl. Messe

der Toten gedacht.

 

-141-

 

 

 

 

Für den nahen Winter wurden die letzten Vor-

kehrungen getroffen. Die Kellerfenster mußten

frostsicher zugesetzt werden, und die jungen

Obstbäume bekamen einen Schutz von Langstroh

gegen Frost und Wildfraß. Im Schuppen waren

trockenes Holz und Kohle gelagert als gute

Vorsorge, um für den langen Winter eine warme

Stube zu haben. Bald war der November vorbei,

es nahte der Advent und mit ihm kam wieder

Zeit für Feiertage. Der 3. Dezember, Franz

Xaver, war für manche Gemeinde Gelöbnistag

(Franz Xaver wurde als Patron gegen die Pest

verehrt). Viele Leute hatten an diesem Tag

ihren Namenstag. Auch der 4. Dez., St. Barbara,

war ein halber Feiertag und St. Nikolaus,

6. Dez., wieder ein besonderer Tag für die

Kinder. Am Vorabend ging der "Nekels" von

Haus zu Haus und belohnte die guten Kinder,

den weniger guten zeigte er die Rute. Konnte

er nicht ins Haus kommen, legte er den Kindern

seine Gaben auf das Fensterbrett oder unter

das aufgestellte Lesebuch. Schon am St. Martins-

tag, 11.11., bedienten sich die Kinder dieser

guten Methode und bekamen von diesem liebens-

werten Heiligen unter das aufgestellte Buch

ein Martinihörnchen oder ein Stückchen

Schokolade gelegt. Am Marientag (8. Dez.) wurde

ein feierlicher Gottesdienst gehalten, der Tag

war ein gebotener Feiertag. In den Tagen des

Advent waren am frühen Morgen bei Kerzenlicht

die Rorate-Messen – Ecce Dominus veniet ….,

das nahende Weihnachtsfest kündigte sich an.

Wer abkommen konnte, besucht die Roratemessen

 

 

– 142 –

 

 

 

 

trotz Schnee und Kälte, um sich mit Gebet

und bußfertiger Gesinnung auf die Ankunft des

Herrn, des Welterlösers, vorzubereiten. Der

hl. Abend (24. Dez.) war Fasttag. Erst gegen

Abend, "wenn die Sternlein am Himmel standen"

und die Einbescherung erfolgt war, durfte gut

und tüchtig gegessen werden. In den meisten

Familien gab es u.a. „Mohnkließla", ein Gericht

aus Semmel, Milch und Mohn mit Mandeln und

Rosinen. Vor der Einbescherung war das Vieh

besonders reichlich versorgt worden. Es bekam

die Raufe voll Heu und die Futterkrippe wurde

gefüllt mit gemahlenen Rüben und viel Mengsel

(Getreideschrot). Hühner und Gänse erhielten

reichlich Körnerfutter. Auch die Tiere sollten

es in der Christnacht gut haben. Es hieß auch,

daß die Tiere in dieser Nacht miteinander

sprechen könnten. In der zwölften Stunde

machten sich alle Hausbewohner auf den Weg

zur "Christnacht". Nur die Alten und Gehbe-

hinderten blieben zu Hause. Um 24 Uhr begann

die Mitternachtsmesse. Unter feierlichem Orgel-

spiel trat der Priester an den Altar, um

den Weihnachtsgottesdienst und die Geburt

Christi zu feiern. Über dem Hochaltar war die

Krippe aufgebaut, umgeben von viel Tannengrün

und Weihnachtsbäumen. Vom Chor erklangen die

"Christkendla-Masse", das Transeamus und all

die lieben alten Weihnachtslieder, die ein jeder

mit Hingabe mitsang. Es war kein strahlendes,

rauschendes Fest – diese "Christnacht" in

unserer kleinen Dorfkirche, aber so zu Herzen

gehend, voll Gläubigkeit und Innigkeit, – und

wer die "Christnacht" zu Hause noch erlebt hat,

 

 

– 143 –

 

 

 

 

wird sie nie vergessen, solange er lebt.

Der Christtag und der Stephanistag wurden

wieder am Vormittag mit einem Festgottes-

dienst begangen.

 

Auf das Mittagessen freuten sich alle, denn

im Ofenrohr brutzelte die Weihnachtsgans.

Die beiden Weihnachtsfeiertage wurden im

Kreise der Familie verbracht. Man spielte

mit den Kindern, die sich an den neuen,

wenn auch recht bescheidenen, Spielsachen

erfreuten, die das Christkind gebracht hatte.

Am Abend wurden die Kerzen am Christbaum

und an der Krippe angezündet. Eine "Geburt"

Weihnachtskrippe) gab es in jedem Haus,

auch wenn sie oft nur aus Papier und Pappe

geschnitten und geklebt war.

 

Das alte Jahr ging zu Ende. Am Sylvesterabend

wurde "ei a Joahrschluß" gegangen, die feier-

liche Dankandacht, in der alle Gott für seinen

Schutz und seine Hilfe dankten, die sie im

Laufe des alten Jahres erfahren hatten,

verbunden mit der Bitte um ein glückliches,

neues Jahr. In Gottes Namen wurde das alte

Jahr beschlossen – in Gottes Namen das neue

begonnen.

 

Die Älteren maßen noch den 12 Nächten eine

gewisse Bedeutung zu – gemeint ist die Zeit

zwischen dem 27. Dez. bis 6. Januar. Die

Witterung jedes einzelnen Tages wurde auf je

einen Monat des kommenden Jahres bezogen.

So rechnete man sich schon aus, ob es ein

 

– 144 –

 

 

 

 

gutes oder weniger gutes Jahr geben würde.

Ein bischen orakelt wurde noch am Sylvester-

abend, "’s Gleckeheba" (Glückheben),auch das

sollte etwas über das neue Jahr aussagen.

Auf den Tisch wurden vier Teller verkehrt

hingelegt, unter dem ersten Teller lag

ein Stück Brot, unter dem zweiten ein Geld-

stück, unter dem dritten eine Nußschale und

unter dem vierten ein Kamm.

Das Brot bedeutete eine gute Ernte bzw. kein

Mangel an Nahrung, das Geldstück Reichtum

und Wohlstand, die Nußschale Krankheit und

der Kamm Läuse oder Unglück. Die Familien-

mitglieder mußten nacheinander in einen

Nebenraum, um das Wechseln der Teller nicht

zu sehen. Viermal durfte jeder einen Teller

wählen. Was er nun gewählt hatte, galt für

die vier Jahreszeiten im kommenden Jahr.

Ernsthaft hat wohl keiner daran geglaubt,

aber es war eine recht lustige Unterhaltung

am Sylvesterabend.

 

Nun ist noch etwas ganz Wichtiges zu beschreiben –

die ersten und letzten Dinge im Leben eines

jeden Menschen, über Freud‘ und Leid,

an dem alle Dorfbewohner ohne Ausnahme teil-

nahmen oder teil hatten. Wann wurde geheiratet,

wann fanden die so bekannten Bauernhochzeiten

statt. Der Zeitpunkt richtete sich wieder

nach dem Jahresablauf. Advent und Fastenzeit

kamen nicht in Frage. Das war geschlossene Zeit.

Hochzeiten und Tanzveranstaltungen waren verboten,

 

– 145 –

 

 

 

auch weltlicherseits. Zur Ernte war keine Zeit,

deshalb wurden die Hochzeitstermine in die

ruhigere Jahreszeit verlegt. Das war im Winter

zwischen Weihnachten und Fastnacht, gleich

nach Ostern, vor der Frühjahrsaussaat, vor

und nach Pfingsten, also nach der Frühjahrs-

aussaat bzw. kurz vor der Heuernte. Im Herbst

wählte man Ende Oktober und den Monat November

bis Advent. So wurde auch die Zeit gefunden,

um die nötigen Vorbereitungen zu treffen.

 

Anders verhielt es sich bei Geburt und Taufe.

Wenn die "Kendlamutter" wieder auf den Beinen

war, wurde der neue Erdenbürger getauft. Der

Tag der hl. Taufe war ein Festtag, auch in der

Zeit der Ernte. Die Paten brachten außer dem

Patengeschenk an den Täufling allen Hausbe-

wohnern ein anständiges "Poatagräschla"
(Patengroschen) mit.

 

Nach den "Wochen" hielt die junge Mutter mit

dem Neugeborenen auf dem Arm ihren Kirchgang

(„zu Kerchagien“). Sie dankte Gott für die

glücklich e Geburt und erhielt den Segen des

Priesters, anschließend hielt er in der

Meinung der Wöchnerin eine hl. Messe.

 

Der Tod eines Menschen ist zu allen Zeiten nie

an eine bestimmte Zeit gebunden gewesen. Der Mensch

wird abgerufen vom Herrn über Leben und Tod,

wenn er es für richtig hält. Die Sterbeglocke

kündigte allen Dorfbewohnern an, wenn einer

der ihren abgerufen worden war. Bald wußte

ein jeder im Dorf, in welcher Familie der Tod

eingekehrt war. Die Hinterbliebenen beauftragten

 

 

– 146 –

 

 

 

 

die "Groabebitterin", allen Leuten die Todes-

nachricht zu überbringen und sie zum Begräbnis

des Verstorbenen zu bitten. Die Nachbarn des

Toten trugen ihn zu Grabe, und keiner schloß sich

ohne zwingenden Grund aus, ihm die letzte Ehre

zu erweisen. Nach der Beerdigung wurden die

Nachbarn und Bekannten von den Angehörigen des

Verstorbenen ins Trauerhaus zum "Trauerassa“

eingeladen. Gegenseitige Hilfe bei Todesfällen

war eine Selbstverständlichkeit, auch das Ende

eines menschlichen Lebens wurde von den anderen

mitgetragen.

 

Hier ist mit groben Strichen das Leben und die

Arbeit der Menschen in unserer Heimat gezeichnet

worden. Vieles wurde dabei nur gestreift, manches

ist unerwähnt geblieben oder gar vergessen worden

Das möge der Leser verzeihen. Der Schreiberin

ging es darum, das Wichtigste in Kürze fest-

zuhalten.

 

– 147 –

 

 

 

 

XIV Sagen der Heimat

 

 

a) Wie das Burgfräulein vom Schnallenstein

verzaubert wurde

 

Der Ritter Jahn auf der Burg Schnallenstein hatte

eine wunderschöne Tochter namens Enede. Der Ritter

von Mittelwalde und der Ritter vom Hummelschloß

warben um sie, und jeder wollte sie gerne zur

Frau haben. Das Burgfräulein aber war dem Ritter

von Mittelwalde mehr zugetan. Als das der Ritter

vom Hummelschloß erfuhr, ergrimmte er in seinem

Herzen und faßte einen schrecklichen Plan.

Er ritt zu einer Hexe, die auf dem Schneeberg

wohnte und ließ sich von ihr aus allerlei Kräutern

einen Zaubertrank brauen, der Menschen in Tiere

verwandelte. Als eines Tages der Ritter vom

Hummelschloß wieder zu Gast auf der Burg

Schnallenstein war, gelang es ihm, den Pförtner

zu bestechen und ihm den Auftrag zu geben, den

Liebestrank, wie ihn der Ritter vom Hummelschloß

bezeichnete, Enede bei nächster Gelegenheit in

das Essen zu mischen.

 

Das Burgfräulein war sehr fromm und besuchte jeden

Morgen in der Kapelle auf dem gegenüberliegenden

Burgfried die hl. Messe. Eines Morgens wurde

Enede auf dem Weg zur Kapelle von einem Unwohlsein

befallen und fiel in Ohnmacht. Der Pförtner sah

das, eilte in die Küche und holte zur Erfrischung

ein Glas Wasser mit einem belebenden Kräutersaft,

mischte aber heimlich den Zaubertrank darunter

und flößte Enede das Getränk ein. Das Burgfräulein

kam wieder langsam zu sich, konnte sich aber nicht

von der Erde erheben. Auf einmal verwandelte sie

 

– 148 –

 

 

 

 

sich in eine Schlange und kroch im Laube

raschelnd davon. Alle, die es sahen, waren

entsetzt, aber Enede war verschwunden.

 

 

 

b) Wie Enede erlöst werden sollte

 

 

Einmal, am Vorabend vor Allerheiligen, pflügte

ein Bauer aus Rosenthal am Waldrand unterhalb

des "Wüsten Schlosses" sein Feld. Er war ein

guter, braver und hilfsbereiter Mann. Wie er

so mitten in seiner Arbeit war, stand auf einmal

am Waldesrand ein schönes Fräulein. Der Bauer

erschrak, aber das Fräulein sprach ihn mit freund-

licher Stimme an. Sie sagte: "Ich bin Enede, die

vor hundert Jahren verzaubert wurde. Jetzt ist

die Zeit da, daß ich erlöst werden kann. Du bist

ein guter Mann, wenn Du willst, kannst Du mich

erlösen. Gehe morgen, am Allerheiligentag, nach

Grulich und bete dort bei der Gottesmutter

für mich. Du darfst Dir aber kein fremdes Gut

aneignen und komme am Abend, wenn Du wieder zurück

bist, an diese Stelle, dann will ich mich bei

Dir bedanken". Der Mann versprach es und machte

sich am anderen Morgen in aller Frühe auf den

Weg nach Grulich. Nachdem er dort lange und

andächtig gebetet hatte, begab er sich wieder auf

den Heimweg. Wie er so dahin wanderte, sah er

auf einmal schöne, leuchtendrote Erdbeeren am

Wegrande stehen. Das war um diese Jahreszeit

recht ungewöhnlich, und es kam ihm der Gedanke,

wie sehr sich seine Kinder freuen würden, wenn

er ihnen frische Erdbeeren mitbrächte. Er pflückte

 

 

– 149 –

 

 

 

 

sie und dachte nicht daran, daß er damit fremdes

Gut an sich genommen hatte. Müde kam er zu Hause

an, ging aber gleich zu seinem Feld, wie er es

versprochen hatte. Nach kurzer Zeit erschien das

Fräulein, es war sehr traurig, hatte verweinte

Augen und klagte: "Du hast mich nicht erlöst, denn

Du hast unrecht Gut an Dich genommen, nun muß

ich wieder hundert Jahre warten".

 

Dann löste sich die Gestalt im Nebel auf. Der Bauer

hörte aus dem Wald nur noch Schluchzen und Weinen.

Ganz betrübt ging er nach Hause und konnte das

Weinen Enedes sein Lebtag nicht mehr vergessen.

 

 

c) Wie Enede zum zweiten Mal nicht erlöst wurde

 

 

Hundert Jahre waren vergangen. Wieder pflügte ein

junger Bauer am Vorabend von Allerheiligen seinen

Acker in der Nähe des "Wüsten Schlosses". Der Bauer

zog mit seinem Gespann Furche um Furche. Plötzlich

stand am anderen Ende der Furche ein junges

Mädchen. Überrascht hielt er in seiner Arbeit

inne, und das Mädchen fing an, zu sprechen. Sie

erzählte ihm, daß sie die verzauberte Enede sei

und seit zweihundert Jahren auf ihre Erlösung warte.

Morgen, am Allerheiligentag, könnte sie erlöst

werden, wenn ein guter und tapferer Mann dazu

bereit wäre. Der Bauer fragte das Mädchen, was

er da zu tun hätte, er würde sich vor nichts

fürchten. Das Mädchen antwortete ihm: "Bringe mir

morgen mittag, wenn es zwölf Uhr läutet, einen

von den Kuchen, die deine Frau zum Allerheiligenfest

 

 

– 150 –

 

 

 

 

gebacken hat. Ich werde mit einem Schlüsselbund

kommen, diesen mußt du mir abnehmen und mir

dafür den Kuchen geben, du darfst aber keinerlei

Angst zeigen. Zur Belohnung kannst du dann mit

den Schlüsseln die verborgene Schatzkammer im

alten Schloß aufschließen. Der Schatz, den du

dort finden wirst, soll dir gehören". Ganz auf-

geregt, kam der Bauer nach Hause und erzählte

alles seiner jungen Frau. Hocherfreut über den

zu erwartenden großen Schatz, versprach die Frau,

ihm den besten Kuchen mitzugeben. Vor lauter

Aufregung und Vorfreude konnten die beiden in

der Nacht kein Auge zudrücken. Beizeiten machte

sich der Mann am anderen Vormittag mit dem Kuchen

auf den Weg bis zu seinem Acker am Anfang des Waldes.

Als der letzte Schlag der Mittagsglocke verklungen

war, hörte er vom Wüsten Schloß her ein leises

Donnergrollen, wie bei einem herannahenden Gewitter.

Auf einmal rauschte es im Wald, und es erschien

eine große, häßliche Schlange. Sie hatte auf dem

Kopf eine kleine goldene Krone und im Maul einen

riesigen Schlüsselbund. Die Schlange schnellte

geradewegs auf den Mann zu – dieser bekam einen

entsetzlichen Schrecken, warf den Kuchen hin und

rannte, so schnell er nur konnte, davon. Ganz

verstört und in Schweiß gebadet kam er zu Hause

an und konnte nur unter Schlucken und Stottern

erzählen, was geschehen war. So ist Enede, das

Burgfräulein, bis auf den heutigen Tag nicht

erlöst, und der kostbare Schatz bleibt weiter

im Schnallenstein verborgen.

 

 

– 151 –

 

 

 

 

d) Der Schatz im Schnallenstein

 

 

In einem Kellergewölbe, welches sich unter der

Burgruine Schnallenstein befindet, liegt ein

großer Schatz aufbewahrt. Es handelt sich um

drei Tonnen. Eine ist mit Silber gefüllt, die

zweite mit Gold und die dritte mit Edelsteinen.

Vor der Tür des Gewölbes, welches den Schatz

birgt, sitzt auf einem Kasten ein großer, schwarzer

Hund mit feurigglühenden Augen und verwehrt

jedem den Eintritt.

 

Einmal im Jahr, und zwar am hl. Karfreitag, öffnet

sich der Berg für wenige Minuten. Es ist die Zeit,

wo in der Pfarrkirche zu Rosenthal das hl. Kreuz

verehrt wird. Wer die verborgenen Schätze holen

will, muß diese kurze Zeit nutzen. Er muß aber

ein großes Holzkreuz mitnehmen und damit den

Hund von seinem Lager stoßen, der sich dann in

eine Ecke verkriecht. Das Holzkreuz muß die

Länge und Breite haben wie der betreffende Mann,

wenn er sich hinstellt und die Arme ausbreitet.

Ganz schnell muß er von den Schätzen zusammen-

raffen und sich eilig wieder ans Tageslicht begeben,

damit sich der Berg nicht über ihm schließt.

 

Vor vielen Jahren hat ein Müllerbursche aus

der Feldmühle an einem Karfreitag versucht, den

Schatz zu holen. Er ist ganz blaß und verstört

ohne den Schatz zurückgekommen. Er hat nie

darüber gesprochen und ist bald darauf gestorben.

So blieb es ein Geheimnis, welches er mit ins Grab

genommen hat.

 

 

– 152 –

 

 

 

 

e) Die Sage vom Feierobend

 

 

Vom Dreitannenberg aus zieht sich ein Bergrücken

links an Seitendorf herab. Die höchste Erhebung

liegt genau der Burgruine Schnallenstein gegenüber

und wurde zu alten Zeiten als "Feuer-Amt" benutzt.

Davon ist wahrscheinlich der Name Feierobend abge-

leitet.

 

Der Sage nach, hat sich folgende Begebenheit zuge-

tragen. Ein Bauer, der es sonst nicht mit der Arbeit

so eilig hatte, war an einem Sonnabend-Abend noch

nach dem Abendläuten an seinem Heu und setzte es

in Schober. Er war ganz allein an der Arbeit, denn

die anderen Bauern hatten längst Feierabend gemacht.

Da rief auf einmal eine kräftige Frauenstimme von

der Burgruine herüber: "Feierobend!" Doch der Bauer

störte sich nicht daran und schoberte sein Heu

weiter. Noch zweimal erklang der Ruf – aber der

Bauer ging erst nach Hause, als alles Heu in

Schobern stand. Am folgenden Sonntagmorgen war

er nicht schlecht erstaunt, daß alles Heu, was er

nach dem Abendläuten geschobert hatte, wieder

zerstreut war. Das brachte dem Bauern die Schaden-

freude und den Spott der Nachbarn ein. Von nun

an bemühte er sich, seine Zeit besser einzuteilen

und mit seiner Arbeit früher zu beginnen. Seitdem

heißt der Berg: "Feierobend" und das bis auf den

heutigen Tag.

 

– 153 –

 

 

 

 

f) Die Sage von den Salzlöchern

 

(nach Gerhard Bartsch)

 

Vor langen Zeiten stand im jetzigen Höllengrund

zwischen Seitendorf und Rosenthal ein wunder-

schönes Schloß. Es war erbaut aus weißem Marmor

und Alabaster, das Dach war aus purem Gold und

die Fenster aus durchsichtigem Bergkristall.

Noch viel schöner war der große Park, der sich

rings um das Schloß über den ganzen Höllengrund

erstreckte. Er bestand aus uralten Bäumen,

Laubengängen und zahlreichen Wassern. In den

hellen Mondnächten des Sommers tanzten auf den

Seerosenblüten, die auf den vielen Weihern wuchsen,

die Elfen und Wassernixen ihre anmutigen Reigen.

In dem Schloß lebte eine Prinzessin, namens Narzissa.

Sie war verlobt mit dem düsteren Riesen Gol, der

auf dem Schwarzen Berg ein gigantisches Haus erbaut

hatte. In dem großen Haus war es unfreundlich und

ungemütlich, und so war der Riese selbst auch.

Der Vater der Prinzessin, der König Glubos, hatte

ihm Narzissa zur Frau versprochen, und der unge-

schlachte Riese wachte eifersüchtig über seine Braut.

Sie aber konnte den finsteren Mann gar nicht leiden.

Weil es so einsam war im Höllengrund, hatte sie

die Sprache der Vögel erlernt. Sie spielte mit den

Tieren des Waldes, und diese waren ganz zahm,

sobald sie in ihre Nähe kam. In den Laubengängen

des gegen Sonnenuntergang gelegenen Berges befand

sich eine wunderschöne Grotte, die ihresgleichen

im ganzen Glatzer Lande nicht zu finden war.

Dort verweilte Narzissa oft und lauschte den lieblichen

Tönen, die der Wind der Harfe entlockte, die in der

 

– 154 –

 

 

 

 

Kuppel der Grotte hing. Eines Tages trat plötzlich

ein junger Mann in Jägerkleidung vor sie hin.

Er sagte: "Ich wandere schon tagelang durch die

Wälder und kann mich nicht zurechtfinden.“

Narzissa erschrak heftig, denn ihr Vater hatte ihr

verboten, mit einem Menschen zu sprechen und bedrohte

jeden mit dem Tode, der es wagte, sich seiner Tochter

zu nähern. Sie sagte: "Geht schnell wieder fort.

Ich bin Narzissa, die Tochter des Königs Glubos.

Wenn Euch mein Vater sieht, müßt Ihr sterben."

"Mit Sterben hat es noch lange Zeit, schöne

Prinzessin," lachte der Jäger, "ich bin jung und

stark und kann mich verteidigen." Ein nie gekanntes

Gefühl drang in ihr Herz, sie raffte ihre Kleider

zusammen und lief davon. Sie fand in der Nacht

keinen richtigen Schlaf und träumte dunkle, ver-

worrene Geschichten von einem großen Glück, das

ihr bevorstand und von einem nahen Tode. Am anderen

Tage ging Narzissa wieder zu der Stelle im Park,

wo sie tags zuvor den Fremden gesehen hatte.

Es dauerte nicht lange, kam dieser wieder aus dem

Wald heraus. Als er sie sah, strahlte er vor Freude.

"So habe ich also doch das Glück, Euch wiederzusehen,“

rief er und drückte freudig erregt ihre Hände. "Die

ganze Nacht habe ich im Wald verbracht, um Euch noch

einmal zu sehen, ehe ich für immer scheide."

Narzissa war tief bewegt, und ihr Blick verriet ihm,

daß auch Sie ihn liebt. Er nahm sie in die Arme und

küßte sie. Allabendlich, wenn die Nacht über die

Pfarrkoppe stieg und es im Höllengrund dunkel wurde,

kam der Jüngling durch ein Geheimpförtchen zu

Narzissa. So verging eine schöne Zeit. Doch eines Tages

erfuhr Gol, daß seine Braut zu einem geheimnisvollen

 

– 155 –

 

 

 

 

Fremden in Liebe entbrannt sei. Er schlich sich

des nachts herbei und bemerkte, daß die Liebenden

aneinandergeschmiegt in der Grotte weilten.

Wutschnaubend und zornentbrannt riß der Riese

mehrere Bäume aus und zertrümmerte das Dach der

Grotte und stieß die Mauern ein. In ihrer Todes-

angst hielten sich die Beiden engumschlungen

und fanden so den Tod unter den zusammenstürzenden

Steinmassen. Der rachsüchtige Riese hörte nicht

eher auf mit seinem Zerstörungswerk, bis kein

Stein mehr auf dem anderen geblieben war.

Das prächtige Schloß versank mitsamt der Grotte

und erstarrte zu einem mächtigen Salzblock, und

der herrliche Park verging in der Wildnis.

 

Viele Jahre vergingen – es kamen Leute aus anderen

Gegenden ins Glatzer Land und schufen aus einer

rauen Waldgegend blühende Feldfluren. Doch der

Höllengrund ist bis zum heutigen Tage ein geheimnis-

volles und verträumtes Tal zwischen Bergen und

Wäldern geblieben. Dort finden wir noch die Uber-

reste und den Eingang zu der zerstörten Grotte –

„Die Salzlöcher". Auf dem Grunde der Salzlöcher

schlafen Narzissa und der Jäger, die um der Liebe

willen sterben mußten. Das Tal aber bekam den

Namen "Höllengrund", weil dort der Riese vom

Schwarzen Berg wie die Hölle getobt hatte.

 

– 156 –

 

 

 

 

Mei Därfla

 

 

S’leit eia Barga a Puschdärfla kläin,

kai Mensch tut’s kam kenna,

kai Mensch dernoch fre’n.

Dat been ich derhaime, getreulich behutt,

mei Därfla, mei ainziges, wie bin ich dir gutt!

 

Ganz doba om Pusche a Häusla noch steht,

schier datt wo der Waig ei a Himmel nei geht.

Für doas kloppt mei Haze ein kendlicher Glutt,

mei Därfla, mei ainziges, wie bin ich dir gutt!

S’hoat mir schon mancher die Froge gestellt,

wo mir’s off der Welt a oam besta gefällt.

Doo hopp’s ich, doo spreng ich, doo schweng

ich menn Hutt,

mei Därfla, mei ainziges, wie bin ich dir gutt!

 

 

Robert Karger

 

– 157 –

 

 

 

 

BILD

 

 

 

Schulbilder

 

 

BILD

 

Die Geburtsjahrgänge 1906 – 14

 

 

BILD

 

Die Geburtsjahrgänge 1915 – 23

 

BILD

 

Die Geburtsjahrgänge 1920 – 28

 

 

Namen und Herkunft der Seitendorfer Familien

soweit bekannt und ohne Gewähr

 

 

Familien Bernhart:

 

zuerst erwähnt um

1580 – 1605

 

Valentin Bernhart

1615 – 1640

 

Nickel Bernhart

1641 – 1670

 

Michel Bernhart

 

 

 

Ein Zweig der Familie Bernhart

ist lückenlos urkundlich nach-

gewiesen seit

1674 – 1960

 

Georg Bernhart I

Georg Bernhart II

Josef Bernhart

Thaddäus Bernhart

Franz Bernhart

Alfred Bernhart

 

 

 

Familien Boese:

 

 

seit 1804

 

Die Familie Boese ist aus Neundorf

von der Schölzerei (Freirichterei)

gekunnen. Die Boeses sollen aus

einem verarmten Adelsgeschlecht

mit Sitz im Saargebiet stammen.

Vorhandene Urkunden sind leider

verloren gegangen.

1666 – 1683

 

Ein Georg Boese var von

Freirichter von Rosenthal, ein Sohn

des Freirichters Christoph’Boese

aus Ebersdorf.

 

 

 

Familien Gebhardt:

 

alteingesessen

 

 

 

1631 – 1636

 

Zacharias Benedikt Gebhardt

Freirichter in Rosenthal.

seit ?

 

Josef Gebhardt

Johann Gebhardt

Alois Gebhardt *)

Franz Gebhardt *)

*) Vater und Sohn oder Brüder

– 1940

 

Franz Gebhardt (Stein)

 

 

 

 

Familien Franke:

 

alteingesessen, wahrscheinliche

Vorfahren um

1624

 

Merten Franke (Geburt eines Sohnes)

Merten Franke war herrschaftlicher

Förster, Pate, Trauzeuge in Seitendorf

und Lehrer in Lichtenwalde.

 

 

 

1633

 

Michael Franke, an der Feldmühle
erschlagen.

 

 

 

Familien Eltner:

 

alteingesessen, um

 

 

 

1737 – 1783

 

Eltner, als Justitiarius von Althann

eingesetzt auf dem 2. Hof über der Kirche.

1792

 

schenkte Gemeindeältester und Bauer Eltner
die kleine Glocke (Sterbeglocke) der Kirche.

 

 

 

Familien Hauck:

 

erstmals erwähnt um

 

 

 

1730

 

Johann Josef Hauck, geboren in Seitendorf

als junger Bauernsohn Waldaufseher bei von

Althann, später Wirtschaftsdirektor, heiratet

die Freirichterwitwe Rupprecht in Rosenthal,

war dadurch von

1765 – 1784

 

Freirichter in Rosenthal, baute in den

1760iger Jahren die herrschaftliche Brauerei,

welche am 1. Januar 1770 eröffnet wurde.

Die Erben des Johann Josef Hauck verkauften

die Rosenthaler Freirichterei an die Herrschaft

Schnallenstein (Freiherr von Stillfried)

kamen im Jahre

1796

 

wahrscheinlich wieder nach Seitendorf. Es

dürfte sich um Vorfahren der Familie Hauck

handeln, denn ein Hauck kaufte um

1800

 

in Seitendorf einen Hof von einem Winge.

 

 

 

Familien Rupprecht:

 

alteingesessen

 

 

 

1638

 

Georg Rupprecht (sein dreijähriges Kind

verbrannte) .

1738

 

Franz Nikolaus Rupprecht

Freirichter in Marienthal

1738 – 1764

 

sein Sohn Johann Josef Rupprecht, _

Freirichter in Rosenthal (seine Witwe

heiratete Hauck, wie schon beschrieben)

1768 – 1800

 

Franz Nikolaus Rupprecht *)

1321 – 1847

 

Carl Rupprecht *)

 

*) beide Freilichter in Marienthal

 

 

 

Familie Kolbe:

 

 

 

 

 

um 1900

 

zugezogen aus Bobischau

 

 

 

Familie Spanel:

 

 

 

 

 

um 1820 – 30

 

nachweisbar

 

 

 

Familie Steiner:

 

 

 

 

 

1910

 

zugezogen aus Ebersdorf

 

 

 

Familie Vogel:

 

 

 

 

 

um 1860

 

bekannt

 

 

 

Familie Kober:

 

 

 

 

 

1820

 

zugezogen aus dem Kreis Glatz

 

 

 

Familie Winge:

 

 

 

 

 

1744

 

ist ein Hanß Winge, Sohn des Bauern

Josef Winge Trauzeuge bei der Hochzeit

des Geörge Bannerth (lt. Abschrift

der Trauungsurkunde)

 

 

 

Familie Katzer-Goldmann:

 

 

 

 

 

18??

 

stammten aus Lichtenwalde

 

 

 

 

 

 

Familie Lesak:

 

 

 

 

 

1917

 

zugezogen aus Urnitz

 

 

 

Familien Weigang:

 

 

 

 

 

1800 – 1821

 

ist ein Weigang in Marienthal

erwähnt (Freirichterei), staunen

wahrscheinlich aus Schreibendorf

oder Bobischau.

 

 

 

Familien Grond:

 

 

 

 

 

seit 1840 – 50

 

bekannt

 

 

 

Familie Beck:

 

 

 

 

 

Seit 1840 – 50

 

bekannt. Wahrscheinlich zugezogen ~

aus dem Kreis Glatz / Neurode

(Albendorf)

 

 

 

Familien Prause:

 

 

 

 

 

um 1890 – 1900

 

zugezogen aus Neuweistritz

(Freirichterei)

 

 

 

Familie Stein:

 

 

 

 

 

Seit 1824

 

in Seitendorf ansässig, stammt

aus Ullersdorf

 

 

 

Familie Pohl:

 

 

 

 

 

Seit 1850

 

bekannt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nachtrag II

 

Die Freirichter von Seitendorf

 

?

1552

 

Valentin Wender oder Wendler.

Er verkaufte sein Freirichtergut

an

1552

?

 

Mathaens Urban. Dieser besaß das

Gut noch im Jahre 1571.

?

1600

 

Peter Fritsche, der das Gut mit

einer Mehl- und einer Brettmühle

an seinen Sohn

1600

1624

 

Hans Fritsche für 1.400 Schock

verkaufte. Wegen seiner Teilnahme

an der böhmischen Rebellion

(Anhänger des Winterkönigs von 1618-22)

mußten seine Erben 266 Schock Strafgelder bezahlen.

1625

1650

 

Simon Fritsche

1650

 

1683

 

Heinrich Fritsche

1684

1709

 

Heinrich Fritsche, welcher das Frei-

richtergut im Jahre 1709 dem Gatten

seiner Stieftochter Dorothea verkaufte

1709

1753

 

Michael Miller (auch Mildner und Müldner

geschrieben)

1753

1769

 

Ignaz Müldner. Bei seinem Tode waren

seine drei Söhne noch nicht großjährig.

Daher wurde nach einem Vertrag vom

26.12.1770

1770

1786

 

Georg Rother (Rotter), der die Witwe

des Ignaz Müldner geheiratet hatte,
Nutznießer bis zur Großjährigkeits-

erklärung des Thaddäus Müldner

(Rother erwarb später das Dominium

Schönau bei Landeck).

1786

1825

 

Thaddäus Müldner erwarb das Gut von

seinen Miterben für 900 Gulden,

zweigte ein größeres Ackerstück vom

Gut ab und verkaufte das Hauptgut

seinem Sohne

1825

1845

 

Ignaz Müldner für 10.000 Gulden.

Infolge von Unfällen und Mißernten

sah er sich gezwungen, einen Teil des

Gutes zu verkaufen.

Ab 1845 folgten in schnellem Wechsel

fünf verschiedene Besitzer der

„Freirichterei". Die letzten Besitzer

Ernst Tietz und dessen Ehefrau Elisabeth

geb. Weber (sie stammten aus der

Gegend um Breslau), dismembrierten

sie im Jahre 1853 vollständig.

 

Die fünf Besitzer waren:

1845

1946

 

Wilhelm Rüppel

1946

1848

 

Johann Kappel

1848

1850

 

Baron Felix von Strachwitz

1850

1852

 

Ferdinand Scholz und Christian Beyer

1852

1853

 

Ernst Tietz und Ehefrau

 

 

 

 

 

 

Namen zur Skizze von Seitendorf

 

 

1

Müller, Erwin

2

Bernhart, Alfred I

3

Bernhart, Franz I

4

Boese, Richard

6

Dr.Bandmann

7

Gebhard, Robert

8

Scholz, Albert

10

Strecke, Ernst, jun.

11

Grond, Josef

12

Hauck, Franz I

13

Locker, Robert

14

Steiner, August

15

Steiner (Koberhaus)

16

Hantke, Walter

17

Franke, August I

18

Hauck, Franz II

19

Goldmann, Wilhelm

20

Frau Lesak

20a

Geschwister Eltner

21

Vogel, Robert

22

Hauck, Franz III

23

Hoffmann, Anna

24

Boese, Robert

25

Boese, Ernst

26

Simon (Brauerei)

27

Franke, August II

28

Gebhardt Rob. (Alois)

29

Boese, Hermann

30

Weigang, Ernst

30a

Franke, August I

31

Eltner, Richard

32

Weigang, Aug. (Tschimmel)

33

Schule

34

Prause, Josef

35

Teuber, Franz

36

Grond, Gustav

37

Strecke, Anna

38

Prause, Michael

39

Prause, Ernst

40

Weigang (Scheune)

41

Strecke, Robert

42

Stein, Franz

45

Pohl, Alfred

48

Gemeindehaus

50

Hein, Josef

51

Jestel, Josef

52

Teuber, Franz

53

Heidrich, Bruno

43

Stein, Franz

54

Otto, Alfred

55

Urban, Hildegard

56

Jung, Max

57

Beck (Schmiede)

58

Bernhart, Ernst

59

Stein, Alfons

60

Simon, Friedrich

61

Bernhart, Paul

62

Bernhart, Josef

63

Spanel (Hoffmannhaus)

64

Spanel, Franz

65

Kolbe, Friedrich

66

Peucker, Alfred

67

Otto, Josef

68

Strecke, Ernst

69

Wendler (Fuchswinkel)

70

von Arnim

71

Urban Paul

72

Bernhart, Alfred II

73

Eltner, Bertha u. Hedwig

 

 

 

 

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